Insolvenz eines Gutscheinanbieters

Der Gutscheinanbieter Maxchoice hat Insolvenz angemeldet. Hunderttausende von Gutscheinen laufen nun ins Leere, darunter auch solche, die Mitarbeiter von ihren Arbeitgebern bekommen haben. Ob und wann der Arbeitgeber haften muss, erklärt Rechtsanwalt Thomas Niklas.

Haufe Online Redaktion: Die Firma Maxchoice hat zum 1. Mai 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Viele Arbeitgeber haben ihren Mitarbeitern Gutscheine dieses Unternehmens zukommen lassen, die nun nicht eingelöst werden können. Muss der Arbeitgeber hier haften?

Thomas Niklas:  Die Beurteilung ist relativ schwierig. Zum einen werden Gutscheine von Unternehmen oft ohne jede weitere vertragliche Abrede gewährt, zum anderen gab es den Fall einer Insolvenz des Gutscheinanbieters bisher – zumindest in Deutschland – noch nie. Für den Fall, dass ein Dritter zur Erfüllung der Ansprüche über Gutscheine dazwischengeschaltet ist und ausfällt, fehlt es also sowohl an der Rechtsprechung als auch an Beispielen, wir betreten hier insoweit ein wenig rechtliches Neuland.
Letztlich wird der Arbeitgeber zumindest immer dann haften, wenn der Gutschein Teil der Vergütung war. Denn in diesen Fällen erfolgt die Gewährung als Gegenleistung für die von dem Arbeitnehmer geleistete Tätigkeit, für die der Arbeitgeber einstehen muss. Das Vergütungsrisiko kann der Arbeitgeber nicht auf Dritte abwälzen.

Haufe Online Redaktion: Wie kann denn festgestellt werden, ob die Gutscheine als Teil der Vergütung oder nur als freiwillige Prämie gedacht waren? Gibt es bestimmte Kriterien?

Niklas:  Sofern es eine schriftliche Vereinbarung gibt, wird man das gegebenenfalls anhand dieser entscheiden können. In der Mehrzahl der Fälle wird aber keine schriftliche Vereinbarung vorliegen. Dann wird man die Aussage, die mit der Gutscheingewährung verbunden war, auslegen müssen. Eine einmalige Prämie „für das gute Jahr“ oder für die Betriebstreue („alle Mitarbeiter, die zehn Jahre dabei sind, erhalten diesen Gutschein als Dankeschön“) wird man beispielsweise dahingehend auslegen können, dass der Arbeitgeber den Gutschein gerade nicht als einen Teil der Vergütung gewähren wollte. Sind die Gutscheine hingegen gewährt worden, ohne einen bestimmten Anlass dafür zu benennen, ist dies im Zweifelsfall als steuerfreie Vergütungserhöhung anzusehen, die anstelle einer monetären Erhöhung gewährt wird.

Haufe Online Redaktion: Was gilt, wenn die Gutscheine kein Vergütungsbestandteil waren. Ist der Arbeitgeber dann von der Haftung frei?

Niklas: Auch hier ist zu differenzieren. Selbst wenn die Gutscheine nur als Prämie gedacht waren, kann der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er aus Sicht eines objektiven Dritten für den Erfolg der Prämie einstehen wollte.

Haufe Online Redaktion: Können Sie uns dazu ein Beispiel nennen?

Niklas: Stellen Sie sich vor, ein Arbeitgeber lobt schon zu Beginn des Jahres aus, dass die besten Vertriebsmitarbeiter Ende des Jahres nach Paris reisen dürfen. Hier ist eindeutig der Parisaufenthalt als Belohnung beabsichtigt. Ob der Arbeitgeber diese Reise nun selbst bucht oder Reisegutscheine verteilt, ist dabei unerheblich; er wird dem Mitarbeiter die Reise daher auch bei Insolvenz des Gutscheinanbieters ermöglichen müssen.  

Haufe Online Redaktion: Ein Vorteil der versprochenen Gutscheine wäre die Lohnsteuerfreiheit als Sachzuwendung bis zur Grenze von 44 Euro gewesen. Zahlt der Arbeitgeber Schadensersatz, fällt dieses Privileg weg. Was ist hier zu tun?

Niklas: Für die dann anfallende Lohnsteuer wird der Arbeitgeber ebenfalls Schadensersatz zahlen müssen, er wird also den entgangenen Gutscheinbetrag und zusätzlich die dafür anfallende Lohnsteuer ersetzen müssen. Möglich wäre, statt des Schadensersatzes in Geld neue Gutscheine auszugeben. Hier kann dann wieder die Lohnsteuerfreiheit in Anspruch genommen werden, solange der Gutschein innerhalb der rechtlich steuerfrei möglichen Grenzen von 44 Euro pro Monat ausgestellt wird.

Haufe Online Redaktion: Das heißt, wer beispielsweise für drei Gutscheine in Höhe von jeweils 44 Euro Schadensersatz leistet, muss das auf drei Monate verteilen?

Niklas: Das ist nach unserer Einschätzung zutreffend.

Haufe Online Redaktion: Wo kann der Arbeitgeber Regress holen?

Niklas:  Er kann seine Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, aber ich fürchte, die Aussicht auf Regresszahlungen dürfte im vorliegenden Fall verschwindend gering sein. Die Quote liegt im Fall Maxchoice nach unseren Informationen zwischen null und fünf Prozent.

Haufe Online Redaktion: Wie kann der Arbeitgeber in Zukunft solchen Fällen vorbeugen? Kann bei der Gutscheingewährung die Haftung für die Einlösbarkeit des Gutscheins ausgeschlossen werden?

Niklas: Wenn der Gutschein als Gehaltsbestandteil übergeben wird, geht das definitiv nicht. Nur bei Gutscheinen, die lediglich freiwillige Prämien darstellen und zusätzlich zur Vergütung gewährt werden, könnte er seine Einstandspflicht durch eine entsprechende Formulierung für künftige Fälle ausschließen.

Thomas Niklas ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Küttner Rechtsanwälte in Köln.

Das Interview führte Katharina Schmitt.

Der Fall Maxchoice hat Gutscheine für Mitarbeiter zu Unrecht in ein ungünstiges Licht gerückt. Wie Sie - die Seriosität des Anbieters vorausgesetzt - Gutscheine weiterhin als steuergünstiges Motivationsinstrument einsetzen können und auf was Sie achten müssen, lesen Sie in unserem Top-Thema.


Schlagworte zum Thema:  Gutschein, Insolvenz, Vergütung, Haftung