Kassiererin lutscht Bonbons-und wird entlassen

Missgeschick bei der Arbeit: Als eine Kassiererin ein Bonbon lutschte, fiel es ihr aus dem Mund. Für den Arbeitgeber ein Verstoß gegen die Hygienevorschriften und Grund für die fristlose Kündigung. Doch die Kassiererin ist schwerbehindert - es gilt ein erweiterter Kündigungsschutz.

Die Kassiererin wehrt sich vor dem Paderborner Arbeitsgericht gegen die Kündigung. Bisher gibt es noch kein Urteil dazu. Der nächste Gerichtstermin ist laut Medienberichten für den 18. November angesetzt.

Klar ist jedoch jetzt schon, dass die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist mit einigen Besonderheiten verbunden, die der Arbeitgeber beachten muss: Ist der Bestand des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderter Menschen gefährdet, hat der Arbeitgeber frühzeitig unter Beteiligung von Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung und Integrationsamt Möglichkeiten zu erörtern, um das Arbeitsverhältnis dauerhaft fortzusetzen (§ 84 Abs. 1 SGB IX). Die Zustimmungsbedürftigkeit gilt für alle Arten von Arbeitsverhältnissen, wenn

  • der Arbeitnehmer mindestens einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 aufweist
  • oder bei einem GdB von mindestens 30 einem Schwerbehinderten durch behördliche Entscheidung gleichgestellt ist (§ 68 SGB IX).

Maßgeblich ist dabei grundsätzlich das objektive Vorliegen einer Schwerbehinderung.

Ohne Zustimmung des Integrationsamts keine Kündigung

Liegt die Zustimmung des Integrationsamts bei Ausspruch der Kündigung nicht vor, führt dies zur Unwirksamkeit der Kündigung (§ 134 BGB). Von der grundsätzlichen Zustimmungsbedürftigkeit macht der Gesetzgeber verschiedene Ausnahmen. Sie entfällt etwa für Arbeitnehmer,

  • deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate besteht (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) oder
  • deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet wird, sofern sie das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen  (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX).

Das Integrationsamt prüft im Antragsverfahren lediglich, ob und inwieweit die Kündigung durch die besonderen Leiden des schwerbehinderten Menschen bedingt ist. Eine Prüfung der übrigen Kündigungsvoraussetzungen erfolgt grundsätzlich nicht. Die behördliche Zustimmung ermöglicht dem Arbeitgeber nur die Rechtsstellung, die er hätte, wenn es den Sonderkündigungsschutz nicht gäbe.

Im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung wird geprüft, inwieweit eine dem Arbeitnehmer vorgeworfene Pflichtverletzung auf dessen Behinderung beruht. Selbst wenn ein Zusammenhang besteht, kann eine Zustimmung gleichwohl erfolgen, wenn der Schwerbehinderte etwa die Würde und das Persönlichkeitsrecht anderer Betriebsangehöriger verletzt hat.

Kündigungsgrund darf nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehen

Das Integrationsamt trifft seine Entscheidung über den Zustimmungsantrag grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei sind die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander abzuwägen. Je weniger der Kündigungsgrund mit der Behinderung im Zusammenhang steht, umso mehr verlieren die Interessen des Arbeitnehmers an Bedeutung. Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung soll erteilt werden, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht (§ 91 Abs. 4 SGB IX).

Die Zustimmung zur Kündigung beantragt der Arbeitgeber schriftlich bei dem für den Sitz des Betriebs oder der Dienststelle zuständigen Integrationsamt. Das Integrationsamt holt eine Stellungnahme des Betriebsrats oder Personalrats und der Schwerbehindertenvertretung ein und hört den Arbeitnehmer an (§ 87 SGB IX). Erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung, kann der Arbeitgeber die ordentliche Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären (§ 88 Abs. 3 SGB IX).

Gegen die Zustimmung des Integrationsamts kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer Widerspruch einlegen, der jedoch keine aufschiebende Wirkung hat. Der Arbeitgeber darf die Kündigung somit (zunächst) aussprechen. Wird später gerichtlich die Fehlerhaftigkeit der Zustimmung festgestellt, gilt die Kündigung als von Anfang an unwirksam.


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