Hologramme lassen staunen
Nach gut anderthalb Jahren Bildschirmfixierung mit Zoom, Teams oder Skype dürfen sich die Menschen wieder live treffen: Seminare, Kongresse, Messen, Mitarbeitertagungen und Kundenevents finden wieder statt - zumindest die Planung für solche Events kommt langsam wieder in Gang.
Neue Anforderungen an Präsenzformate
Was passiert, wenn wieder Normalität einkehrt? Genauer gefragt: Wie wird diese "Normalität" aussehen? Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich die Weiterbildungs- und Eventwelt nach dem Corona-Restart entwickeln wird. Es spricht einiges dafür, dass die Branche nicht wieder an den Zustand vom März 2020 anschließen wird. Die Tagungsverantwortlichen in den Unternehmen werden zum Beispiel sich zukünftig noch intensiver damit beschäftigen, wofür sie ihr Budget ausgeben. Die Frage wird sein: Warum müssen unsere Mitarbeiter überhaupt zu einer Veranstaltung fahren? Reiner Wissenstransfer funktioniert doch auch am Bildschirm sehr gut.
Siegfried Haider, Geschäftsführer der Referentenagentur Experts4events, kennt den Markt seit über 20 Jahren. Seiner Einschätzung nach müssen Präsenztagungen mit professionellen Speakern nach Corona neu oder anders gedacht werden. Mehr Emotionen und ein viel stärker ausgeprägter Erlebnischarakter sollen die Mitarbeiter aus den (Home-) Offices herauslocken und ihre Chefs dazu bewegen, wieder die entsprechenden Reisen zu genehmigen und Ausfallzeiten zu tolerieren. Dafür braucht es nach seinem Dafürhalten vor allem den großen Sprung in der Präsentationstechnik: "Die letzte große Innovation im Speaking war der Übergang von Overhead-Folien auf PowerPoint. Was wir aktuell brauchen, ist wieder ein deutlicher Sprung nach oben im Niveau von Liveveranstaltungen", bringt Haider seine Markteinschätzung auf den Punkt.
What’s the next "hot shit"? Holo-Speaking!
Der Übergang von Overhead auf PowerPoint ist ungefähr zwanzig Jahre her: 1987 kam bereits die erste "richtige" Powerpoint-Version für Macintosh auf den Markt; ab 2003 gab es die Fassung, die die "Moderatorenansicht" enthielt, die während der Präsentation auch für den Präsentator sichtbar ist. Allerhöchste Zeit also für etwas Neues. Und das ist, jedenfalls wenn man Siegfried Haider glaubt, der Einsatz von Holographie und 3D-Technik bei Vorträgen und entsprechenden Events. Wer sich nun an seine Besuche im "Kuppelkino" auf dem Jahrmarkt erinnert oder in der Kramschublade nach der grün-roten 3D-Brille sucht, dem sei gesagt, dass sowohl erstere Assoziation überholt als auch letzteres Accessoire für Bühnenperformances inzwischen überflüssig geworden ist.
Denn Holographie als 3D-Erlebnis auf der Bühne funktioniert mit vorproduzierten, beweglichen 3D-Elementen. Für das Speaker Business ist diese Technik ganz neu, und so sieht sich "Experts 4 Events" als "First Mover" für dieses Trendthema. Mit seiner Agentur hat Siegfried Haider die Technik und das Vortragsformat 2020 in den deutschsprachigen Speaker- und MICE-Markt eingeführt und arbeitet aktuell seit ungefähr einem halben Jahr mit einem ausgewählten Kreis an Top-Speakern an ihren Hologramm-Vorträgen. Die Technik, die dazu notwendig ist, ist einerseits recht einfach - und andererseits noch aufwändig: "Von der Seite der Veranstaltungstechnik her sprechen wir hier von einer Ausrüstung, die heutzutage in vielen Hallen schon Standard ist", weiß Haider. Neben einer normalen Leinwand braucht es für einen Holo-gestützten 3D-Vortrag noch eine Holo-Leinwand. Das ist ein großes Stück gazeartiger Stoff, das vorne über die Bühne gespannt wird, und auf das mittels eines leistungsstarken Beamers und Computers die dreidimensionalen Elemente projiziert werden. Die Produktion dieser Elemente ist allerdings momentan noch das Nadelöhr und braucht eine technisch anspruchsvolle Produktion im Studio durch entsprechend versierte Techniker.
Der Business-Vortrag als moderner Wachtraum?
Dafür sind die ersten Vorträge, die mit Hilfe der neuen Technik entstanden sind, auch sehr beeindruckend gelungen: So hantiert Gedächtnisexperte Markus Hofmann in seinem neuen Vortrag auf der Bühne das überlebensgroße Modell eines Gehirns, in dem die Synapsen feuern und aktive Gehirnareale aufleuchten. Change-Experte und Extrembergsteiger Rainer Petek nahm die Zuschauer zuletzt auf der Convention der German Speakers Association (GSA) mit auf eine Klettertour in eine der extrem schwierigen Nordwände der Alpen - Schneegestöber und gefakter Absturz inklusive. Auch der Transfer seiner Inhalte ins Business gelang dort besonders lebendig, weil er mitten in seinen Grafiken beziehungsweise aus ihnen heraus agieren konnte, statt nur vor einer PowerPoint-Folie zu stehen. Aber damit nicht genug - Haider wird nicht müde, das Loblied der neuen Technik zu singen: "Für die Zielgruppe der Zuschauer ermöglichen die Holo-Vorträge eine wesentlich bessere Visualisierung der Inhalte, gehirngerechteres Lernen, eine stärkere Aktivierung der Merkfähigkeit und dadurch insgesamt mehr Motivation fürs Thema."
Inszenierung wie bei Netflix
Aber auch für die Speaker und die Einkäufer sieht er deutliche Vorteile: "Die Erwartung an Live Events steigt schon jetzt. Hier sind Wow!-Effekte gefragt. Gleichzeitig wird bei insgesamt weniger, aber dafür anspruchsvolleren Liveveranstaltungen das Budget für die einzelne Veranstaltung ebenfalls steigen." Die Implikation ist klar: Diese Budgets werden diejenigen abschöpfen, die sich mithilfe der neuen Technik zukunftsfähig gemacht haben. "Wir haben schon jetzt in unserer Agentur eine eigene Kategorie für die Hologramm-Speaker eingerichtet", berichtet Haider weiter. Die Kehrseite der Medaille sind momentan noch recht hohe Kosten für die Vorproduktion und die Entwicklung der Dramaturgie, in die auch ein Regieprofi einbezogen werden muss. Auch der Aufwand für Proben im Vorfeld ist groß: Neben reinen Stellproben, die sicherstellen, dass der Speaker seinen 3D-Elementen auf der Bühne nicht im Weg steht, ist auch ein gewisses Maß an schauspielerischem Talent gefordert.
Wenn dann aber alles perfekt läuft, gibt es fast unendliche technische und dramaturgische Möglichkeiten: Ein "positiver Extremfall" ist sicherlich der aktuelle Vortrag von "Profiler" Leo Martin, der schon beim Betreten der Bühne beim Zuschauer einen leichten Gänsehauteffekt auslöst, wenn er seinen Daumen auf einen (fiktiven) Scanner legt und neben ihm dann "Matrix-mäßig" überlebensgroß sein Fingerabdruck aufleuchtet. Im weiteren Verlauf seines Auftritts bringt sich Martin dann mithilfe von Avataren gleich sieben Mal auf die Bühne und interagiert dort mit seinen Alter Egos auf schauerlich realistische Weise. Auch Zukunftsexperte Erik Händeler liefert eine durchgestylte 3D-Performance ab: Auf der Bühne tummeln sich Aliens sowie sein eigenes vergangenes und sein zukünftiges Selbst. Ein alter VW-Käfer hat ebenso seinen Auftritt wie der schon lange verstorbene Wirtschaftswissenschaftler und Konjunkturforscher Nikolai Kontradieff, dessen "Konjunkturzyklen" währenddessen wie Achterbahnen um Speaker und Avatar herumkreisen.
Was kostet die Hologramm-Technik?
Ein Hologramm gibt es nicht umsonst. Die Produktion ist aufwendig und berechtigt, andererseits auch zu einem gewissen Aufschlag beim Rednerhonorar.
1. Was kostet die "Hologramm-Basisproduktion"? Was braucht man an Ausgangsmaterial?
Einen Vortrag von etwa 45 Minuten mit sieben bis zehn 3D-Hologramm-Objekten auszustatten, kostet je nach Animations- und Designaufwand einmalig ungefähr zwischen 7.000 und 10.000 Euro. Das gilt inklusive eines Konzept- und Storyboard-Workshops. Einen Avatar (also sich selbst oder eine andere Person, mit der man gegebenenfalls in einen Dialog tritt) virtuell auf die Bühne zu bringen, ist aufwendiger und kostet mehr, denn gegebenenfalls braucht man dafür bestimmte Rechte und/oder auch Schauspieler, die als Vorlage für einen Avatar dienen. Damit liegen die Gesamtproduktionskosten für einen 45-Minuten-Vortrag bei der genannten Summe von 7.000 bis 10.000 Euro plus etwa 3.000 Euro für die Produktion eines einzelnen Avatars.
2. Was kostet es pro Auftritt, wenn eine Holo-Ausstattung aufgebaut werden muss?
Viele große Konferenzräume haben die Hologramm-Leinwand, ein dünnes Netz, schon installiert. Dabei kann die Holo-Leinwand oft für den Raum gemietet und von oben nach unten per Knopfdruck unhörbar hoch- und heruntergefahren werden. Zusätzlich benötigt man "nur" einen leistungsfähigen (Miet-)Beamer, dessen Leistungsstärke von der Raum- und Bühnengröße abhängt. Und dazu braucht man noch einen leistungsfähigen Laptop (der kommt oft vom Speaker selbst), mit dem die Hologramm-Videofiles abgespielt werden. Alles in allem reden wir (je nach Raumgröße) von rund 2.500 bis 5.000 Euro zusätzlichen Technikkosten pro Auftritt.
3. Was kann ein Speaker an Holo-Auftrittshonorar verlangen?
Ein Hologramm-Vortrag ist immer ein Premiumprodukt und wird auch nur gegen Aufpreis angeboten. Die meisten Redner berechnen ihr übliches Honorar mit einem Premiumaufschlag - denn der Vortrag muss deutlich raffinierter inszeniert werden (und braucht einen sehr geübten und erfahrenen Redner). Die Holo-Technikkosten werden als Technikpauschale extra in Rechnung gestellt. Viele Veranstalter buchen gleich zwei Holo-Speaker an einem Tag, damit sie die Technikkosten je Vortrag halbieren können.
Neue Geschäftsmodelle vor dem Durchbruch
Und dann gibt es noch die ungeheuerliche Möglichkeit, dass auch der Speaker selbst gar nicht mehr immer selbst und live auf der Bühne stehen muss. Durch mit modernster Technik aufgezeichnete und projizierte Holo-Vorträge können Redner zukünftig zum Beispiel an zehn Unternehmensstandorten gleichzeitig "live", 3D und "in Farbe" auftreten. Auch Mehrfachbuchungen für verschiedene Firmen an einem Tag sind damit nicht mehr ausgeschlossen. Und Online-Events oder hybride Events gewinnen ebenfalls durch das Einspielen einer hochwertigen "3D-Konserve" an Qualität. "Das rückt das Investment von etwa zwölf- bis fünfzehntausend Euro pro Holo-Vortrag für den Speaker in eine vernünftige Perspektive", meint Haider abschließend.
Der Vorteil des Hologramms liegt darin, dass der Betrachter nicht müde wird! - Uwe Peter, Sisco Inc.
Wie der Zufall so spielt: Am 27. September 2021 überraschte der Börsenexperte Markus Koch, der aus seinem eigenen TV-Studio in New York über die Wall Street berichtet, seine Youtube-Gemeinde damit, dass er demnächst seine per Video zugeschalteten Gäste als 3D-Hologramme zu sich ins umgebaute Studio holen werde. Den Anfang machte er mit Uwe Peter, dem Deutschlandchef des US-Telekommunikationsriesen Cisco Systems. Peter stand in Berlin vor der Kamera und gleichzeitig tauchte sein Hologramm vor Markus Koch in New York auf. Koch blickte auf einen halbdurchlässigen Spiegel, der mitten im seinem TV-Studio stand und sah vor dem Spiegel und hinter dem Spiegel Teile des Körpers seines Gesprächspartners, die sich auf geradezu magische Weise zu einem sehr echt wirkenden, dreidimensionalen Menschen zusammenfügten.
Der Sisco-Manager, der die Hologramm-Technik verkauft hatte, freute sich: "Ich bin jetzt wirklich in das Studio reingebeamt und das ist eine andere Liga als das klassische zweidimensionale Fernsehen." Für Peter besteht der große Vorteil der Holografie darin, dass der Betrachter nicht so schnell müde wird, wie wenn er einen Redner im normalen TV bei einem Vortrag zuschauen würde. Die 3-D-Wahrnehmung entspreche der menschlichen Natur, weil ein Hologramm einfach der gewohnten Sehweise, die im Alltag dominiert, doch sehr nahekomme.
Dieser Beitrag ist im Sonderheft "Tagen", Ausgabe November 2021, erschienen, das der November-Ausgabe der Zeitschrift "Wirtschaft + Weiterbildung" beiliegt.
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