Wann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung wegen Eigenverschuldens des Mitarbeiters verweigern kann
Der aktuelle Fall betraf folgenden Sachverhalt: Die klagende Mitarbeiterin war in einem Restaurant beschäftigt. Sie rutschte auf dem Boden aus und war vier Wochen lang arbeitsunfähig.
Die Arbeitgeberin wollte die Entgeltfortzahlung verweigern. Das Argument: Die Mitarbeiterin habe am Unfalltage wie am Vortage dieselben Stoffturnschuhe mit glatter Sohle getragen; am Vortage hätten aus gegebenem Anlass zwei Vorgesetzte unabhängig voneinander und zu verschiedenen Zeiten die Mitarbeiterin darauf hingewiesen, dass ihre Schuhe nicht rutschfest und daher ungeeignet seien; es könne ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es der Mitarbeiterin möglich gewesen wäre, am Unfalltag mit anderen, besser geeigneten Schuhen zur Arbeit zu erscheinen.
Die Mitarbeiterin sah die Sache anders: Sie habe schwarze Lederschuhe mit ausreichend rutschfester Sohle getragen; sie sei am Vortag des Unfalls von keinem ihrer Vorgesetzten auf ihre Schuhe und deren nicht ausreichende Rutschfestigkeit angesprochen worden; sie hätte auch zwischen der Schicht vom Vortag und der Schicht am Unfalltag zeitlich keine Möglichkeit gehabt, sich andere Schuhe zu besorgen. Schließlich bestreitet sie das den Vortrag der Arbeitgeberin, dass der noch feuchte Fußbodenbereich durch ein Warnschild gekennzeichnet gewesen sei.
Welcher Verschuldensmaßstab gilt?
In § 3 Abs. 1. S. 1 Entgeltfortzahlung steht, dass Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung zusteht, sofern sie kein Verschulden trifft.
Das dort erwähnte Verschulden des Arbeitnehmers entspricht nicht dem in § 276 BGB definierten Begriff über die Verantwortlichkeit des Schuldners. Im Entgeltfortzahlungsrecht wird vielmehr nur ein solches Verhalten als anspruchsausschließend bewertet, bei welchem es sich um einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen. Ein im allgemeinen Sprachgebrauch als leichtsinnig bezeichnetes Verhalten erfüllt den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 1S. 1 EFZG daher noch nicht.
Das bedeutet: Erforderlich ist vielmehr ein besonders leichtfertiges oder gar vorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmers, welches dann auch darin bestehen kann, dass der Arbeitnehmer in grober Weise seiner Sicherheit dienende Anordnungen des Arbeitgebers nicht beachtet.
Mitarbeiterin traf kein Verschulden
Die Mitarbeiterin habe Stoffturnschuhe mit glatter Sohle getragen. Hierbei handelt es sich nicht etwa per se um ein ungewöhnliches und schon auf den ersten Blick für den Einsatz bei der Arbeit oder im sonstigen Alltag ungeeignetes Schuhwerk, wie z. B. Stöckelschuhe oder Vergleichbares. Vielmehr handelt es sich bei solchen Stoffturnschuhen um ein insbesondere in der jüngeren Generation sehr weit verbreitetes Schuhmaterial, das gerade im Alltag massenhaft getragen wird.
Da, wie bereits ausgeführt, Schuhe derjenigen Art, wie sie die Mitarbeiterin am Unfalltag getragen haben soll, unter jüngeren Leuten im Alltag weit verbreitet sind, musste die Beklagte jederzeit damit rechnen, dass eine Vielzahl ihrer Gäste das Restaurant mit entsprechendem Schuhwerk betreten werde. Gleichwohl haben die Verantwortlichen der Arbeitnehmerin nicht verhindert, dass auch die Restaurantbesucher den Gefahrenbereich betreten konnten, sondern sich allenfalls auf das Aufstellen eines Warnschildes beschränkt.
Wären die Gefahren, die aus dem Betreten des feuchten Restaurantbodens mit derartigen Schuhen entstehen können, tatsächlich so naheliegend und so groß, wie die Arbeitgeberin der Mitarbeiterin durch ihren Vorwurf grob leichtfertigen Fehlverhaltens unterstellt, hätte die Arbeitgeberin den Gefahrenbereich für ihre Kunden unbedingt unzugänglich halten müssen. Dass sie dies nicht getan hat, spricht dafür, dass ihre Verantwortlichen die Gefahren ebenfalls als nicht so groß eingeschätzt haben, wie dies der Vorwurf eines besonders leichtsinnigen Fehlverhaltens gegenüber der Mitarbeiterin voraussetzt.
Selbst wenn man somit zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt, dass die Mitarbeiterin mit der Wahl ihres Schuhwerks am Unfalltag in Anbetracht etwaiger vorheriger Hinweise bzw. Anweisungen ihrer Vorgesetzten „leichtsinnig“ gehandelt hat, so erscheint ihr Verhalten nach Lage der Dinge dennoch keineswegs als so grob schuldhaft, dass ein Ausschluss des Entgeltfortzahlungsanspruchs gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG in Betracht käme (LAG Köln, 7 Sa 1204/11).
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