Nicht selten werden Arbeitnehmer angehalten, über die Höhe ihres Gehalts Stillschweigen zu bewahren, z. B. um bei den Kollegen keine Begehrlichkeiten zu wecken. Fraglich ist, wieviel Diskretion der Arbeitgeber eigentlich einfordern kann: Können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter wirksam verpflichten, Stillschweigen über die Höhe ihrer Einkünfte zu bewahren?

Darf und kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Pflaster auf den Mund verpassen, indem er ihm das Ausplaudern seiner Bezüge vertraglich untersagt?

 

Abgemahnt: Reden ist Silber …?

Nein - hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschieden. Ein Arbeitnehmer hatte sich hier in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Vertrag verpflichtet, über die Höhe seiner Bezüge Vertraulichkeit zu bewahren.

  • Der Vertrag sah ausdrücklich vor, dass die Klausel der Wahrung des Betriebsfriedens diene und daher auch gegenüber Kollegen gelte.
  • Entgegen dieser Vereinbarung verspürte der Arbeitnehmer jedoch den inneren Drang, sich über seine Bezüge mit anderen auszutauschen und wurde prompt verpfiffen.
  • Der Arbeitgeber erteilte ihm darauf eine förmliche Abmahnung.

 

Schweigegebot verstößt gegen zwingendes Recht

Der Arbeitnehmer verlangte Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte und erhielt vom LAG Recht.

Das Rostocker Gericht sah in der Schweigeklausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 BGB. Der Arbeitnehmer sei in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.

 

Gute Gründe, über die Gehaltshöhe zu sprechen

Ohne Austausch mit seinen Kollegen sei ihm die Möglichkeit genommen, zu prüfen, ob er im Verhältnis zu anderen Mitarbeitern gerecht entlohnt werde.

  • Außerdem verstoße die Klausel gegen die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit.
  • Das Schweigegebot hindere den Arbeitnehmer daran, die Gehaltshöhe mit seiner Gewerkschaft zu besprechen.
  • Sei die Gewerkschaft aber daran gehindert, die Lohnstruktur der Beschäftigten eines Betriebs festzustellen, sei ihr auch sinnvolle Arbeitskämpfe nicht mehr möglich. 

 

Oder gilt die Lohnhöhe als Geschäftsgeheimnis?

Das LAG hat die Revision gegen die Entscheidung zugelassen. Sowohl in der älteren Rechtssprechung als auch in der Literatur werden Schweigeklauseln teilweise als zulässig erachtet. Gehaltsdaten seien Teil der betriebswirtschaftlichen Kalkulation eines Unternehmens und könnten daher ein schützenswertes Geschäftsgeheimnis darstellen.

 

Umstritten

Die Einzelheiten sind insbesondere im Hinblick auf die Inhaltskontrolle nach AGB-Regeln äußerst umstritten.

Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob die durchaus gewichtigen Argumente des LAG auch höchstrichterlich Bestand haben werden.

(LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 21.10.2009, 2 Sa 237/09).

 

Hintergrund: Maulkorberlass?

Ohne Klausel im Vertrag muss kein Arbeitnehmer über sein Gehalt schweigen. Umstritten ist seit langem, ob Arbeitnehmer per Arbeitsvertrag durch eine entsprechende Schweigeklausel (Schweigegebot) verpflichtet werden können, über ihr Gehalt Stillschweigen zu Bewahren. Das Bundesarbeitsgericht hat über eine solche Klausel noch nicht entschieden. Allerdings unterliegen Arbeitsvertragsklauseln unterliegen einer strengen Inhaltskontrolle, wenn sie unverhältnismäßig sind oder Mitarbeiter einseitig benachteiligen, sind sie unwirksam (§ 307 BGB).

Nach wohl herrschender Meinung können einzelne Gehälter auch nicht als Geschäftsgeheimnis der Verschwiegenheitspflicht unterfallen, sondern höchstens die Summe der Gehälter, die Rückschlüsse auf den Unternehmensumsatz oder -gewinn zuließen.