Kein organisationales Lernen, keine zukunftsfähige Organisation
Noch nie hat sich die Halbwertszeit von Wissen so schnell verringert, noch nie waren aktuelle Kompetenzen so schnell veraltet wie bisher. Unternehmen sind darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter die richtigen Kompetenzen und Fähigkeiten sowie das notwendige Wissen mitbringen, um in einer digitalisierten Arbeitswelt handlungs- und anpassungsfähig zu sein. Die inhärenten Potenziale des Unternehmens und organisationales Lernen rücken folgerichtig in den strategischen Fokus – kein wirklich neuer Ansatz und doch noch nicht nachhaltig in den Unternehmen angekommen. Doch wollen Mitarbeiter überhaupt lernen? Und wenn ja, was motiviert sie dazu?
Lernen hat ein schlechtes Image
Eine Detecon-Studie in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung & Employability (IBE) und dem Ed-Tech-Startup Humovo hat das Thema Lernen in Deutschlands Großkonzernen genauer unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse der leitfadengestützten Interviewreihe mit Experten der teilnehmenden Unternehmen, darunter Bayer AG, Daimler AG und Deutsche Telekom AG, hinterlassen einige Erkenntnisse zum Nachdenken und Reflektieren und veranlassen vor allem zum lösungsorientierten Weiterdenken.
Eine wichtige Erkenntnis ist, dass deutsche Großkonzerne in puncto Lernmaßnahmen noch nicht ausreichend gewappnet sind. Etwa 20 Prozent der 525 Befragten würden beispielsweise gerne bis zu fünf Stunden pro Woche für die eigene Weiterbildung aufbringen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass lediglich 11 Prozent der Befragten dies tatsächlich tun. Mehr als ein Drittel der Studienteilnehmer wendet aktuell lediglich bis zu einer Stunde pro Woche für die Weiterbildung auf.
Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen, so zeigt die Studie, ist das Lernen häufig noch mit Ängsten verknüpft und negativ konnotiert. Überfordernde Lerninhalte, die zu viel auf einmal vermitteln sowie komplizierte Zugänge zu Lernplattformen und E-Learning-Angeboten tragen zum negativen Image des Lernens im Unternehmenskontext bei. Auch weil Lernangebote häufig nicht individuell zugeschnitten werden, fehlt es an intrinsischer Motivation. Wird die persönliche Relevanz einer Lernmaßnahme nicht deutlich, bleiben Erfolge oft aus.
Arbeitszeit ist auch Lernzeit
Unternehmen stehen demnach vor der Herausforderung, organisationales Lernen sowohl strategisch als auch prozessual abzubilden und eine Lernumgebung zu schaffen, in der sich Mitarbeiter kontinuierlich weiterentwickeln und ihre Potenziale entfalten können. Viele Unternehmen sehen die Mitarbeiter in der Pflicht, ihre persönliche Weiterentwicklung selbstverantwortlich voranzutreiben und mit eigenen Impulsen auszugestalten. Die Mehrheit der Studienteilnehmer ist hingegen der Meinung, dass Lernen als Teil der Unternehmenskultur anerkannt werden muss. Um die intrinsische Lernmotivation der Mitarbeiter jedoch zu stimulieren und nutzbar zu machen, müssen Unternehmen zunächst die geeignete Lernumgebung schaffen beziehungsweise diese evaluieren und kontinuierlich verbessern. Hinreichende Lernangebote und Formate anzubieten, ist dabei Grundvoraussetzung und nur dann wirkungsvoll, wenn Mitarbeiter die zeitlichen Freiräume erhalten, sich stressfrei und konzentriert den angebotenen Lernmaßnahmen zu widmen.
Zukunftsorientierte Lernangebote müssen hochpersonalisiert sein
Legen deutsche Unternehmen den Fokus derzeit noch auf die Methoden- und Instrumentenebene, bleibt der Aspekt der Individualisierung sowie die Persönlichkeit des Lernenden bisher weitestgehend unberücksichtigt. Die Mehrheit der Befragten sieht Optimierungsbedarf hinsichtlich der Anpassung des Lernens an die eigenen Bedürfnisse. Die Studienergebnisse machen zudem deutlich, dass organisationales Lernen zwingend den Aspekt der Vielfalt berücksichtigen muss. Lernangebote und Formate sollten zielgruppenspezifisch aufgebaut sein und den Bedürfnissen der unterschiedlichen Lerntypen im Unternehmen Rechnung tragen.
Vielfältige Lernmedien sind dabei genauso wichtig wie unterschiedliche Lernorte und individualisierte Lerninhalte. Die Studie zeigt, dass Formate, wie Präsenzveranstaltungen, zum Beispiel in Form von Vorträgen (17 Prozent) und interaktiven Workshops (15 Prozent) sowie digitale Formate, wie E-Books (13 Prozent) und Lernvideos (13 Prozent) besonders gefragt sind. Darüber hinaus sollten die Lernangebote situationsbezogen aufgebaut sein und einen starken Praxis- und Realitätsbezug aufweisen. Wird die Sinnhaftigkeit und Relevanz einer Lernmaßnahme den Mitarbeitern jedoch nicht deutlich, wirkt sich dies unmittelbar negativ auf den Lernprozess und somit auf den Lernerfolg aus.
Eigenverantwortliches Lernen beginnt auf CEO-Ebene
Um das Thema Lernen nachhaltig im Unternehmen zu verankern und Mitarbeiter zu motivieren, sich eigenverantwortlich um ihre persönliche und fachliche Weiterbildung zu kümmern, ist es unerlässlich, dass Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und der Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter nicht nur hohe Bedeutung beimessen, sondern ihre Bemühungen auch entsprechend wertschätzen. Führungskräfte sind wesentliche Impulsgeber in der Entwicklung einer authentischen Lernkultur. Dazu gehört auch, eigene Fehler und Unzulänglichkeiten als Führungskraft einzugestehen und diese mit der Gruppe zu teilen. Nehmen Führungskräfte ihre eigene Weiterentwicklung ernst, wirkt sich das auch positiv auf die Lernmotivation ihrer Mitarbeiter aus.
Lernen und persönliches Wachstum gewinnen in Zeiten der immer komplexer werdenden Arbeitswelt und der geringen Halbwertszeit von Fähigkeiten an immenser Bedeutung im Arbeitsalltag und sollten zu konstanten Aufgaben jedes einzelnen Mitarbeiters im Unternehmen werden. Je zielgerichteter und effektiver Mitarbeiter neue Fähigkeiten entwickeln und bestehende Kompetenzen ausbauen, desto flexibler sind sie für das Unternehmen einsetzbar. Flexibel einsetzbare Mitarbeiter sichern wiederum nicht nur ihre eigene Beschäftigungsfähigkeit, sondern bilden auch das Fundament wandlungs- und zukunftsfähiger Organisationen.
Die gesamten Studienergebnisse stehen hier zum Download bereit: Future Learning Studie von Detecon
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