Personalauswahl: Diagnostische Disaster und ihre Folgen

Wer sind die besseren Recruiter: Führungskräfte in der Fachabteilung oder Personaler? In einer Studie der Hay Group leisten sich die Personaler jedenfalls eine Blöße. Knapp zwei Drittel der befragten HR-Manager geben an, dass es ihnen schwerfällt, die richtigen Kandidaten auszuwählen.

Im Extremfall wird mehr als jede dritte Stelle (37 Prozent) mit einer Person besetzt, die nicht optimal für ihre künftige Aufgabe geeignet ist. Dieser Befund geht aus einer aktuellen Studie für Deutschland und Großbritannien der Unternehmensberatung Hay Group hervor. Dafür wurden in zwei Umfragen im Juli 2013 und April 2014 insgesamt 208 Unternehmen befragt.

Kostenfaktor Personalauswahl – nicht nur bei Managementpositionen

Wie problematisch und vor allem auch kostenintensiv die Fehlbesetzung einer Management-Position sein kann, ist inzwischen hinreichend bekannt. Dass sich Fehlentscheidungen aber auch bei der Besetzung normaler Funktionen und vor allem dort, wo viele Stellen zu besetzen sind wie beispielsweise im Verkauf oder in der Kundenbetreuung, schnell aufsummieren, belegt die Studie ebenfalls: Auf mehr als 6.000 Euro beziffern über die Hälfte der Personalmanager die Kosten, die entstehen, wenn ein Job neu besetzt werden muss. Außerdem demotiviere eine hohe Mitarbeiterfluktuation die übrigen Angestellten im Unternehmen.

Auswahlmethoden werden nicht valide eingesetzt

Es mangelt offenbar an validen Kriterien in der Auswahl: Knapp die Hälfte (49 Prozent) der befragten Personalmanager kann die Fähigkeiten und Kompetenzen der Kandidaten nicht valide messen. In Großbritannien führen auch gerade einmal 47 Prozent strukturierte Interviews mit Kandidaten. In Deutschland sind es immerhin 85 Prozent.

Eine gewisse Hilflosigkeit in Bewerbungsgesprächen schreibt aber auch Professor Uwe P. Kanning in seiner Kolumne zur Wirtschafspsychologie den Personalmanagern zu: "Mit der Frage 'Warum soll ich Sie einstellen?' kann ein Interviewer gar nicht besser seine eigene Hilflosigkeit zum Ausdruck bringen. Diese Frage zu beantworten ist die ureigenste Aufgabe des Interviewers", schreibt Kanning beispielsweise. Und er wird sogar noch deutlicher: "Fast hat man den Eindruck, dass viele Interviewer derartige Fragen stellen, weil sie schlichtweg keine anderen kennen und irgendwie die Gesprächszeit mit dem Bewerber hinter sich bringen müssen."

Äußere Merkmale führen zu Fehlurteilen – der Akzent auch

Dabei müssten gerade Personaler darin ausgebildet sein, Wahrnehmungsfehler und Bauchentscheidungen vermeiden zu können. Weder Attraktivität noch der Name oder die Herkunft des Bewerbers sollte die Entscheidung beeinflussen – und auch nicht der Akzent. Trotzdem belegen immer wieder Studien, dass diese Merkmale Einfluss haben. So haben laut Kanning US-amerikanische Studien ergeben, "dass Menschen mit starkem Akzent weniger positiv bewertet werden, als solche, die akzentfrei sprechen."

Wie die Wissenschaftlerin Tamara Rakic von der Lancaster University in einem Interview mit dem "Harvard Business Manager" erklärt, ist dies auch in Deutschland ein Phänomen: "In einer Studie in Jena haben wir herausgefunden, dass auch Menschen mit regionalen Akzenten - Bayerisch, Sächsisch oder Berlinerisch - als weniger kompetent eingeschätzt werden als Sprecher des Hochdeutschen", sagt sie gegenüber der Zeitschrift.

Immerhin lässt sich dies nach ihren Erkenntnissen aber recht leicht beheben. Man müsse nur vor einem Interview in einer Fremdsprache sprechen. So könne man sich in die Lage des anderen versetzen.


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