Führung in Krisenzeiten

In krisenhaften Zeiten wächst die Sehnsucht nach starker Führung. Doch Stärke ist nicht gleich Lautstärke. Wer Umbrüche managen möchte, muss auch die leisen Töne beherrschen.

Die Stimmung im Land ist bescheiden. Überall Krise. Wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch. Die großen Konzerne planen Tausende Stellen abzubauen und investieren lieber anderswo, die Regierung quält sich in Richtung Bundestagswahl 2025, die Gesellschaft ist gefrustet, genervt oder gleichgültig. Dabei haben die trüben Herbsttage noch nicht einmal begonnen.

Und wie so häufig in solchen Zeiten, werden, zumindest in manchen Teilen der Bevölkerung, die Rufe nach starker und entschlossener Führung laut: einer oder einem, der sagt, wo es langgeht, oder gleich durchgreift. Beste Aussichten für die Populisten vom rechten und linken Rand des politischen Spektrums, auf Stimmenfang zu gehen. Einfache Lösungen für meist komplexe Probleme – ein Versprechen, das noch nie eingelöst wurde und doch immer wieder Anklang findet. 

Strukturmängel und Managementfehler 

Blickt man auf die Ursachen der Misere, insbesondere in der Wirtschaft, zeigt sich deutlich: zu strukturellen Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Arbeitskosten, Energiepreisen und Bürokratie kommen teilweise gravierende Managementfehler in der Vergangenheit, die heute die Zukunftsaussichten trüben.

Und doch ist längst nicht alles schlecht: In der Grundlagenforschung zur Künstlichen Intelligenz zählt Deutschland zur weltweiten Spitze. Leichten Optimismus vermittelt darüber hinaus das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo), das kürzlich seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr 2024 von 0,2 auf 0,4 Prozent korrigiert hat. Im kommenden Jahr erwartet das Ifo sogar eine Beschleunigung auf 1,5 Prozent. Kein Grund zur Euphorie, aber zumindest kleine Lichtblicke.

Transformation verunsichert viele Beschäftigte

Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Umbau der deutschen Wirtschaft zur Klimaneutralität gerade erst begonnen hat. Ein Großteil der Unternehmen im Land steckt in der Transformation. Zwar ist der Wandel seit jeher eine unternehmerische Konstante, doch die Heftigkeit, mit der Digitalisierung, Demografie und Dekarbonisierung Geschäftsmodelle durchrütteln und Veränderungen erzwingen, sucht historische Vergleiche. So verwundert es kaum, dass die Transformation viele Beschäftigte verunsichert.

Doch gerade darauf kommt es an: Orientierung. Denn die schafft Sicherheit, wie Thelse Godewerth, Arbeitsdirektorin bei Friedrichshafener Motorenbauer Rolls Royce Powers Systems im Titelinterview verrät. Sie bezeichnet die "Transformation als Sternstunde für Führung". Was sie meint: Besonders Krisenzeiten bieten Führungskräften die Gelegenheit, sich zu bewähren.

Welche Führung nun nötig ist

Eine Erfahrung, die HR während der Coronapandemie auch selbst machte – und gestärkt daraus hervorging. Dabei handelt es sich jedoch um eine andere Führung als die eingangs erwähnte und von manchen ersehnte. Eine Führung, die erklärt, die zuhört, die verbindet, die mitnimmt und die vertraut. Eine Führung, die manche Führungskräfte selbst erst lernen müssen. Eine Führung, die mit Selbstführung beginnt, wie Katharina Herrmann, Personalvorständin beim Medienkonzern Burda in ihrem Gastbeitrag schreibt.

Das ist eine gute Nachricht. Denn die Transformation bietet somit eine doppelte Chance: Unternehmen können ihre Geschäftsmodelle, Führungskräfte ihr Skillset zukunftsfähig machen. Welche Fähigkeiten das sind, lesen Sie in einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Profil M und der Fresenius Hochschule. Gefragt sind, und auch das ist eine gute Nachricht, Kompetenzen, die in scheinbarem Gegensatz zur Stimmung im Land stehen. Nämlich Optimismus und Zukunftsorientierung, Mut und Risikobereitschaft, Sinn und Identität stiften und Ambiguitätstoleranz. Besonders Letztere scheint ein wirksames Mittel, gegen den eingangs erwähnten Reflex nach vermeintlich einfachen Lösungen zu greifen.

Zuversicht schafft Zukunft

Mehrdeutigkeit auszuhalten, ist schon heute eine Schlüsselkompetenz für Führungskräfte. Es bedeteutet ein Sowohl-als-Auch. Dabei gilt es immer wieder von Neuem, die richtige Balance zu finden. Nicht nur bei sachlichen und fachlichen Entscheidungen, sondern insbesondere in der Teamführung.

Wie das gelingen kann, erklärt unsere Autorin Susanne Ringen in ihrem Beitrag zum Führungsmodell Tight-Loose-Tight. Es kommt aus Norwegen und soll Führungskräften helfen, das Gleichgewicht zwischen klaren Vorgaben und notwendiger Flexibilität zu schaffen. Das Versprechen: Das Modell kann Führungskräfte durch unsichere Zeiten lotsen und gleichzeitig Räume für Kreativität und Innovation schaffen. Beides benötige das Land dringend, um aus dem gegenwärtigen Stimmungstief herauszukommen.

Jetzt zeigt sich, wer Führungskraft ist und wer bloß Manager. Mitarbeitende dürfen meckern, zweifeln, hadern, Führungskräfte nicht. Sie müssen vorangehen und Veränderungsprozesse so gestalten, dass die Ängstlichen, die Zweifler und die Nostalgiker mitziehen. Zuversicht schafft Zukunft, dieses Mantra sollten Führungskräfte in der Transformation verinnerlichen.


Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 11/2024. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.


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