Bilanz zur "Digitalen Agenda"
Der Digital-Gipfel, der vom 12. bis 13. Juni in Ludwigshafen stattfindet, ist die Fortsetzung des jährlichen nationalen IT-Gipfels. Der – seit diesem Jahr - neue Titel soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Gipfel die Digitalisierung in ihrer ganzen Breite spiegelt und dabei Anbieter- und Anwenderseite einbezieht, von der Industrie 4.0 bis zur Kultur- und Kreativwirtschaft. Der Gipfel versteht sich als Plattform für die Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft bei der Gestaltung des digitalen Wandels.
Gewerbliche Wirtschaft holt bei Digitalisierung auf
Zum Auftakt des diesjährigen Gipfels stellten Kantar TNS und das ZEW im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie den aktuellen „Monitoring-Report Wirtschaft Digital 2017 - Kompakt“ vor. Laut dem darin veröffentlichten „Wirtschaftsindex Digital“ erreicht Deutschland beim Digitalisierungsgrad seiner gewerblichen Wirtschaft jetzt 54 von 100 möglichen Indexpunkten (2015 waren es noch 49 Punkte). Die Prognose der befragten Unternehmen sieht Deutschland in fünf Jahren bei einem Wert von 58 Punkten.
Der Wirtschaftsindex Digital zeigt, wie weit die Digitalisierung in den deutschen Unternehmen aktuell fortgeschritten ist und wie sie sich bis 2022 verändern wird. Der Index misst in einer Zahl zwischen 0 und 100 Punkten den Digitalisierungsgrad der deutschen gewerblichen Wirtschaft, ihrer Teilbranchen und nach Unternehmensgrößenklassen.
Digitalisierung auch im Mittelstand angekommen
Der Digitalisierungsgrad des gesamtwirtschaftlich bedeutenden Mittelstands (10-249 Beschäftigte) steigt demnach um zwei auf 52 Indexpunkte. Die Digitalisierung der Großunternehmen (250 Beschäftigte und mehr) legt um einen auf 54 Indexpunkte zu und zieht erstmals seit 2015 mit den Kleinstunternehmen (0-9 Beschäftigte) gleich, deren Digitalisierungstempo um einen Indexpunkt schwächer ist als im Vorjahr. „Gesamtwirtschaftlich haben die Digitalisierungsfortschritte in großen und mittelgroßen Unternehmen eine weitaus höhere Bedeutung, da diese Unternehmen 88 Prozent der Umsätze der gewerblichen Wirtschaft generieren“, kommentiert Dr. Sabine Graumann von Kantar TNS, die die Gesamtverantwortung für die Studie trägt. „Erfreulich ist auch, dass wir in Bereichen, in denen das Monitoring uns in den letzten Jahren Nachholbedarf zeigte, ebenfalls vorankommen. Das verarbeitende Gewerbe steigert seinen Digitalisierungsgrad gegenüber 2016 um drei auf 42 Indexpunkte, liegt aber weiterhin noch unter dem Durchschnitt der gesamten gewerblichen Wirtschaft“, so Dr. Sabine Graumann weiter.
„Es freut mich, dass der Mittelstand als eine der tragenden Säulen unserer Wirtschaft die Chancen der Digitalisierung immer besser nutzt", kommentierte Bundesministerin Zypries die Ergebnisse. "Denn davon hängt ab, ob die deutsche Wirtschaft auch in Zukunft noch erfolgreich sein wird."
Handel mit dem höchsten Digitalisierungstempo bis 2022
Betrachtet man die elf Kernbranchen der gewerblichen Wirtschaft werden große Unterschiede deutlich. Vorreiter der digitalen Transformation ist die IKT-Branche. Wissensintensive Dienstleister, Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie der Handel sind „überdurchschnittlich“ digitalisiert, weil sie den Gesamtindex der gewerblichen Wirtschaft von 54 Punkten zum Teil deutlich übertreffen. Den Prognosen der Befragten zufolge wird der Handel mit einem Zuwachs um acht auf 62 Indexpunkte bis 2022 das höchste Digitalisierungstempo erreichen.
Industrie 4.0 treibt die Digitalisierung voran
Deutschlands führende Rolle in Industrie 4.0 wird sich bis 2022 besonders positiv auf den Digitalisierungsfortschritt des Fahrzeugbaus auswirken. Mit prognostizierten 50 Punkten kommt er von Rang acht auf Rang fünf unter den elf beobachteten Branchen mit einem Anstieg von sechs Indexpunkten deutlich voran. Auch kann das sonstige verarbeitende Gewerbe 2017 aus diesem Grund eine deutliche Verbesserung erzielen. Mit 40 Punkten ist diese Branche erstmalig „mittelmäßig“ und nicht mehr „niedrig“ digitalisiert. Die Energie- und Wasserversorgung sowie Chemie und Pharma werden um jeweils vier auf 49 Indexpunkte bis 2022 zulegen. Das Digitalisierungstempo ist im Maschinenbau mit zwei Indexpunkten etwas langsamer (2022: 47 Punkte). Dies gilt auch für den Bereich Verkehr und Logistik (plus 2 Punkte auf 42 Punkte 2022). Das Gesundheitswesen ist und bleibt als einzige Branche „niedrig“ (39 Punkte 2022) digitalisiert.
Digitalisierung im internationalen Vergleich: Deutschland im Mittelfeld
Beim "Monitoring-Report Wirtschaft Digital kompakt" handelt es sich um einen Zwischenbericht. Der ausführliche "Monitoring-Report Wirtschaft Digital" erscheint im Oktober. Dieser analysiert auch, welchen Mehrwert die Digitale Wirtschaft für Deutschland schafft und wie sich der Standort im internationalen Vergleich der führenden zehn digitalen Wirtschaftsnationen (Standortindex Digital) positioniert. Im Report von 2016 landete Deutschland im internationalen Vergleich auf dem sechsten Platz. An der Spitze des Rankings lagen die USA (76 Punkte), Südkorea (70) und Großbritannien (65). Danach folgten Finnland (62) und Japan (58). Auch eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte bescheinigte Deutschland im internationalen Vergleich noch Aufholbedarf bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit.
Bitkom fordert Fortschreibung der „Digitalen Agenda“
Laut einer repräsentativen Umfrage, die der Branchenverband Bitkom im Vorfeld des Digital-Gipfels durchgeführt hatte, sehen 60 Prozent der Deutschen ab 14 Jahre die Digitalisierung grundsätzlich als Chance. Allerdings halten die Befragten ihre eigene Digitalkompetenz gerade mal für „ausreichend“. Vor diesem Hintergrund fordert Bitkom eine Fortschreibung der Digitalen Agenda in der kommenden Legislaturperiode, um die digitale Transformation zu beschleunigen und die digitale Teilhabe der Gesellschaft zu verbessern.
Digitale Agenda: Zwei Drittel der Maßnahmen umgesetzt
Für die 2014 erstmals beschlossene Digitale Agenda der Bundesregierung zieht der Digitalverband dabei eine positive Bilanz. Von den ursprünglich 121 angekündigten Einzelmaßnahmen sind zwei Drittel (81) umgesetzt, ein weiteres Viertel (34) befindet sich in Umsetzung und gerade einmal bei sechs Einzelmaßnahmen ist nichts passiert. Mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst fordert Bitkom mutige digitale Weichenstellungen und ambitionierte Ziele. Dirks: „Wir brauchen vier Dinge: 1. eine grundsätzliche Neuausrichtung unseres Bildungswesens, 2. eine konsistente Datenpolitik, 3. Ökosysteme der digitalen Transformation und 4. die leistungsfähigsten digitalen Infrastrukturen.“
Digitaler Bildungspakt, IT-Sicherheit, Datenschutz
So schlägt Bitkom einen digitalen Bildungspakt für Deutschland vor. „Alle Bildungseinrichtungen – von der Schule über die Hochschulen bis zu Aus- und Weiterbildungseinrichtungen – müssen ihre Lehrtätigkeit auf digitale Bildung ausrichten“, sagte Dirks. „Deutschland muss Vorreiter der digitalen Bildung werden.“ Im Mittelpunkt der Digitalpolitik sollte zugleich stehen, Wirtschaft und Verbraucher besser vor Hackern, Cyberkriminellen und anderen digitalen Angreifern zu schützen. Im Datenschutz müsse eine neue Balance gefunden werden, um einerseits die Privatsphäre der Bürger zu garantieren und gleichzeitig die gesellschaftlich notwendige Nutzung von Daten zu ermöglichen.
Hintergrund: Digital-Gipfel und Digitale Agenda
Die Digitale Agenda der Bundesregierung gibt die Leitlinien der Digitalpolitik vor und bündelt Maßnahmen auf zentralen Handlungsfeldern, um den digitalen Wandel zu begleiten und mitzugestalten. Für ihre Umsetzung sind das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Bundesministerium des Innern und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gemeinsam federführend.
Der Digital-Gipfel ist das zentrale Umsetzungsinstrument der Digitalen Agenda, die die Leitlinien für die Gestaltung des digitalen Wandels vorgibt. Der Gipfelprozess ist in neun Plattformen und zwei Foren organisiert, die die sieben Handlungsfelder der Digitalen Agenda aufgreifen und konkrete Projekte erarbeiten. Die Gestaltung des digitalen Wandels soll gemeinsam mit den Herstellern und Anwendern von IT, der Wissenschaft und den Sozialpartnern sowie gesellschaftlichen Gruppen umgesetzt und weiterentwickelt werden.
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