Siemens erwägt Abschaffung der Bewerbungsfotos
Fotos in Bewerbungensunterlagen sind aus Sicht von Janina Kugel überflüssig. Es gebe das Risiko, dass Firmenverantwortliche auf Basis solcher Bilder beeinflusst würden und dadurch nicht die richtigen Personalentscheidungen träfen, sagte Kugel vergangene Woche bei einer Pressekonferenz der Netzwerk-Initiative "Chefsache", in der Siemens, Bosch, das Verteidigungsministerium, die Caritas und weitere Institutionen unter anderem Erfahrungen zur Frauenförderung austauschen. Im Kern geht es um die Beseitigung von Vorurteilen, um Mitarbeiter fair zu behandeln.
Unconscious Bias: Bewerbungsfotos bergen die Gefahr unbewusster Vorurteile
Kugel verwies auf das Problem unbewusster Denkmuster (Englisch: Unconscious Bias), wenn also etwa Punkertypen als unseriös oder Ältere als technikfern eingeordnet würden. "Ganz eindeutig ist es wissenschaftlich bewiesen, dass ein Foto einen Rückschluss auf eine Qualifizierung beinhaltet, wenngleich das natürlich nicht unbedingt richtig ist", sagte Kugel.
Anonyme Bewerbung hat sich noch nicht durchgesetzt
In manchen Staaten wie Kanada sind Fotos in Bewerbungen bereits verboten. In Europa bewege man sich bei dem Thema hingegen "nicht ganz so schnell", sagte Kugel. Bereits 2012 gab es ein Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, bei dem einige namhafte Firmen - darunter die Deutsche Post, L'Oreal und Mydays - das Verfahren der "anonymen Bewerbung" testeten. Durchgesetzt hat sich die anonyme Bewerbung in der Praxis bislang nicht. Nun wagt mit Siemens ein großer Dax-Konzern einen neuen Vorstoß, indem er erwägt, Fotos aus dem Bewerbungsprozess herauszunehmen: "Wir sind auf jeden Fall in der Diskussion, auch das abzuschaffen", sagte Personalchefin Kugel. Und an die Adresse potenzieller Siemens-Bewerber ergänzte sie: "Bewerben Sie sich auch gerne ohne Foto."
Mit "Awareness-Training" unbewusste Denkmuster erkennen
Bei Bosch ist man anderer Auffassung. "Ohne Fotos würde sich nichts gravierend ändern", meinte Bosch-Personalchef Christoph Kübel und verwies auf entsprechende Untersuchungen von Baden-Württembergs Landesregierung. Man nehme in Deutschland Bewerbungen mit und ohne Bilder. "Wir stellen sicher, dass wir nicht nach Fotos auswählen."
Damit dies auch in anderen Unternehmen gelingt, bietet die Initiative "Chefsache" ab sofort ein kostenfreies Online-Training zum "Unconscious Bias" an. Es soll dabei helfen, Kenntnisse zum Problem unbewusster Denkmuster zu vertiefen. "Jeder Einzelne sollte sich bewusst werden, in welchen Situationen er sich selbst von unbewussten Denkmustern bei seinen Entscheidungen im Alltag leiten lässt", erläuterte Bosch-Arbeitsdirektor Kübel.
Der Test „Haben Sie Vorurteile?“ prüft datenbasiert die persönliche Tendenz zu Unconscious Bias. Er ist eine Weiterentwicklung des „Implicit-Association-Tests“ der Harvard University und erlaubt Teilnehmern innerhalb weniger Minuten herauszufinden, wie stark sie die Begriffe "Karriere" und "Familie" unbewusst mit Frauen oder Männern verbinden.
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Überblick: Kehrt die anonyme Bewerbung zurück?
Fazit aus dem Pilotprojekt "Anonyme Bewerbung"
Anonyme Bewerbung in der Praxis:
Kein Foto des Bewerbers, keine Angabe von Name, Nationalität, Geschlecht, Geburtsort oder Religion: Die Stadt Monheim am Rhein praktiziert seit 2014 ein anonymes Bewerbungsverfahren und nutzt dafür eine E-Recruiting-Lösung.
Mehr dazu lesen Sie im Personalmagazin Ausgabe 6/2016, das sie hier kostenfrei als App herunterladen können.
Mehr zum Thema "Unconscious Bias":
Schluss mit dem Schubladendenken: Im Personalmagazin Ausgabe 3/2015 erläutert Aletta Gräfin von Hardenberg, Geschäftsführerin des Vereins "Charta der Vielfalt" Strategien und Trainingsansätze, mit denen unbewusste Vorurteile vermieden werden können.
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