Unterschiede im Führungsstil überbrücken
Haufe Online-Redaktion: Der Softwarekonzern SAP wird künftig von dem Führungsduo Jennifer Morgan und Christian Klein geleitet – einer 48-jährigen US-Amerikanerin und einem 39-jährigen Deutschen. Was ist wichtig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit unterschiedlicher Nationalitäten im Top-Management?
Kathleen Dunton: Grundsätzlich – nicht nur in diesem Fall – ist eine Offenheit ausschlaggebend sowie das Verständnis, dass die andere Geschäftskultur völlig verschieden sein kann. Das heißt: Man muss gut zuhören, man muss vielleicht auch einige Kompromisse machen und man muss sich gegenseitig finden. Am Anfang ist mehr Kalibrierung nötig bis man weiß, wie die andere Person tickt. Wichtig ist es, ohne Vorurteile in solch eine Zusammenarbeit hineinzugehen. Das gilt nicht nur für Führungskräfte, sondern auch für alle Personen, die in Teams mit unterschiedlichen Kulturen arbeiten.
US-Manager sind offen, schnell, positiv
Haufe Online-Redaktion: Sie sind als Personalberaterin international tätig und haben schon einige internationale Teams zusammengestellt. Welche Herausforderungen in der Zusammenarbeit können nach Ihrer Erfahrung auftreten?
Dunton: Unterschiede zeigen sich zum Beispiel bei den Arbeitsmethoden, der Einstellung und der Zusammenarbeit. Der US-amerikanische Führungsstil ist eher von Offenheit und Schnelligkeit geprägt. Das Miteinander gestaltet sich anders als in Deutschland. In Deutschland gibt es mehr Genauigkeit, die Dinge werden eher hinterfragt. Auch der Fokus in der Geschäftswelt unterscheidet sich, deshalb gilt es, die Nuancen zu beachten und versuchen zu verstehen. Die Herausforderung ist, nicht die eigene Sicht der Dinge als einzig richtigen Weg zu begreifen, sondern auch andere Herangehensweisen zu akzeptieren.
Deutsche Manager sind ernst, genau und faktenbasiert
Haufe Online-Redaktion: Könnten Sie noch etwas konkreter werden: Was zeichnet deutsche Manager aus, was US-amerikanische Manager?
Dunton: Deutsche Manager sind sehr direkt, hinterfragen Dinge mehr. Sie sind in erster Linie genau, ernst, faktenbasiert und pünktlich. Qualität ist ihnen sehr wichtig. Sie sind bereit, offen in die Diskussion zu gehen und dabei auch zu widersprechen. US-amerikanische Manager sind eher positiv gestimmt und sehr team- und kundenorientiert. Schnelligkeit und Zahlen sind ihnen wichtig. Alles geht ums Geschäft: größer, weiter, schneller. Während es in Deutschland vor allem ums Detail und die Minute der Wahrheit geht, sind US-Manager eher auf unternehmerische Themen und die Geschäftsentwicklung aus.
Haufe Online-Redaktion: Diese Unterschiede können sicherlich dazu genutzt werden, um voneinander zu profitieren. Wie können beide Seiten voneinander lernen?
Dunton: Indem sie offen sind, eine gewisse Agilität mitbringen und sich fragen, was gut für sie ist. Meiner Erfahrung nach findet in Deutschland seit einiger Zeit ein Umdenken in diese Richtung statt: Wir denken zunehmend kundenorientiert und das hilft auch dem Geschäft. Wie ich anfangs schon gesagt habe: Offenheit und gutes Zuhören tragen dazu bei, dass eine Win-Win-Situation entsteht. Wichtig ist, dass jede Seite die Argumente der anderen Seite zulässt und nicht sagt "My way or the highway". So wird in den USA eine Haltung bezeichnet, die keine andere Meinung zulässt.
USA: motivierend, aber auch hierarchiegeprägt
Haufe Online-Redaktion: Welche Unterschiede gibt es bei den Führungsstilen, zum Beispiel in Sachen Lob und Kritik, Mitarbeitermotivation, Diskussionsstil und Partizipation?
Dunton: Führungskräfte in den USA haben eine grundsätzlich positive Haltung. Es gibt nichts, was zu schwierig ist. Sie wollen motivieren und den Teamgeist wecken. Viele beginnen mit einem kleinen Scherz, machen Smalltalk und versuchen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Trotzdem geht es um die Fakten und darum, dass das Team klare Ziele vor Augen hat. Wenn eine Entscheidung getroffen wurde, wird erwartet, dass alle mitziehen. Manager in den USA sind es nicht unbedingt gewohnt, dass ihnen widersprochen wird. Dort ist man auch eher hierarchiegeprägt. Wenn eine Entscheidung gefallen ist, gehen alle mit. Allerdings kann eine Entscheidung innerhalb kurzer Zeit nochmals revidiert werden. Für jemanden, der aus Deutschland kommt, kann das schwierig sein.
Deutschland: tiefe Diskussionen, lange Analysen
Haufe Online-Redaktion: Und in Deutschland ist das genau umgekehrt?
Dunton: Deutsche Manager agieren nicht grundsätzlich gegenteilig. Aber sie sind eher dazu bereit, eine Entscheidung zu konferieren, auch vor versammelter Mannschaft. Das ist in den USA nicht üblich. Hier entscheidet der Chef und alle gehen mit. In Deutschland bringen die Mitarbeiter auch mal Einwände vor. Die Diskussion geht mehr in die Tiefe und die Dinge werden länger analysiert. Daher braucht es einige Zeit, um eine Strategie aufzusetzen. Daran verzweifeln US-Manager oft, da es ihnen zu lange dauert.
Haufe Online-Redaktion: Die Herausforderungen der Wirtschaft sind groß, angefangen bei der Automobilkrise bis hin zur digitalen Transformation. Welche Management-Kultur – die US-amerikanische oder die deutsche – bring zurzeit die besseren Kandidaten für diese Herausforderungen hervor?
Dunton: Ich tue mich schwer damit zu sagen, dass die eine oder andere Kultur besser oder erfolgreicher ist. Man muss die jeweilige Situation konkret anschauen: Geht es um die Technologie? Müssen wir die Zahlen nach oben pushen? Befinden wir uns in einer Turnaround-Situation? Das muss einzeln erörtert werden. Aber auch hier glaube ich, dass Unternehmen von beiden Management-Kulturen profitieren können. Die US-amerikanische Schnelligkeit kann für ein deutsches Unternehmen manchmal nicht die richtige Option sein. Auch für eine Situation, in der man sich mehr Zeit nehmen sollte, die Strategie zu überdenken oder die Produkte genau zu analysiere, kann ein Schnellschuss kontraproduktiv sein. Hier kratzt man dann nur an der Oberfläche. Manchmal erfordert die wirtschaftliche Situation eine längere Überlegungsphase, bevor man schnell aus der Hüfte schießen kann.
Ob ein deutsches Unternehmen für US-Manager attraktiv ist, hängt von der Branche ab
Haufe Online-Redaktion: Manche Firmen suchen gezielt nach jemandem, der schnell agieren kann und die von Ihnen genannten US-amerikanischen Eigenschaften mitbringt. Wie attraktiv sind deutsche Unternehmen für US-Manager?
Dunton: Die Attraktivität ist branchenabhängig. Sie hängt stark von dem Unternehmen und dessen Bekanntheit ab. Führungsfunktionen mit breiter Verantwortung in der Automobilbranche sind aus Sicht von US-Managern sehr attraktiv. Auch internationale Konzerne und die Finanzbranche sind aus ihrer Sicht interessant. Die Chance, einen US-Manager für den klassischen Mittelstand, etwa ein wenig bekanntes Maschinenbau-Unternehmen, anzulocken, ist eher gering. Aber in allen Fällen stellt die Sprache eine große Hürde dar. Wir haben relativ häufig Anfragen von US-Amerikanern auf Top-Level, die sich für eine Position in Deutschland interessieren. Wenn die Person aber kein Deutsch spricht, gehen unzählige Türen zu. Es sei denn, das Unternehmen ist stark international aufgestellt und die Person ist bereit, während ihres Aufenthalts die deutsche Sprache zu lernen. Es ist sehr häufig die Sprachbarriere, die den Wechsel verhindert.
Haufe Online-Redaktion: Abgesehen von der Sprachbarriere: Wie groß ist die Chance für ein deutsches Unternehmen, einen US-Manager ins Land zu holen?
Dunton: Es ist schwierig, wenn die deutschen Unternehmen ihre Messlatte sehr hoch hängen, wenn sie also alle Eigenschaften suchen, die sie auch in Deutschland suchen würden. Der Arbeitsmarkt in den USA ist sehr groß. Wer bereit ist, Abstriche zu machen, wird den richtigen Manager finden. Aber wenn es um technikorientierte Positionen mit hohen Qualitätsmaßstäben geht, kann es schwierig werden. Funktionen, die im Bereich Marketing und Vertrieb liegen, sind hingegen gut besetzbar. Die Unternehmen müssen aber gut hinter die Kulissen schauen, denn die Amerikaner sind sehr versiert darin, sich zu verkaufen. Nach meiner Erfahrung wird es schwieriger, je spezieller die Rolle ist und je tiefer das Wissen sein muss.
Kathleen Dunton ist Managing Partner bei der Personalberatung Boyden Global Executive Search und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Executive Search. Sie lebte und arbeitete in den USA, Großbritannien und Deutschland.
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