Nach eineinhalb Jahren Vorarbeit wurde die "Zukunftsallianz Arbeit und Gesellschaft" (ZAAG) gegründet. In der ZAAG treffen unterschiedliche Mitglieder aufeinander – von klassischen HR-Vertretern wie DGFP, Goinger Kreis oder Selbst-GmbH bis hin zu eher zivilgesellschaftlichen Akteuren wie Das Demografie Netzwerk (DDN) und der Gesellschaft für Wissensmanagement. Weitere Netzwerkpartner werden in den nächsten Monaten hinzukommen.
Noch zu wenig Austausch zwischen Gesellschaft und Unternehmen
Die Mitglieder der Zukunftsallianz eint die Überzeugung, dass sich die vielfältigen Herausforderungen, denen Menschen und Unternehmen ausgesetzt sind, kaum noch in den natürlichen Grenzen der althergebrachten Sektoren und Denkstrukturen lösen lassen. So behalten zwar die HR-Organisationen auch in der heutigen Zeit ihre Daseinsberechtigung, alleine werden sie die Herausforderungen der Zukunft aber kaum meistern können.
Andersherum haben viele zivilgesellschaftliche Akteure zu wenig Verbindung in die Wirtschaft und zu den Entscheidungsträgern von Unternehmen. Hier können beide Seiten von einer gemeinsamen Allianz profitieren und Sprachrohr für die Zukunft von Arbeit und Gesellschaft werden.
Personaler als Impulsgeber für gesellschaftliche Bereiche
Die Menschen werden künftig stärker Selbstverantwortung für ein gelingendes Leben tragen als bisher. Und die Unternehmen werden stärker denn je für ein besseres Leben der Menschen Sorge zu tragen haben. Sie werden Akteure im zivilgesellschaftlichen Raum und tragen Verantwortung für die Entwicklung einer menschenorientierten Gesellschaft.
Für die Verantwortlichen im Unternehmen bedeutet dies neben ihrer funktionalen Managementaufgabe auch die Wahrnehmung generalistischer Verantwortung. Unternehmensleitungen, Führungskräfte, Personalverantwortliche sowie Betriebs- oder Personalräte sind Brücke und Impulsgeber für andere gesellschaftliche Bereiche, gleichzeitig binden sie gesellschaftliche Trends und Erwartungen in Strategie, Aktivitäten und Kultur ihrer Organisationen ein.
Austausch: Seitenwechsel für alle Hierarchieebenen
An drei unterschiedlichen Punkten will ich dieses amöbenhafte Ineinanderfließen der Bereiche Arbeit und Gesellschaft beleuchten. Der erste Punkt ist der cross-sektorale Austausch. Um die Parallelwelten von Politik, Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft aufzubrechen ist wechselseitiges Verständnis Grundvoraussetzung und es hilft, wenn man die gleiche Sprache spricht.
In der Personalentwicklung lässt sich cross-sektoraler Austausch in verschiedenen Instrumenten gestalten: Azubis, die während ihrer Ausbildungszeit soziale Projekte leisten und so mit einer anderen Lebensrealität in Berührung kommen, Führungskräfte, die mit einem kurzen Seitenwechsel ihre eigenen Werte und Einstellungen hinterfragen oder auch längerfristige Aktiv-Patenschaften von Mitarbeitern für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, denen das Leben in unterschiedlicher Weise nicht gut mitgespielt hat.
Demokratisierung: Mitarbeiterbeteiligung in HR-Instrumente gießen
Der zweite Punkt ist die Demokratisierung der Arbeitswelt. Damit ist einerseits die Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungen im Unternehmenskontext gemeint, andererseits auch die materielle Beteiligung am Unternehmen, wie sie in Form von Belegschaftsaktien oder Genussrechten zum Ausdruck kommt. Hinzu kommen Aspekte wie Arbeitszeitsouveränität, Ansprüche an die Arbeitsplatzgestaltung und die Frage nach Lebensarbeitszeitmodellen.
Gerade bei der Augenhöhe oder Teilhabe an Entscheidungen, eröffnet sich eine völlig neue Welt für die Personalentwicklung, weil sie diesen Anspruch der Mitarbeiter an Partizipation bisher viel zu wenig in Instrumente und Prozesse gegossen hat – wobei Prozess hier wahrscheinlich weniger hilfreich sind. Vielmehr geht es darum, in Leadership und Führung diesen zunächst einmal wertesystemischen Ansatz einer Teilhabe zu etablieren, um dann sukzessive die Personalarbeit darauf ausrichten zu können. Das wird in der heutigen Diskussion noch allzu rasch verkürzt auf die demokratische Wahl von Führungskräften, sicher nur ein Aspekt aus einer Vielzahl von Demokratisierungsfaktoren.
Bildung: lebenslanges Lernen für alle
Das dritte Feld, das ich hier beleuchten möchte ist die Bildung, die schon per Definition cross-sektoral ist. Denn Bildung ist nicht nur das Ergebnis formellen Lernens in den häufig leider noch rein fachlichen Silos klassischer Bildungsinstitutionen. Bildung ist ebenso der Erwerb informeller Kompetenzen in allen Lebenssphären.
Hier zeigt sich somit ein weiteres Handlungsfeld für die cross-sektorale Zusammenarbeit. Während die Politik die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen hat, dass lebenslanges Lernen für alle möglich wird, müssen Bildungsanbieter und Unternehmen gemeinsam die geeigneten Weiterbildungsangebote entwickeln und den jeweils neuesten Herausforderungen in Arbeit und Gesellschaft anpassen.
Insgesamt ist es ein weites Spielfeld für die Personalarbeit sich mit den Anforderungen an cross-Sektoralität zu beschäftigen. Die größten Chancen sehe ich für die Personalentwicklung, wenn es ihr gelingt, zum Vorreiter eines neuen und ganzheitlichen Verständnisses des Zusammenspiels zwischen Arbeit und Gesellschaft zu werden. Dafür müssen die Personalentwickler den Führungskräften und Mitarbeitern Freiräume und Angebote für die sektorenübergreifende Entwicklung von Kompetenzen ermöglichen.
Kolumnist Oliver Maassen
Oliver Maassen ist seit 2013 Geschäftsführer der Pawlik Consultants GmbH. Zuvor war er unter anderem Bereichsvorstand und Personalchef der Unicredit Bank. In seinen früheren Funktionen verantwortete er die Bereiche Personal- und Organisationsentwicklung, Führungstrainings, Personalmarketing und Talent Management. Er ist zudem Gründungsvorstand der Zukunftsallianz Arbeit und Gesellschaft (ZAAG).