HR-Berufe: Interim Management als berufliche Perspektive

Rund 20 Prozent aller Interim-Mandate finden im HR-Bereich statt. Die Nachfrage nach Personalerinnen und Personalern für Projekteinsätze ist groß. Doch Interim Management taugt nicht für jeden oder jede und der Umstieg will gut überlegt sein. Das sollten HR-Profis mitbringen.

Die Beschäftigungsmöglichkeiten für Personalerinnen und Personaler in Interim-Projekten sind gut bis sehr gut. Für die hohe Nachfrage der Unternehmen nach freiberuflichen HR-Profis sorgen Digitalisierungsprojekte und der Bedarf nach professioneller HR-Unterstützung zur Behebung des Fachkräfte- und Nachwuchsmangels.

Zudem haben viele Unternehmen Investitionen in den HR-Bereich versäumt oder zu viel Zeit und Energie mit dem Umbau zum HR-Business-Partner-Modell verbraucht. Dabei blieben strategisch wesentlich bedeutsamere Themen auf der Strecke, die jetzt Nachholbedarf haben, aber auf fehlende Kompetenz oder Kapazität im eigenen Haus treffen.

Diese HR-Spezialisierungen sind gefragt

Da es mehr Projekte als verfügbare HR-Interim-Managerinnen und -Manager gibt, galt bei Expertinnen und Experten für diese Themen bislang im Grunde Vollauslastung: Compensation & Benefit, HR-Controlling, HR-Analytics, HCM-Systeme, HR-Digitalisierung und Entgeltabrechnung (Leitung). An dieser Situation dürfte sich langfristig nichts ändern.

Ebenfalls stark nachgefragt, doch eher konjunkturellen Schwankungen unterworfen, sind Expertinnen und Experten für Talent Acquisition beziehungsweise Recruiting, die ausgeprägte Active-Sourcing-Kompetenzen mitbringen. Da viele Unternehmen erheblichen Nachholbedarf beim Thema Employer Branding haben, könnte auch bei dieser Spezialisierung die Nachfrage ansteigen, denn um das Thema nebenbei aufzubauen, fehlt vielen Personalbereichen die notwendige Marketingkompetenz.   

Nur wenig nachgefragt sind Spezialistinnen und Spezialisten für Personal- und Organisationsentwicklung. Das liegt einerseits daran, dass von Unternehmensseite kaum Bedarfe vorliegen und dass es zu wenige freiberufliche Personen mit dieser Expertise gibt, die Erfolge in der nachhaltigen Implementierung von agilen Methoden und Strukturen vorweisen können. Dieses Themenfeld ist eher von Beratungen besetzt.

Für HR-Generalistinnen und -Generalisten ist der Interim Markt derzeit attraktiv. Die Einsatzmöglichkeiten haben eine enorme Bandbreite und reichen von der Überbrückung von Vakanzen mit hauptsächlich operativem Aufgabenspektrum bis hin zur Unterstützung bei Sonderthemen wie Kurzarbeit, Restrukturierungen oder M&A-Situationen.

Das sollten HR-Interim-Manager und -Managerinnen mitbringen

Wer ins HR-Interim-Management einsteigen will, benötigt zunächst ausreichend praktische Berufserfahrung, nachweisbare und einschlägige Projekt-Erfolge in vermarktbaren HR-Bereichen, solide Referenzen sowie eine ausgereifte Persönlichkeit und ein professionelles Auftreten.

Weiterhin braucht es eine Reihe von Kernkompetenzen, die sich nicht groß vom idealen Portfolio in Festanstellung unterscheiden: hohe Beratungskompetenz, ausgeprägte analytische und konzeptionelle Fähigkeiten, sehr hohe soziale Empathie sowie Umsetzungs- und Moderationsstärke.

Der Wechsel ins Interim Management bedeutet aber ausdrücklich auch Marketing und Vertrieb in eigener Sache zu betreiben. Dafür ist ein umfangreiches persönliches Netzwerk wichtig, zum Beispiel über Xing, Linkedin und über einen Interim Provider. Auch eine eigene Webseite wird oft empfohlen, braucht dann aber eine professionelle Aufstellung inklusive der richtigen SEO-Begriffe und kontinuierliche Pflege.

Methodenkoffer für das Interim Management

Darüber hinaus zählt ein gut bestückter Methodenkoffer für den Einsatz in einem Interim-Mandat: Klassische Werkzeuge wie SWOT, RACI, GANTT, 7-S-Modell, 5-W-Methode oder Stakeholder-Matrix sollten bekannt sein. Auch mit agilen Prinzipien und Techniken sollten HR-Interim-Managerinnen und -Manager vertraut sein.

Personalerinnen und Personaler, die bislang in Leitungsfunktion tätig waren, sollten sich im Klaren darüber sein, dass sie diese Dinge im Mandat gegebenenfalls selbst in die Hand nehmen müssen und nicht wegdelegieren können. Auch eine kontinuierliche Weiterbildung bei diesen Themen sollte selbstverständlich sein.

Die analytische Distanz wahren

Im Mandat angekommen, gilt es eine hohe soziale Adaptionsfähigkeit zu zeigen sowie die Fähigkeit, zunächst nur wahrnehmend aufzutreten und die persönliche Meinung zurückzuhalten. Wer zu schnell anpacken will oder glaubt liefern zu müssen, kann schnell in die falsche Richtung laufen, wenn er oder sie noch nicht alle relevanten Fakten zusammengetragen und kritische Befindlichkeiten aufgenommen hat.

Wichtig ist eine analytische Distanz, die in Lösungsoptionen und Handlungsempfehlungen für den Kunden mündet. Ebenfalls erforderlich sind die Fähigkeit und der Wille zur kritischen Selbstreflexion sowie die Fähigkeit, Feedback aktiv einzuholen und danach im gegebenen Kontext zu handeln.

Die Erfahrung zeigt, dass auch bei sehr berufserfahrenen Personalerinnen und Personalern ein erheblich blinder Fleck in Sachen analytische Distanz und Selbstreflexion vorhanden sein kann, der umso ausgeprägter ist, je mehr Zeit sie in nur einer Organisation und deren Kultur verbracht haben. Dieser blinde Fleck sollte daher bei einem Wechsel in die Selbstständigkeit bewusst thematisiert und ausgeleuchtet werden.

Verdienstmöglichkeiten im Interim Management

Im Markt kursiert die Faustregel, dass der Tagessatz eines Interim Managers oder einer Interim Managerin ein Prozent der Jahresbruttovergütung einer gleichgestellten Person in Festanstellung beträgt. Dies sollte allenfalls eine Orientierungsgröße sein, hilft aber auch manchmal in der Kostendiskussion mit potenziellen Kunden.

Die Bepreisung erfolgt meist in Abhängigkeit von Komplexität, der zu erreichenden Ziele, der notwendigen Kompetenzen und der voraussichtlichen Dauer eines Mandats. Auch der Mix zwischen Homeoffice und Tätigkeit vor Ort und die Branche des Kunden spielen eine Rolle. Weniger relevant sind das persönliche Kompetenz- und Erfahrungsportfolio, das der Interim Manager oder die Interim Managerin tatsächlich mitbringt. Denn am Ende zählt, was der Kunde abfragen will, und nicht das, was er abfragen könnte.

Laut der Provider-Umfrage vom Arbeitskreis der Interim Management Provider (AIMP) aus dem April 2022 lag der durchschnittliche Tagessatz 2021 bei 1.069 Euro. Das ist jedoch der Tagessatz, den das Kundenunternehmen entrichtet. Vermittler erhalten davon eine Provision, die üblicherweise 20 bis 30 Prozent beträgt.

Tagessätze im HR-Bereich

Auf das HR-Interim-Management bezogen können Mandate im Recruiting/Talent Acquisition Tagessätze zwischen 600 und 800 Euro generieren. HR Business Partner und Partnerinnen liegen zwischen 750 und 950 Euro. Personalleitungen beginnen meist bei 900 Euro und können bis 1.200 Euro gehen. Spezialistinnen und Spezialisten für bestimmte Themen wie die Leitung einer Entgeltabrechnung oder für HR-Digitalisierungsprojekte liegen so gut wie immer im vierstelligen Bereich. All diese genannten Beträge sind ohne Vermittlungsprovision und können Ausreißer nach oben oder unten aufweisen. Reise- und Unterbringungskosten sind manchmal im Tagessatz enthalten, manchmal werden sie separat erstattet.

Legt man die durch den AIMP ermittelte durchschnittliche Auslastung von 156 Tagen pro Jahr zugrunde, können sich bei einem Tagessatz von im Schnitt 900 Euro somit Nettoumsätze von 140.400 Euro im Jahr ergeben. Hieraus werden unter anderem die Einkommenssteuer, die kompletten Aufwendungen für Sozialversicherungen inklusive Altersvorsorge generiert, für Weiterbildung, Mobilität, Arbeitsmittel sowie für Rücklagen für Zeiten ohne Auftrag einschließlich Urlaub und Krankheit. Im Gegenzug können eine Reihe von betrieblichen Aufwendungen steuermindernd angesetzt werden.


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