Zu viele Toilettenpausen: Schwangere gekündigt

Haufe Online-Redaktion: Hätte sich so ein Fall auch in Deutschland abspielen können und falls nein, warum nicht?
Dr. Marc Spielberger: Nein, so etwas wäre bei uns undenkbar. Nach § 9 Absatz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) besteht ein besonderer Kündigungsschutz für Schwangere. Nach dessen Absatz 3 besteht auch kein Ausnahmefall für eine behördliche Zulässigkeitserklärung, da die Kündigung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft (schwangerschaftsbedingt erhöhter Harndrang) erklärt wurde. Die Kündigung wäre offensichtlich unwirksam.
Haufe Online-Redaktion: Welche Fürsorgepflichten treffen einen deutschen Arbeitgeber bei Schwangeren?
Dr. Marc Spielberger: Das MuSchG sieht in etlichen Paragrafen gesteigerte Fürsorgepflichtsregelungen für den Arbeitgeber vor. Der Arbeitsgeber muss bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutze von Leben und Gesundheit werdender Mütter treffen. So sind beispielsweise der Arbeitsplatz der Frau und seine Umgebung einschließlich zu benutzender Einrichtungen wie Wasch- und Toilettenräume, Kantine und Zugangswege ebenso wie das Arbeitsverfahren mit ihren besonderen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Bei Arbeiten mit ständigem Gehen und Stehen sind Sitzgelegenheiten zum kurzen Ausruhen bereitzustellen. Arbeitsunterbrechungen müssen ermöglicht werden, gegebenenfalls auch das Ausruhen auf einer Liege in einem geeigneten Raum zu ermöglichen. Daneben gibt es Beschäftigungsverbote und weitreichende Einschränkungen in der Tätigkeit zur Vermeidung potenzieller Gefährdungen ebenso wie in Bezug auf die Arbeitszeit.
Haufe Online-Redaktion: Wie hätte sich die Arbeitnehmerin in Deutschland wehren können? Welche Folgen müsste ein Arbeitgeber hierzulande befürchten?
Dr. Marc Spielberger: In Deutschland hätte die Arbeitnehmerin gegen die Kündigung innerhalb von drei Wochen nach Zugang Kündigungsschutzklage erheben können. Sie hätte auf ihre besonderen Rechte als Schwängere pochen können, insbesondere darf sie natürlich so oft und solange die Toilettenräume aufsuchen wie sie benötigt. Ferner könnte die betroffene Arbeitnehmerin wegen einer erlittenen unmittelbaren Diskriminierung (wegen Geschlecht) nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Entschädigung und gegebenenfalls, sofern sie einen Schaden erlitten hat, einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Nach herrschender Ansicht sperrt § 2 Abs. 4 AGG diese Ansprüche bei einer Kündigung nicht. Schadensersatzansprüche könnten sich auch aus Deliktsrecht ergeben. Viel schlimmer wäre aber der Imageschaden für einen (namhaften) Arbeitgeber in Deutschland, wenn ein solcher Fall sich ereignen und publik werden würde.
Das Interview führte Renate Fischer, Ass. jur.
Autor: Dr. Marc Spielberger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Partner der Kanzlei Beiten Burkhardt in München
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