Drei Zutaten für die Führung in der digitalen Transformation
Haufe Online-Redaktion: Frau Dr. Hofmann, die Befragung „Führung in der digitalen Transformation“ zeigt, dass Teilzeit für Führungskräfte offenbar im Kommen ist – jedenfalls haben 47 Prozent der Befragten diesen Eindruck. Findet wirklich ein Umdenken in den Unternehmen statt? Jahrzehntelang galt, dass Führung unteilbar sei. Wer als Chef für voll genommen werden wollte, musste Vollzeit arbeiten.
Dr. Josephine Hofmann: Hier zeigt sich, dass der Trend zur Flexibilisierung von Arbeitsformen auch in der Führungsetage angekommen ist. Wir beobachten das schon etwas länger – sehen aber sehr wohl, dass es immer noch eine Ausnahme darstellt. Für so manche Führungskraft ist es auch ganz einfach nicht mit dem eigenen Führungsverständnis vereinbar, nicht „volle Kraft“ da zu sein. Aber wir kennen einige sehr ermutigende Beispiele, die zeigen, dass auch sehr engagierte und qualifizierte Führungsarbeit in Teilzeit möglich ist. Allerdings ist dann immer auch eine konsequente Abgabe beziehungsweise Delegation von Aufgaben notwendig, damit die „Teilzeit“ sich nicht nur auf dem Gehaltskonto zeigt. Und nicht zuletzt müssen auch die Mitarbeitenden ein solches Modell mittragen.
Abgabe von Führungsaufgaben wird immer noch als Abstieg gesehen
Haufe Online-Redaktion: Einmal Führungskraft, immer Führungskraft – das sagen drei Viertel der 149 Befragten. Modelle wie „Chef auf Zeit“ oder der Wechsel aus der Führungs- in die Expertenrolle haben kaum eine Chance. Bleibt also doch alles beim Alten?
Hofmann: Ja, hier scheint sich das tradierte Bild noch sehr stabil fortzuschreiben. Galt und gilt es ja auch immer noch zuvörderst als Anerkennung und Auszeichnung, Führungskraft zu werden. Doch wir plädieren ernsthaft dafür, eben auch Führung als etwas anzusehen, dass nicht ein Leben lang als Rolle ausgeübt wird. Angesichts immer länger werdender Erwerbsbiografien könnte es sicher sinnvoll sein, zum Beispiel in den letzten Jahren eher wieder in eine Expertenrolle zu schlüpfen und zum Beispiel jüngeren Führungskräften einen gleitenden Übergang zu ermöglichen. Hier zeigen sich übrigens auch interessante Model, dies mit Teilzeitformen zu verbinden. Doch auch andere Konstellationen sind denkbar: zum Beispiel für einige Jahre wieder in eine Projektleitungsfunktion zu gehen oder als Fachexperte zu agieren. Wesentlichster Hinderungsgrund ist einfach, dass es bisher fast immer als „Abstieg“ angesehen wird und sich auch viele Menschen aus diesem Grund nicht trauen, eine Abgabe von Führungsaufgaben in Erwägung zu ziehen. Hier bestünde auch kulturseitig ein großer Veränderungsaufwand – der sich aber sicher lohnt.
Abstimmen über den künftigen Chef?
Haufe Online-Redaktion: Knapp zehn Prozent können sich vorstellen, dass Führungskräfte von ihren Mitarbeitern gewählt werden. Das ist erstaunlich viel, wenn man bedenkt, dass solche „Demokratieversuche“ bislang die absolute Ausnahme sind. Wie sehen Sie das?
Hofmann: Wir finden das absolut spannend und haben im Laufe eines aktuellen Projekts für das BMAS im Kontext von New Work hierzu sehr interessante Modelle kennengelernt. Wir erklären dies durch den deutlich spürbar wachsenden Anspruch von Mitarbeitenden, beteiligt und gehört zu werden – da ist dann die Wahl der Führungskraft letztlich eine konsequente Forderung. Im besten Fall fördert es eine deutlich aktivere Auseinandersetzung mit der Frage, was eigentlich gute Führung ausmacht – und das kann auf keinen Fall immer derjenige sein, der am „nettesten“ ist. Interessanterweise wird dann auch davon berichtet, dass mit der Nutzung solcher Verfahren die Auseinandersetzung mit den Aufgaben der Führung, aber auch deren Wertschätzung, deutlich steigt.
Zu wenig Raum für die Führungsaufgaben - kann die digitale Transformation helfen?
Haufe Online-Redaktion: Dass die digitale Transformation die Arbeit der Führungskräfte „gesünder“ macht, ist stark umstritten. Je rund 30 Prozent der Befragten stimmen dem zu beziehungsweise bestreiten das. Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen Digitalisierung und Stress in der Führungsarbeit?
Hofmann: Eine interessante Frage! Wir glauben nicht, dass die digitale Transformation per se gesünder oder kränker macht. Was wir allerdings sehen, sind häufig immer noch sehr große Führungsspannen und eine Vielzahl an Aufgaben, die der „eigentlichen“ Führungsarbeit viel zu wenig Raum lässt. Was sicher zutrifft, ist das größere Ausmaß an Veränderungsgeschwindigkeit und Unsicherheit in Bezug auf Marktentwicklungen, die Führungskräfte wie Mitarbeitende durchaus belasten können. Insgesamt wird der Führungsalltag veränderungsintensiver und damit auch notwendigerweise kommunikationsintensiver – und allein das bedeutet Arbeit. Nicht zuletzt sind ja auch die Führungskräfte deutlich gefordert, im Kontext der digitalen Transformation neue Tools und Arbeitstechniken kennenzulernen und sich diese anzueignen. Andererseits bieten eben auch Flexibilisierungsformen verbesserte Möglichkeiten, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen.
Digital Leadership - was sind die Anforderungen?
Haufe Online-Redaktion: Welcher Faktor der digitalen Transformation hat den größten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Führungskräfte?
Hofmann: Ganz klar die Veränderungsintensität in unseren Unternehmensumwelten, aber auch in den Erwartungshaltungen der Mitarbeitenden. Für mich kondensiert sich die Anforderung an Führung in der digitalen Transformation in drei Stichworten: Digital Leadership – das Führen der Mitarbeitenden in die digitale Transformation – benötigt vor allem drei Zutaten: Konvergenz im Mindset von Führungskräften und Mitarbeitenden; auf der Basis kontinuierlicher, transparenter Kommunikation und Information – welche wiederum wichtiger Bestandteil einer dauerhaften Kulturarbeit in Richtung eines offenen, vernetzungsorientierten und innovationsförderlichen Unternehmens ist. Nur mit diesen drei Zutaten kann die Riesenherausforderung der dauerhaften Veränderungsfähigkeit von Organisationen und Menschen bewältigt werden.
Haufe Online-Redaktion: „Offenheit für Veränderungen“ wird als wichtigste Kompetenz von Führungskräften in der digitalisierten Zukunft genannt – eigentlich eine Binsenweisheit. Interessanter erscheint doch, dass Partizipationsfähigkeit auf dem vorletzten Platz der wichtigsten Führungskompetenzen landet. Woran liegt das?
Hofmann: Möglicherweise liegt diese Bewertung an einer engen Interpretation von „Partizipation“ im Sinne spezifischer Methoden, die hier zum Einsatz kommen.
Hinweis: Die Ergebnisse liegen der Redaktion exklusiv vor. Interessierte können die Studie kostenfrei erhalten, sobald sie veröffentlicht wurde. Dazu einfach eine E-Mail an studien@dgfp.de senden. Sie erhalten die Ergebnisse dann in Kürze.
Dr. Josephine Hofmann ist Leiterin des Teams Zusammenarbeit und Führung, Forschungsbereich Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung, Fraunhofer IAO / Universität Stuttgart IAT.
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