Längere Elternzeit mindert das Interesse an beruflicher Karriere
Je länger Mütter nach der Geburt eines Kinds im Job pausieren, desto mehr verlieren sie das Interesse an der eigenen Karriere: Das können die Soziologen Professor Markus Gangl und Andrea Ziefle von der Goethe-Universität Frankfurt jetzt empirisch belegen. Ihr Aufsatz "The Making of a Good Woman: Extended Parental Leave Entitlements and Mothers' Work Commitment in Germany" ist gerade im "American Journal of Sociology" erschienen.
Kurze Elternzeiten erleichtern Re-Integration
In der internationalen Forschung deutete sich bereits an, dass kurze Elternzeiten von bis zu einem oder eineinhalb Jahren, wie sie etwa in Skandinavien üblich sind, zu einer besseren Integration der Mütter in den Arbeitsmarkt führen. Dies stehe in deutlichem Gegensatz zu den Erfahrungen in angelsächsischen Ländern, wo Familie überwiegend Privatsache sei. Je länger es gesetzlich möglich sei, in Elternzeit zu gehen, umso stärker fielen deren Nachteile ins Gewicht.
"Als Grund dafür sah die bisherige Forschung eher das Verhalten der Arbeitgeber, die Mütter bei längeren Ausfallzeiten seltener mit anspruchsvollen Tätigkeiten oder wichtigen Aufgaben betrauen", so Gangl. "Das nennen wir ‚statistische Diskriminierung'."
Mit längerer Elternzeit nimmt die Erwerbsorientierung ab
Die beiden Frankfurter Soziologen können jetzt allerdings zeigen, dass dies nicht der einzige Grund für die nachteiligen Wirkungen langer Elternzeiten ist. "Die subjektive Erwerbsorientierung von Müttern nimmt im Laufe der Zeit deutlich ab, das heißt, diese Frauen verlieren durch die längere Auszeit zunehmend das Interesse, an der eigenen beruflichen Perspektive zu arbeiten", sagt Ziefle.
Um diese Aussage zu belegen, nutzten die beiden empirischen Sozialforscher die Befragungsdaten des Sozio-ökonomischen Panels, das am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in enger Kooperation mit der Goethe-Universität und der Universität Mannheim entwickelt wurde. Damit werden seit 1984 jährlich – inzwischen schon in der 30. Befragungswelle – repräsentativ ausgewählte Personen und Haushalte in Deutschland nach ihren Einkommens- und Lebensverhältnissen befragt.
Rechtlicher Rahmen beeinflusst Einstellung zur Elternzeit
In ihrer Studie nahmen die Forscher die Antworten unter die Lupe, die Frauen zu ihrer subjektiven Erwerbsorientierungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten gegeben hatten. Damit konnten sie etwa nachvollziehen, wie sich die Einstellung der Frauen verändert hat, nachdem im Jahr 1992 der Erziehungsurlaub in Deutschland von 18 Monaten auf drei Jahre ausgeweitet wurde.
Gefragt nach ihrer Einstellung zum Beruf antworteten die Mütter nach einer längeren Zeit im Erziehungsurlaub, dass ihnen die Erwerbsarbeit nicht mehr so sehr wichtig sei; stattdessen rangierte die Familie an erster Stelle.
Damals hatten übrigens fast 50 Prozent der Mütter bereits vor der Geburt des Kindes nicht gearbeitet, heute ist es nur noch ein Drittel. "Und sogar unter den nicht erwerbstätigen Hausfrauen war in den 1990er Jahren zu beobachten, dass ein Einstieg in den Beruf weniger zum Thema wurde, je länger das neue Gesetz Geltung hatte", sagt Gangl und interpretiert dies als "Gewöhnungseffekt an die neue politische Umgebung".
Nicht nur das gesellschaftliche Bewusstsein habe sich seit den 1990er Jahren langsam, aber stetig verändert, auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie stärkere Einbeziehung der Väter in die Elternzeit sowie das Scheidungsrecht.
Elterngeld führt zu früherem Wiedereinstieg
Welche Relevanz haben die Ergebnisse dieser Retro-Studie für die heutige Situation? "Die Studie zeigt erstmalig: Familienpolitik hat nicht nur Einfluss auf das ökonomische Verhalten von Familien. Es sind auch die normativen Signale, die ausgesandt werden und die individuellen Lebensentwürfen wohl unbewusst beeinflussen", so Gangl.
Doch die Frankfurter Forscher belassen es nicht bei der Rückschau: "Aus einer anderen Studie, die wir im vergangenen Jahr veröffentlicht haben, wissen wir, dass Mütter durch das neue Elterngeld schneller wieder in ihren Beruf zurückgekehrt sind", sagt Andrea Ziefle. "Jetzt arbeiten wir daran herauszufinden, ob sich die neue Familienpolitik der letzten Jahre auch in den subjektiven Einstellungen von Vätern und Müttern niedergeschlagen hat."
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