Was erfolgreiche Führungskräfte gemeinsam haben
Welche Persönlichkeitsmerkmale weisen erfolgreiche Führungskräfte im Vergleich zu anderen auf, und welche Verhaltensmuster legen sie an den Tag? Diese Frage spielt für Recruiter und Personalentwickler eine große Rolle, wenn es darum geht, die richtigen Talente in Assessment Centern, Interviews und bei der alltäglichen Arbeit zu identifizieren und weiterzuentwickeln.
Nun geben eine norwegische und eine US-amerikanische Studie neue Antworten auf diese Frage. Die Norweger haben dafür die Persönlichkeit erfolgreicher Führungskräfte analysiert, die US-Forscher haben das Verhalten erfolgreicher CEOs betrachtet.
Führungspersönlichkeit ist das Nonplusultra
Die norwegischen Wissenschaftler Øyvind Martinsen und Lars Glasø von der BI Norwegian Business School wollten bei ihrer Studie im Einzelnen wissen, welche Persönlichkeitsmerkmale bei erfolgreichen Führungskräften besonders ausgeprägt sind, wie sie auf der Website ihrer Schule berichten.
"Bei Führungskräften spielt die Persönlichkeit eine noch größere Rolle als bei vielen anderen Funktionen", begründen die beiden die Wahl, ihre Analyse dem Thema "Führungspersönlichkeit" zu widmen. Martinsen und Glasø stützen sich dabei auf Daten aus einer Studie aus dem Jahr 2011, die das Administrative Research Institute (AFF) der Norwegian School of Economics durchgeführt hat. Daran haben 2.900 norwegische Führungskräfte teilgenommen, darunter 900 Frauen, 900 leitende Manager und knapp 900 Führungskräfte aus dem Öffentlichen Dienst.
Führungspersönlichkeit: stabil, extrovertiert, innovativ
Die Auswertung der Daten zeigt, dass erfolgreiche Führungskräfte durchweg hohe Werte bei den sogenannten "Big Five" der Persönlichkeitsmerkmale – Stabilität, Extroversion, Offenheit gegenüber Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit – aufweisen.
Im Einzelnen zeichnen sich gute Führungspersönlichkeiten den Studienergebnissen zufolge durch folgende Merkmale aus:
- Führungskräfte halten Druck und Stress bei der Arbeit stand (hoher Grad an emotionaler Stabilität).
- Sie ergreifen die Initiative, kommunizieren klar und sind sehr kontaktfreudig (hoher Grad an Extroversion).
- Sie sind innovationsfähig, neugierig und haben ambitionierte Visionen (hoher Grad an Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen).
- Sie unterstützen Mitarbeiter, kommen ihnen entgegen und beziehen sie mit ein (hoher Grad an Verträglichkeit).
- Sie können gute Ziele setzen, arbeiten sorgfältig, halten Ergebnisse nach und sind generell sehr methodisch (hohes Maß an Gewissenhaftigkeit).
Sind Frauen die besseren Führungskräfte?
Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der norwegischen Studie: Weibliche Führungskräfte weisen bei den meisten untersuchten Persönlichkeitsmerkmalen höhere Werte auf als männliche; diese sind bei ihnen also im Schnitt stärker ausgeprägt als bei Männern.
Die norwegischen Forscher gehen so weit, dieses Ergebnis als Beweis zu interpretieren, dass Frauen die besseren Führungskräfte sind – mit einer Ausnahme: Weibliche Führungskräfte neigen den Ergebnissen zufolge mehr dazu sich Sorgen zu machen als Männer. Wenn man das Sorgenmachen – ein Hinweis auf eine geringere emotionale Stabilität – außer Acht lasse, könne es aber legitim sein zu fragen, ob Frauen in einer Führungsrolle nicht besser funktionieren als ihre männlichen Kollegen, argumentieren Martinsen and Glasø.
Norwegen bringt Frauen in Führung
In Norwegen finden sich in den Chefetagen heute schon deutlich mehr Frauen als in Deutschland. Ob norwegische Unternehmen die These der Studienautoren teilen, dass Frauen die besseren Führungskräfte sind? Wahrscheinlicher ist, dass Führungspositionen in Norwegen deshalb häufiger mit Frauen besetzt werden, weil Gendergleichheit dort schon weitgehend selbstverständlich ist. Verstärkend hinzu kommt wohl auch die Tatsache, dass Norwegen seinen Aufsichtsräten schon seit 2006 einen Frauenanteil von 40 Prozent vorschreibt.
Offenbar haben viele skandinavische Unternehmen es infolgedessen schon nicht mehr nötig, die Frauenförderung intern über die Quotenerfüllung hinaus weiterzupushen: Laut den Ergebnissen der diesjährigen "Cranet"-Studie können sie vielfach keine Diversity-Richtlinie vorweisen – sie brauchen sie wohl einfach nicht mehr als Instrument zur Frauenförderung (Mehr zu den Ergebnissen der "Cranet"-Studie zum Thema "Geschlechtervielfalt im internationalen Vergleich" lesen Sie im Beitrag "Nordeuropa hat's nicht nötig" in " Personalmagazin"-Ausgabe 02/2017. Hier können Sie die Ausgabe als App downloaden.)
Führungskräfte im öffentlichen Sektor besonders innovativ
Auch Manager aus dem öffentlichen Sektor gingen aus der Analyse als besonders gute Führungskräfte hervor. Bei ihnen stellten die Forscher höhere Werte bei Innovation, Unterstützung und Gewissenhaftigkeit fest als bei jenen im privaten Sektor. Diese Erkenntnis lässt die Studienautoren jedoch offenbar ratlos zurück: "Kann es denn wirklich sein, dass sich die besten Führungskräfte im öffentlichen Sektor finden?", kommentieren sie dieses Ergebnis auf ihrer Website.
Daneben beobachteten die Forscher auch im oberen Management mehr Potenzial für Innovation und zudem auch mehr Potenzial für ein systematisches, zielgerichtetes Verhalten in Führungsrollen als in den unteren und mittleren Führungsebenen.
Recruiting von Führungskräften: Die Motivation macht's
Weiterhin betrachteten Martinsen and Glasø auch die Motivation der Studienteilnehmer und untersuchten, in welchem Zusammenhang diese mit den untersuchten Persönlichkeitsmerkmalen stehen. Sie unterschieden, ob eine Führungskraft in ihrer Rolle intrinsisch oder extrinsisch motiviert ist. Dabei stellten sie folgenden Zusammenhang fest: Wer hohe Werte in den fünf Persönlichkeitsmerkmalen aufweist, ist meist auch intrinsisch motiviert. Wer hingegen emotional instabil, wenig kontaktfreudig und wenig gewissenhaft ist, ist meist nicht intrinsisch, sondern extrinsisch motiviert seinen Job zu erledigen.
Mit Blick auf dieses Ergebnis betonen die Studienautoren, für wie wichtig sie bei der Auswahl von Führungskräften deren Motivation halten. Man solle sich also die Zeit nehmen, jene Kandidaten für Führungsrollen zu identifizieren, deren Motivation und Persönlichkeitsmerkmale es begünstigen, dass diese tatsächlich gute Führungskräfte werden, lautet das Fazit von Martinsen and Glasø.
Führungsverhalten: entscheidungsfreudig, verlässlich, proaktiv
Was erfolgreiche Führungskräfte von weniger erfolgreichen Kollegen unterscheidet, wollten auch die beiden CEO-Beraterinnen Elena Botelho und Kim Powell aus den USA wissen. Bei ihrer Untersuchung stützten sie sich auf eine großangelegte Studie, in der die Daten von 17.000 Top-Managern – davon 2.000 CEOs – ausgewertet wurden, und auf zahlreiche Interviews, die sie mit CEOs führten.
Demnach zeichnen sich erfolgreiche CEOs vor allem durch vier Verhaltensmuster aus:
- Erfolgreiche CEOs entscheiden schnell und mit Überzeugung.
- Sie sind absolut zuverlässig.
- Sie sind Meister im Knüpfen und Pflegen von Beziehungen.
- Sie passen sich proaktiv an sich verändernde Umstände an.
Low-Performer trotz guter Arbeitsmoral
Dennoch, so argumentieren die beiden Autorinnen in einem Beitrag in der Online-Ausgabe des "Harvard Business Manager", solle man über diese Erkenntnisse nicht die grundlegenden Anforderungen an Führungskräfte - wie Integrität und gute Arbeitsmoral - vergessen: Denn diese seien wichtig, um unpassende Kandidaten von vorneherein auszusortieren.
Allerdings könnten diese Basics im nächsten Schritt nicht helfen, die besten unter den geeigneten Kandidaten herauszufiltern. Als Beleg nennen die beiden Autorinnen folgende Zahlen aus ihrer Studie: 100 Prozent der Low-Performer unter den untersuchten CEOs hätten hohe Integritätswerte gehabt und 97 Prozent eine gute Arbeitsmoral. Diese Kandidaten bringen also die Grundvoraussetzungen einer guten Führungskraft mit – erfolgreich sind sie deshalb aber noch lange nicht.
Es gebe zwar keinen "One-size-fits-all-Ansatz", also keinen Ansatz, der für alle passt, resümieren Botelho und Powell im "Harvard Business Manager". "Aber indem man sich auf diese grundlegenden Verhaltensmuster konzentriert, kann man die Wahrscheinlichkeit erhöhen, den richtigen CEO zu wählen – und auch dessen Chancen, in der Rolle erfolgreich zu sein."
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