Diskriminiert der Genderstern in einer Stellenanzeige?
Stellenanzeigen dürfen niemanden benachteiligen. Mit Blick auf das Diskriminierungsverbot müssen Formulierungen in Stellenausschreibungen vor allem geschlechtsneutral sein. Eine gendergerechte Sprache soll grundsätzlich dabei helfen, die Vielfalt der angesprochenen Geschlechter deutlich zu machen und Geschlechterdiskriminierung zu vermeiden. Häufig werden in Stellanzeigen daher Formulierungen mit Gender-Doppelpunkt, Gender-Gap oder eben dem Gendersternchen eingesetzt. Ob diese Schreibweise in einer Jobanzeige Menschen mit nicht binärer Geschlechteridentität benachteiligt, hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein zu entscheiden.
Der Fall: Behörde verwendet Gendersternchen in Stellenausschreibung
Eine Gebietskörperschaft hatte mehrere Stellen ausgeschrieben und dafür die gendersensible Schreibweise mit dem Sternchen gewählt. Es hieß in der Stellenanzeige also, dass Diplom-Sozialpädagog*innen, Diplom-Sozialarbeiter*innen und Diplom-Heilpädagog*innen gesucht werden. Näheres sollte einem "nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d)" entnommen werden und zudem wurde darauf hingewiesen, dass "schwerbehinderte Bewerber*innen bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt werden".
Nach Absage: Klage auf Entschädigung wegen Diskriminierung
Auf die Stelleanzeige bewarb sich auch eine zweigeschlechtlich geborene, schwerbehinderte Person. Nachdem sie eine Absage erhalten hatte, machte sie vor Gericht Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichheitsgesetz (AGG) geltend. Nach ihrer Auffassung wurde sie unter anderem wegen des Geschlechts diskriminiert, da das Gendersternchen bei der Formulierung "Schwerbehinderte Bewerber*innen" entgegen den Vorgaben des SGB IX nicht geschlechtsneutral sei.
Vorinstanz spricht aus anderen Gründen Entschädigung zu
In der Vorinstanz sprach ihr das Arbeitsgericht Elmshorn eine Entschädigung in Höhe von 2.000 Euro zu. Für die Berufungsinstanz beantragte sie daraufhin Prozesskostenhilfe mit der Begründung, die Entschädigung müsse aufgrund der diskriminierenden Verwendung des Gendersternchens mindestens das Doppelte, also 4.000 Euro betragen.
LAG Schleswig-Holstein: keine Diskriminierung durch Stellenanzeige
Das LAG Schleswig- Holstein war anderer Auffassung und wies den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht zurück. Das Gericht entschied, dass die Verwendung des Gendersternchens in einer Stellenausschreibung mehrgeschlechtlich geborene Menschen nicht diskriminiert.
In der Begründung verwies es darauf, dass der Genderstern einer geschlechtersensiblen und diskriminierungsfreien Sprache dient und aufgrund einer Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung verwendet wird.
Formulierungen mit Genderstern richten sich an alle Geschlechter
Das Ziel sei es, nicht nur Frauen und Männer in der Sprache gleich sichtbar zu machen, sondern auch alle anderen Geschlechter zu symbolisieren und der sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter zu dienen. Damit werden davon auch trans-, intergeschlechtliche oder nicht-binäre Personen angesprochen.
Das Gericht nahm zudem Bezug auf den Zusatz "m/w/d" im Ausschreibungstext der Stelleanzeige. Durch diesen werde bereits deutlich, dass die Behörde die Stellen geschlechtsneutral ausschreiben wollte. Damit habe auch die Verwendung des Begriffs "Bewerber*innen" statt "Menschen" keinen diskriminierenden Charakter. Dass noch diskutiert wird, ob das Gendersternchen den offiziellen deutschen Rechtschreibregeln entspricht, war aus rechtlicher Sicht nicht entscheidend. Das könne dahingestellt bleiben, so das Gericht.
Hinweis: LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.07.2021; Vorinstanz: Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 17. 11. 2020, Az: 4 Ca 47 a/20
Das könnte Sie auch interessieren:
Inter oder divers: Arbeitsrechtliche Herausforderungen zum dritten Geschlecht
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
8.787
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
8.2482
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
6.676
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
6.6462
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
4.516
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
4.321
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
3.782
-
Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel richtig berechnen
3.73416
-
Auswirkungen der Zeitumstellung auf Arbeitszeit und Vergütung
3.474
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.2981
-
Inflationsausgleichsprämie während Passivphase der Altersteilzeit
18.11.2024
-
Umsetzung der EU-Richtlinie für mehr Lohntransparenz
15.11.2024
-
Grundsätzliches zum Bereitschaftsdienst
14.11.2024
-
Schriftform im Arbeitsrecht: Klassische Fehler und deren Konsequenzen
13.11.2024
-
Aushangpflichtige Gesetze für Arbeitgeber 2025
12.11.2024
-
Altersfreizeit auch für Teilzeitbeschäftigte
11.11.2024
-
DSGVO-Schadensersatzanspruch wegen heimlicher Mitarbeiterüberwachung
07.11.2024
-
Vorsicht bei Weihnachtsgeschenken von Geschäftspartnern
06.11.2024
-
Betriebsratswahl bei Homeoffice und Kurzarbeit
04.11.2024
-
Außertarifliches Gehalt benötigt nur geringen Mindestabstand zum Tarifgehalt
31.10.2024