Von Hunden und anderen Lockmitteln


Kolumne Talent Management: Von Hunden und anderen Lockmitteln

Wenn Unternehmen um Talente werben wollen, lassen sie sich einiges einfallen: Skitouren, Bügelservice, das neueste I-Pad und weiteres. Für Mitarbeiter, die auf den Hund gekommen sind, haben sie auch Angebote. Gerade das kann aber schief gehen, wie Kolumnist Martin Claßen aufzeigt.

Az9Sa1207/13 – unter diesem Aktenzeichen hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ein Urteil gesprochen. Es wird in die Annalen des Talent Managements eingehen. Denn die Richter gestatten einem Arbeitgeber ab sofort, bissige Hunde im Büro nach "billigem Ermessen" – so sprechen nur Juristen – zu verbieten.

Der Hund als Personalmarketing-Maßnahme

Was das mit Talent Management zu tun hat? Nun, inzwischen buhlen immer mehr Unternehmen um die Gunst ihrer Angestellten. Heute schon können Talente fast ihren gesamten Hausstand während des Tätigseins in der Firma vor Ort abgeben: Autos auf dem Parkplatz, Wäsche bei der Reinigung, Kinder in der Tagesstätte. Nun eben noch Hunde unterm Schreibtisch, dachte sich ein Vorstand und erlaubte es seiner Assistentin ihren Vierbeiner mitzubringen.

Unternehmen haben im Arbeitsmarkt immer weniger Möglichkeiten, sich in den Augen von Talenten gegenüber Mitbewerbern zu unterscheiden. Wo doch mittlerweile fast alle fast allen fast alles erlauben und ermöglichen. Nur eben Hunde unterm Schreibtisch noch nicht, also ein klarer Fall von Differenzierungsvorteil.

Ausübung des Direktionsrechts

Wie der verbotene Hund hieß, ging aus dem Düsseldorfer Urteil nicht hervor. Nennen wir ihn hier einfach Bissi, denn das war sein Problem oder um genauer zu sein das seines Frauchens. Der Köter konnte und wollte zubeißen. Zumindest war dies die Sorge anderer Mitarbeiter. Sie fürchteten sich vor dem Hund der Assistentin im Vorzimmer des Vorstands, zu dem nun keiner mehr gerne gehen mochte.

Sämtliche Vorstände dieser Welt sind ohne Mitarbeiterbesuche einsam, kein schönes Gefühl. Also verbot besagter Vorstand schweren Herzens seiner Assistentin deren Hund. Wogegen diese erfolglos klagte - trotz starker Argumente wie Gewohnheitsrecht und Gleichbehandlung. Denn in diesem Unternehmen dürfen andere Mitarbeiter weiterhin ihre Hunde mitbringen und unterm Schreibtisch kraulen. Anders als Bissi werden die aber von den Kollegen anscheinend nicht als Bedrohung empfunden.

Als investigativer Kolumnist hätte ich gerne noch in Erfahrung gebracht, ob in diesem Unternehmen neben der Raucherpause auch das Gassigehen als Arbeitszeit gewertet wird. In den Akten stand dazu nichts. Die Firma, eine Werbeagentur, sieht dies vermutlich als sinnvolle Kreativphase. Oder es gibt einen neuen Rechtsstreit.

Merksätze für Talent Manager

Was aber lehrt Az9Sa1207/13 für das Talent Management? Bevor mit durchaus hehren Zielen wie Motivation, Retention, Diversity den Mitarbeitern zu viel erlaubt und ermöglicht wird, sollten sich die Verantwortlichen über mögliche Auswüchse und Überreizung Gedanken machen.
Für alle Menschen mit Hundephopie noch letzte und nur bedingt trostspendende Nachsätze: Was die Assistentin mit ihrem Bissi jetzt macht, weiß ich nicht. Ob sie selbst ein Talent ist ebenfalls nicht. Vielleicht zieht sie von Düsseldorf fort und bewirbt sich demnächst in Ihrer Firma, im Doppelpack mit Bissi. Sie wissen aber jetzt Bescheid: Aktenzeichen 9Sa1207/13.




Martin Claßen hat 2010 das Beratungsunternehmen People Consulting gegründet. Talent Management gehört zu einem seiner fünf Fokusbereiche in der HR-Beratung.