Neue Prioritäten für Personaler
Dass die Digitalisierung die gesamte Arbeitswelt gründlich umkrempelt, ist mittlerweile in den Köpfen angekommen. Mit dem Ziel, die eigene Organisation beweglicher zu machen, hatten sich viele Unternehmen bisher eher darauf beschränkt, neue Modelle für flexible Arbeitszeiten einzuführen. In diesem Jahr wollen sie mehr daraus machen und setzen neue Prioritäten. Das ist ein Ergebnis des HR-Reports 2017 von Hays in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE).
Die Arbeitsstrukturen flexibilisieren
39 Prozent von knapp 600 befragten Führungskräften wollen sich verstärkt um die Flexibilisierung der Arbeitsstrukturen kümmern. Das ist bemerkenswert, denn das Thema spielte im Vorjahr noch eine nachgelagerte Rolle für die Befragten. Nahezu gleichauf in seiner Wichtigkeit (34 Prozent) sehen die Befragten die Vorbereitung ihrer Mitarbeiter auf die digitale Transformation (lesen Sie auch: Wie die Digitalisierung die HR-Agenda verändert). Das dritte große Handlungsfeld stellt für sie die Unternehmenskultur dar, die entsprechend der Arbeitsstrukturen und -inhalte weiterentwickelt werden müsse (32 Prozent).
Insgesamt betrachtet sind sich Führungskräfte wie Personaler also einig darin, gemeinsam aktive Treiber bei der Gestaltung des digitalen Wandels werden zu müssen, und ihre Rollen entsprechend zu verändern. Auf den zweiten Blick machen die Studienergebnisse zudem deutlich, dass die Unternehmen erkannt haben: Arbeitsflexibilisierung bedeutet weitaus mehr als das Einrichten von Homeoffices, Teilzeitjobs oder das Schaffen von Vertrauensarbeitszeit. Ihnen wird bewusst, dass beispielsweise das Entwickeln von flexiblen und arbeitsfähigen Teams einiges mehr von ihnen abverlangt als sie bisher geglaubt hatten.
Die vielen internen Entwicklungen haben ihnen vermutlich gezeigt, dass es bei der Arbeitsflexibilisierung weder mit einem Konzept noch mit einer Methode getan ist. Vielmehr entwickeln die Befragten nun ein Bewusstsein dafür, dass flexible Arbeit eine Art Unternehmensbühne ist, auf der man den Dialog der Veränderung in Form von Führung, Organisation und Kompetenzen weiterbringen kann. Daher ihre klare Marschrichtung: Veränderungen kann man nicht aussitzen, sondern sollte sie in all ihren Facetten vorantreiben. Und genau das wollen sie schnellstens angehen.
Veränderungsbereitschaft fördern
Worin sehen sie die wichtigsten Aufgaben, das umzusetzen? Und wo genau liegen ihrer Ansicht nach die dringendsten Handlungsfelder, jenseits des Homeoffice? Wie der HR-Report zeigt, wollen sie sich noch mehr darum kümmern, dass Mitarbeiter sich noch aktiver auf Veränderungen einlassen. Denn ohne diese Grundeinstellung wird es schwer, die digitale Transformation überhaupt zu „begrüßen“. Die Förderung für Veränderungsbereitschaft bei den Mitarbeitern rutschte daher auf der Unternehmensagenda ganz nach oben (78 Prozent).
Die Praxis zwischen gelebtem Führungsverhalten und unmittelbarer Leistung für den Mitarbeiter sprach jedoch bisher eine andere Sprache. Sich gezielt um mehr Engagement und Motivation zu kümmern, fiel den meisten Führungskräften des mittleren Managements bisher immer schwer. Denn gerade die Veränderung von Tätigkeitsfeldern oder Teamkonstellationen birgt große Unsicherheiten. Deshalb blieben sie in der Vergangenheit lieber beim Altbewährten.
Neue Formen der Vernetzung
Laut HR-Report wollen Personaler und fachliche Führungskräfte diese Passivität nun wirklich angehen. Sie sehen sich in der Pflicht, neue Formen der Vernetzung und Kooperationen mitzuentwickeln (50 Prozent), um darüber die zunehmende Komplexität in der Zusammenarbeit (58 Prozent) zu managen. Je nach Unternehmensauftrag kommen dem Personalmanagement hier unterschiedliche Rollen zu. Ist die Vernetzung in der IT aufgehängt, handelt es sich meist um die Einführung einer Software und HR bleibt weitgehend außen vor. Wird sie als Konzernstrategie propagiert, bekommt HR einen klaren Change-Auftrag zugeteilt. (Lesen Sie auch: Personaler als Change Manager bei der Digitalisierung).
Weiterhin könnte sich hinter dem Handlungsfeld, für mehr Vernetzung und Kooperation zu sorgen, der Wunsch verbergen, für mehr Transparenz über versteckte Kompetenzen der Mitarbeiter zu sorgen. Denn Netzwerke, in denen Mitarbeiter fachübergreifend miteinander kommunizieren, legen „nebenbei“ deren Fähigkeiten und Stärken offen, die sich für einen Veränderungsprozess als sehr nützlich erweisen könnten. Die Personalverantwortlichen könnten ihre Mitarbeiter darin bestärken, sich in einen ständigen Austausch mit Kollegen zu begeben. So wäre es ihnen sozusagen „on the Job“ möglich, innerhalb laufender Projekte die nötigen Fähigkeiten aufzubauen und von anderen Mitarbeitern zu lernen. Dies wäre ein möglicher Lösungskorridor, denn das Thema transparente Kompetenzen wollen die Befragten de facto angehen.
Die Führungskultur anpassen
In puncto Kompetenzen sehen die Führungskräfte durchweg einen Mangel an den richtigen mentalen Fähigkeiten in ihren Organisationen, das bescheinigt auch unser Report. 61 Prozent räumen gleichzeitig ein, dass die Vermittlung dieser Kompetenzen alles andere als einfach sei. Ein Patentrezept, dies zu ändern, gibt es zwar nicht, allerdings wollen die Befragten dafür in jedem Fall ihre Führungskultur an die flexiblen Arbeitsmodelle anpassen (53 Prozent). Wobei die HR-Verantwortlichen hier die größeren Sorgen haben. Zwei von drei Personalmanagern (66 Prozent) halten die notwendige Anpassung der Führungskultur für das wichtigste HR-Thema der Gegenwart.
Auch notorische Zeitknappheit – wie im Report beklagt – könnte in kleinen Schritten abgebaut werden. Die Führungskräfte müssten sich selbst noch mehr als aktiven Teil der Veränderung begreifen, mit gutem Beispiel vorangehen und Mitarbeitern die Scheu vor Transparenz, Unsicherheit sowie dem einen oder anderen „ungewohnten“ Schulterblick nehmen. Das schafft zeitliche Spielräume und stärkt das Vertrauen, was wiederum positiv auf die Führungskultur wirkt.
Insgesamt sprechen die Ergebnisse des HR-Reports einen wichtigen Grund für die Gesamtproblematik an, warum es Organisationen so schwerfällt, die anstehenden Veränderungen organisatorisch und individuell zu „verankern“. Denn viele Unternehmen fordern schon seit geraumer Zeit Verantwortungsübernahme von ihren Mitarbeitern. Sie selbst verändern dabei aber ihr eigenes Verhalten nicht. Damit verhindern sie gleichzeitig, dass sich Eigenverantwortung und Veränderungsbereitschaft überhaupt entwickeln können.
Autor: Frank Schabel ist Leiter Marketing/Corporate Communications bei Hays.
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