Bürokratieentlastungsgesetz: Weiterhin Mindestlohn-Bürokratie

Mitte 2015 wurde das Bürokratieentlastungsgesetz verabschiedet. Was das Gesetz bisher gebracht hat, hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag nun untersucht und dabei entdeckt, dass trotz Bürokratiebremse infolge von Mindestlohn, Frauenquote und Co. neue Bürokratiemonster entstehen.

Im Juli 2015 hat der Bundesrat das sogenannte Bürokratieentlastungsgesetz für die Zielgruppe KMU (kleine und mittlere Unternehmen) verabschiedet. "Wir wollen unsere Wirtschaft von unnötiger Bürokratie entlasten, die Zeit, Geld und oft auch Nerven kostet", verkündigte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel damals. "Das von uns geschnürte Paket ist ein kraftvoller Auftakt für weniger Bürokratie und entlastet die Wirtschaft schnell und spürbar um rund 744 Millionen Euro pro Jahr." Unternehmer, vor allem auch junge Gründer, sollten so Zeit und Geld gewinnen, um sich auf ihre Geschäfte, Innovationen, Arbeitsplätze und Ausbildung konzentrieren zu können.

Um dies zu bewerkstelligen, hat der Gesetzgeber das Entlastungsgesetz mit der sogenannten " Bürokratiebremse" versehen. Sie funktioniert nach dem Motto "one in, one out". Das bedeutet in freier Übersetzung: Für jede neue bürokratische Anforderung muss eine alte abgeschafft werden.

DIHK identifiziert 60 bürokratische Hindernisse

Was das neue Gesetz im ersten halben Jahr nach seiner Einführung bislang gebracht hat, hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nun untersucht – indem er die deutsche Wirtschaft einem sogenannten "Bürokratie-Radar" unterzogen hat. Dabei identifizierten die DIHK-Autoren  rund 60 bürokratische Hindernisse, die die Wirtschaft nach wie vor belasteten.

Immerhin: Nach Angaben des DIHK hat die Bundesregierung bislang schon 17 Entlastungsvorschläge umgesetzt. Lobend äußern sich die Autoren des "Bürokratie-Radar" unter anderem über die verringerten Aufzeichnungspflichten rund um den Mindestlohn. "Mit der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung, die seit dem 01. August 2015 gilt, wurde die Einkommensschwelle von 2.958 Euro dahingehend ergänzt, dass die Aufzeichnungspflicht nach dem MiLoG bereits dann entfällt, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt mehr als 2.000 Euro brutto beträgt und dieses Monatsentgelt jeweils für die letzten tatsächlich abgerechneten zwölf Monate nachweislich gezahlt wurde", schreiben die Autoren. "Weiterhin wurde angepasst, dass bei der Beschäftigung von engen Familienangehörigen (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers) die Aufzeichnungspflichten nicht mehr anzuwenden sind."

Mindestlohn: Entlastungen gehen vielen nicht weit genug

Trotz dieser Entlastungen übt der DIHK in Hinblick auf den bürokratischen Aufwand für Unternehmen weiter Kritik an der Politik: Denn zuletzt hätten die bürokratischen Anforderungen unter der Großen Koalition wieder signifikant zugenommen. Im Windschatten von Mindestlohn oder Frauenquote seien neue, aufwendige Aufzeichnungs- und Nachweispflichten entstanden.

Beim Mindestlohn betrifft die DIHK-Kritik insbesondere die Aufzeichnungspflichten bezüglich der Arbeitszeit – auch wenn es hier gewisse Erleichterungen gegeben habe –, die Auftraggeberhaftung, den Umgang bei Praktika und die Frage, welche Lohnbestandteile zum Mindestlohn zählen. "Hilfreich wäre es, wenn der Gesetzgeber eindeutige Informationen oder gesetzliche Klarstellungen bereitstellt, die den Unternehmen als verlässliche Orientierung dienen könnte", so die Anregung der "Bürokratie-Radar"-Autoren.

Auch vielen Arbeitgebern gehen die Änderungen bei den Dokumentationspflichten, die Mitte 2015 ungefähr zeitgleich mit der Einführung des Bürokratieentlastungsgesetzes gelockert wurden, noch nicht weit genug.

Neben den nach wie vor bestehenden bürokratischen Hürden habe der Mindestlohn zudem viele Arbeitsplätze gekostet. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer etwa schätzt, dass seit Inkrafttreten des Gesetzes die Zahl der Minijobs um mehr als 120.000 gesunken sei.

Lohngleichheit: neues Bürokratiemonster geboren?

Ähnlich besorgt äußern sich HR-Experten auch über die möglichen bürokratischen Folgen des geplanten Gesetzes zur Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen. So kritisiert etwa Alexander Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU), in seiner Kolumne auf haufe.de/personal die im Gesetzentwurf geforderten Prüfverfahren: "Laut Entwurf sind Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dies gilt als erfüllt, wenn ein 'betriebliches Prüfverfahren', das zertifiziert ist, eingeführt ist", beschreibt Zumkeller.

Nur: Diese Prüfverfahren drohen wiederum den bürokratischen Aufwand in den Unternehmen zu erhöhen. "Prüfverfahren sind immer aufwändig. Die Referenten des BMFSFJ stellen sich wohl vor, man drückt aufs Knöpfchen, und dann hat man alle erforderlichen Grunddaten", so Zumkeller. Das sei leider ein wenig naiv: "In meinem Unternehmen zum Beispiel gibt es die sogenannten 'ERA-Beschreibungen', die Bezeichnung aus dem 'SV-Tätigkeitsschlüssel', eine Bezeichnung aus dem unternehmensinternen 'Job Catalogue', eine Berufsbezeichnung, eine Tätigkeitsbezeichnung, und eine für die Visitenkarte", so Zumkeller.

Auch Sozialversicherung, Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit zu bürokratisch

Welche bürokratischen Hürden in Unternehmen sonst noch lauern und oftmals auch die Personaler bei ihrer Arbeit ausbremsen, hatte im vergangenen Jahr auch eine TNS-Emnid-Studie im Auftrag des Softwareunternehmens Sage zur Bürokratiebelastung im Mittelstand mit 400 Teilnehmern gezeigt.

Demnach empfinden die Unternehmen den stärksten Druck durch übermäßige Bürokratie und übertrieben komplexe Vorschriften im Bereich der Besteuerung. 88 Prozent der Firmen sehen sich an diesem Punkt stark oder sehr stark belastet.

Schon auf den Plätzen zwei und drei folgenden Themen, die direkt mit dem Personalmanagement verknüpft sind, nämlich der Umgang mit der Sozialversicherung (80 Prozent) und die Handhabe des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit (78 Prozent). Es schließen sich dann allgemein die Statistik- und Dokumentationspflichten an (73 Prozent), gefolgt vom Arbeits- und Sozialrecht (70 Prozent), wiederum einer klassischen Domäne des Personalwesens.


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Schlagworte zum Thema:  Mindestlohn, Diversity, Entgelt