Auskunftsanspruch führt noch nicht zu Lohngleichheit

Mehr Lohngleichheit für Männer und Frauen im Berufsleben: dafür soll das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sorgen. Mit einem Auskunftsanspruch können Arbeitnehmer herausfinden, ob sie das gleiche Entgelt für vergleichbare Arbeit wie ihre Kollegen erhalten. Diese Transparenz soll dazu führen, geschlechtsspezifische Diskriminierungen in der Entgeltpraxis eines Unternehmens aufzudecken und unfairer Bezahlung abzuhelfen. Die betriebliche Praxis hat bisher gezeigt, dass nur wenige Beschäftigte den Auskunftsanspruch überhaupt wahrnehmen. Auch eine Auskunft führt nicht automatisch zu gleichem Lohn: Wie schwierig es ist, eine geschlechtsbezogene Diskriminierung beim Gehalt vor Gericht zu beweisen, zeigt das aktuelle Urteil des LAG Niedersachsen.
Diskriminierung wegen Gehaltsungleichheit?
Die Arbeitnehmerin war im konkreten Fall bei einem Arbeitgeber im Versicherungsgewerbe als Abteilungsleiterin beschäftigt. Seit 2013 erhielt sie eine übertarifliche Vergütung. Der Arbeitgeber gab regelmäßig Tariflohnerhöhungen auch an außertarifliche Angestellte weiter. Wegen angeblicher Mängel im Führungsverhalten schloss er die Abteilungsleiterin von einer Gehaltserhöhung aus.
Auskunftsanspruch nach Entgelttransparenzgesetz
Mit dem Auskunftsanspruch forderte sie vom Arbeitgeber, die Gehaltsstrukturen männlicher Abteilungsleiter offen zu legen. Der Arbeitgeber gab für das Vergleichsentgelt den statistischen Median an, wie es das EntGTranspG erfordert. Der Median unterscheidet sich vom Durchschnittsentgelt der Beschäftigten: Während sich dieses aus einem Durchschnittswert ergibt, ist der statistische Median hingegen der Mittelwert, der in einer Aufstellung von Werten der Größe nach in der mittleren Position steht. In diesem Fall unterschied sich der Median mit einer Differenz von 1.006,60 Euro zum Gehalt der Abteilungsleiterin.
Klage auf Vergütungsdifferenz
Vor Gericht forderte die Abteilungsleiterin die Differenz zwischen ihrer Vergütung und dem Vergleichsentgelt der männlichen Abteilungsleiter. Die Auskunft des Arbeitgebers belegte ihrer Meinung nach eine erhebliche Gehaltsungleichheit zwischen den weiblichen und männlichen Abteilungsleitern. Der Arbeitgeber machte dagegen geltend, dass sich die Vergütung der außertariflich beschäftigten Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter ausschließlich nach geschlechtsneutralen Kriterien richte.
Keine Diskriminierung nach dem AGG
Nach einem Erfolg vor dem Arbeitsgericht Göttingen scheiterte die Arbeitnehmerin in zweiter Instanz. Das LAG Niedersachsen erkannte – unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles – keine ausreichenden Indizien, die eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechtes überwiegend wahrscheinlich machten. Erst wenn sich mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent vermuten lässt, dass die geringere Vergütung auf dem Geschlecht beruht, kehrt sich bei § 22 AGG die Beweislast um. Eine Auskunft des Arbeitgebers, nach der das Gehalt des klagenden Mitarbeiters unter dem Median der Vergleichsgruppe liegt, hielt das Gericht nicht für ausreichend, um eine Beweiserleichterung auszulösen – auch nicht bei einer großen Vergütungsdifferenz. Die Auskunft des statistischen Medians sei nicht geeignet, denn sie enthalte keine Information über die Durchschnittswerte des eigenen oder des anderen Geschlechts.
Höhere Vergütung männlicher Abteilungsleiter hat nachvollziehbare Gründe
Als einziges deutliches Indiz für eine Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechtes nannte das Gericht in seiner Urteilsbegründung, dass die Vergütung der männlichen Abteilungsleiter gegenüber ihren weiblichen Kollegen durchschnittlich um acht Prozent höher lag. Dies lasse für sich allein genommen jedoch nicht mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechtes zu. Denn die Gründe könnte vielerlei Ursachen haben, wie der Arbeitgeber nachvollziehbar dargelegt habe.
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