Entsendung: Aus den Augen, aus dem Sinn?
Seit Auslandsentsendungen im Zuge der Globalisierung zu einem festen Bestandteil der Personalarbeit international agierender Unternehmen geworden sind, wird deren Ineffektivität beklagt. Frühzeitige Rückkehr, Unzufriedenheit der Entsandten und deren Familienmitglieder oder überdurchschnittliche Kündigungsquoten nach der Rückkehr gelten als Indikatoren einer verfehlten Entsendungspolitik. Zum Teil basiert diese Argumentation auf nicht belastbaren oder gar nicht vorhandenen Daten und einem unzureichenden Messkonzept. So ist die frühzeitige Rückkehr ein schlechter Indikator für Misserfolg, wenn diese darin begründet liegt, dass das Entsendungsziel frühzeitig erreicht wurde. Diese methodischen Probleme sollten aber nicht über die inhaltlichen hinwegtäuschen (Harzing/Christensen, 2004). So führen laut einer aktuellen Befragung von entsendenden Unternehmen nur 22 Prozent der Befragten eine systematische Personalauswahl durch, nur in 18 Prozent der Unternehmen ist die Reintegration systematisch mit dem Karrieremanagement verknüpft und eine echte Erfolgsmessung jenseits der Erfassung der Kosten findet nur in Einzelfällen statt (BGRS, 2016). Vor diesem Hintergrund wollen wir die empirischen Befunde zur Effektivität von Personalmanagementmaßnahmen im Rahmen der Entsendungspolitik vorstellen. Dabei gehen wir insbesondere auf die Kandidatenauswahl, vorbereitende Trainingsmaßnahmen, die kulturelle Anpassung während der Entsendung und die Rückintegration ein.
Wie sollten Auslandsentsandte ausgewählt werden?
Wollen Unternehmen Mitarbeiter ins Ausland entsenden, kommt zumeist aufgrund notwendiger fachlicher Expertise und anderen Erfahrungen nur eine begrenzte Anzahl an Kandidaten überhaupt infrage. Trotzdem kommt der richtigen Auswahl von Auslandsentsandten eine hohe Bedeutung zu, da Fehlentscheidungen zu hohen Kosten und unzufriedenen Entsandten führen können. In einer Meta-Analyse haben Mol, Born, Willemsen und Van Der Molen (2005) empirische Ergebnisse zu den häufigsten Auswahlkriterien zusammengefasst (siehe Abb. 1). Untersucht haben die Autoren vor allem Zusammenhänge zwischen verschiedenen Eigenschaften des Entsandten und der Leistung während der Entsendung. Persönlichkeit, gemessen über die Big-Five-Persönlichkeitsdimensionen, hat einen geringen Einfluss. Am wichtigsten von den fünf Faktoren sind Extraversion und Gewissenhaftigkeit, beide zu r = 0,17 mit Leistung während der Entsendung korreliert. Bemerkenswert ist, dass Alter und Geschlecht wie auch vorherige Auslandserfahrungen keinen bedeutsamen Zusammenhang mit Leistung zeigen, es also unerheblich für die Leistung ist, ob ein Mitarbeiter bereits vorher schon im Ausland tätig war. Insgesamt zeigen sich also nur kleinere Zusammenhänge verschiedener Eigenschaften oder Erfahrungen mit der Leistung während der Auslandsentsendung. Entsprechend empfehlen Kraimer, Bolino und Mead (2016), dass internationale Unternehmen bei der Auswahl vor allem auf Fachkenntnisse, Kontaktfähigkeit, Sprachkenntnisse, Unterstützung des Partners sowie besonders auf die interkulturelle Kompetenz der Kandidaten achten sollten. Außerdem sei es wichtig, Mitarbeiter auszuwählen, für die eine Auslandsentsendung in die eigene Karriereplanung passt.
Sollten Auslandsentsandte vor der Entsendung spezielle Trainings durchlaufen?
Bevor Auslandsentsandte ihre Station im Ausland beginnen, bieten Unternehmen häufig interkulturelle Trainings an, um die Mitarbeiter optimal auf die Zeit im Ausland vorzubereiten. Aber ist das überhaupt möglich oder lassen sich die möglichen Schwierigkeiten und Anpassungsprobleme so schwer vorhersagen, dass ein Training nicht sinnvoll erscheint? Schaut man sich sehr allgemein den Effekt von Trainings auf Anpassung und Leistung im Ausland an, zeigen sich schwache bis mittelstarke positive Effekte, die den Einsatz interkultureller Trainings sinnvoll erscheinen lassen. So finden Morris und Robie (2001) bei der Analyse von insgesamt 25 Studien eine durchschnittliche Korrelation von r = 0,27 für den Effekt interkultureller Trainings auf die Leistung von Auslandsentsandten. Ebenfalls positiv wirken sich diese Trainings auf die Anpassung der Entsandten aus, jedoch ist dieser Effekt etwas schwächer (r = 0,14; k = 16). Allerdings verzeichnen die Autoren eine relativ große Streuung der Effekte in den untersuchten Studien. Während also in einigen Studien ein wesentlich stärkerer Effekt gefunden wurde, zeigen die Ergebnisse in anderen Studien schwächere Effekte. Dies mag den verschiedenen Trainingsformaten geschuldet sein, die in der Studie aggregiert wurden.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Kraimer und Kollegen (2016) und unterstützen den Einsatz von interkulturellen Trainings, die aus ihrer Sicht vornehmlich Elemente beinhalten sollten, bei denen Teilnehmer Erfahrungen mit dem Gastland sammeln können.
Wie gelingt eine Anpassung an das neue Umfeld?
Ein zentrales Konzept bei der Analyse von Auslandsentsendungen ist die Anpassung der Entsandten während des Aufenthalts. In der Literatur werden drei verschiedene Bereiche unterschieden, für die eine Anpassung erfolgen sollte: Anpassung der Auslandsentsandten an die Kultur (cultural adjustment, AK) umfasst den Umgang mit lokalen Gegebenheiten wie zum Beispiel Lebensbedingungen, Essen oder auch das Unterhaltungsangebot im Gastland. Anpassung an Interaktionen (interaction adjustment, AI) beinhaltet alle Arten von Interaktionen mit Einheimischen während der Arbeit und in der Freizeit. Drittens kann eine Anpassung an die Arbeit (work adjustment, AA) erfolgen, also inwieweit sich Auslandsentsandte an die oftmals neuen Aufgaben im Ausland anpassen können. Viele Studien haben zusätzlich untersucht, wie wichtig diese Anpassung für die Zufriedenheit und Leistung der Auslandsentsandten ist und wie diese gegebenenfalls gefördert werden kann. Angenommen wird also ein mediierender Effekt: Verschiedene Einflussfaktoren wirken auf die Anpassung der Auslandsentsandten, was wiederum Leistung und Zufriedenheit beeinflusst. Die Meta-Analyse von Bhaskar-Shrinivas, Harrison, Shaffer und Luk (2005) gibt hier einen sehr guten Überblick (vgl. Abb. 2). Bei den Einflussfaktoren auf Anpassung zeigt sich erneut, dass vorherige Auslandserfahrung keinen bedeutsamen Einfluss hat. Für die drei Arten der Anpassung schwankt der Zusammenhang zwischen r = 0,04 für Anpassung an die Kultur und r = 0,13 für Anpassung an Interaktionen. Wenig überraschend ist der relativ starke Einfluss von Sprachkenntnissen auf die Anpassung an Interaktionen (r = 0,43). Bei den anderen in Abbildung 2 dargestellten Faktoren ist bemerkenswert, dass die Anpassung der Partner den insgesamt stärksten Zusammenhang mit der Anpassung der Entsandten hat. Dies spiegelt andere Befunde wider, welche fehlende Unterstützung des Partners als wichtigsten Faktor für einen frühzeitigen Abbruch der Entsendung ausmachen konnten. Ebenfalls von Bedeutung sind Rollenklarheit und Entscheidungsspielräume im Job, die positiv auf die Anpassung wirken und Kulturunterschiede zwischen Heimat- und Gastland. Je größer die Unterschiede, desto schwerer gelingt eine Anpassung.
Der rechte Teil von Abbildung 2 enthält Ergebnisse von Bhaskar-Shrinivas und Kollegen (2005) zu den Zusammenhängen zwischen der Anpassung der Auslandsentsandten und den Erfolgsgrößen Leistung, Arbeitszufriedenheit und Gedanken an einen vorzeitigen Abbruch der Auslandstätigkeit. Alle drei Bereiche der Anpassung sind von Bedeutung, wobei besonders die Anpassung an die Arbeit die stärksten Zusammenhänge mit Leistung (r = 0,39) und Arbeitszufriedenheit (r = 0,44) hat. Die negativen Korrelationen mit Gedanken an Abbruch sind intuitiv, da eine bessere Anpassung zu weniger Abbruchgedanken führt.
Die Anpassung der Auslandsentsandten ist ein Prozess, der sich über den gesamten Auslandsaufenthalt erstreckt. Auch wenn es individuelle Unterschiede gibt, bildet sich in der Tendenz ein Verlauf für die kulturelle Anpassung der Entsandten heraus, der in Abbildung 3 dargestellt ist (vgl. Bhaskar-Shrinivas et al., 2005, Figure 4). Nach einer anfangs vom Entsandten als relativ hoch wahrgenommenen Anpassung ("honeymoon"), fällt die Anpassung nach circa zehn Monaten, bis sie nach 36 Monaten ihren Tiefpunkt erreicht. Anschließend steigt die Anpassung und stabilisiert sich auf einem ähnlich hohen Niveau wie in der Honeymoon-Periode am Anfang. Auch wenn für den genauen Verlauf der Anpassung mehr Längsschnittstudien notwendig sind, scheint das "Tal" nach der anfänglichen Euphorie Kennzeichen vieler Anpassungsprozesse von Auslandsentsandten zu sein. Dieser Befund ist zudem konsistent mit den allgemeineren Ergebnissen zu Anpassungsprozessen im Rahmen der organisationalen Sozialisation beispielsweise beim Onboarding (Bauer/Erdogan, 2011).
Kraimer und Kollegen (2016) integrieren weitere Befunde aus der Expatriate-Forschung und empfehlen, dass Unternehmen den Entsandten vor der Abreise ein "realistic job preview" liefern, damit diese ihre Rolle und Handlungsspielräume während des Auslandsaufenthalts richtig einschätzen können, was letztlich zu einer besseren Anpassung und Leistung führen kann. Mit Blick auf die Rückkehr der Entsandten sprechen sie sich für durchgehende Kontakte des Entsandten mit dem Heimatland (zum Beipiel durch Mentoren und Karriereberatung) aus.
Probleme nach der Rückkehr
Die Probleme von Rückkehrern (auch: Repatriates) haben in der Forschung viel Beachtung gefunden, da schon früh erkannt wurde, dass die Rückkehr aus dem Gastland verglichen zu ähnlichen, teilweise sogar größeren Schwierigkeiten wie die Entsendung an sich führen kann. Umfassende meta-analytische Ergebnisse liegen hier noch nicht vor, da Studien in diesem Bereich einzelne Aspekte untersucht haben, aber noch keine hinreichende Datenbasis für eine Aggregation vorliegt. Trotzdem zeichnen sich wichtige Zusammenhänge ab, die eine Rückkehr maßgeblich beeinflussen können. Ein sehr häufiges Problem ist die Unzufriedenheit der Rückkehrer mit der Folgeposition. Die Erwartungen sind oftmals sehr hoch: Es wurden neue Erfahrungen gewonnen und der Verantwortungsbereich bei der Auslandsstation ist in der Regel größer, die Übernahme der alten Position nach der Rückkehr deshalb für viele Mitarbeiter nicht zufriedenstellend. Für Unternehmen bedeutet dies erstens, dass sie die Karriereplanung der Mitarbeiter auch während des Auslandsaufenthalts nicht vernachlässigen sollten und ihnen, wenn möglich, nach der Rückkehr eine Position anbieten können, auf der sie gewonnenes Wissen und neue Fertigkeiten einsetzen können (Kraimer et al., 2016). Allerdings zeigt die recht hohe Fluktuationsrate von Rückkehrern, dass dies den Unternehmen häufig nicht gelingt. Die Entsandten selbst jedenfalls nehmen ihre Auslandsentsendung nach der Rückkehr zumeist als wichtige und interessante Erfahrung wahr, die auch hilfreich für die weitere Karriere (in einem anderen Unternehmen) sein kann.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
- Fach- und Sprachkenntnisse sind bei der Auswahl von Auslandsentsandten wichtiger als vorherige Auslandserfahrungen, Persönlichkeit, Geschlecht oder Alter.
- Interkulturelle Trainings haben einen positiven Einfluss auf Anpassung und Leistung der Entsandten, jedoch ist dieser Effekt kleiner als häufig angenommen.
- Während der Entsendung sind Rollenklarheit, Entscheidungsspielräume im Job und die Anpassung des Partners wichtige Faktoren für Anpassung und Leistung des Entsandten.
- Enttäuschte Erwartungen der Rückkehrer hinsichtlich Karriereoptionen und Aufgaben können zu erhöhter Fluktuationsrate unter diesen führen.
Erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly 2/2018.
Literaturverzeichnis:
Bauer, T N./Erdogan, B. (2011): Organizational Socialization: The Effective Onboarding of New Employees. In: Zedeck, Sheldon (Hg.): APA Handbook of Industrial and Organizational Psychology, Vol 3: Maintaining, Expanding, and Contracting the Organization, Washington: American Psychological Association, 51–64.
BGRS (2016): Global Mobility Trends. http://globalmobilitytrends.bgrs.com/#/section-7?q=44
Bhaskar-Shrinivas, P./Harrison, D. A./Shaffer, M. A., & Luk, D. M. (2005): Input-based and time-based models of international adjustment: Meta-analytic evidence and theoretical extensions. Academy of Management Journal, 48(2), 257-281.
Harzing, A. W./Christensen, C. (2004): Expatriate failure: time to abandon the concept? Career Development International, 9(7), 616-626.
Kraimer, M./Bolino, M./Mead, B. (2016): Themes in expatriate and repatriate research over four decades: What do we know and what do we still need to learn? Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior, 3, 83-109.
Mol, S. T./Born, M. P./Willemsen, M. E./Van Der Molen, H. T. (2005): Predicting expatriate job performance for selection purposes: A quantitative review. Journal of Cross-Cultural Psychology, 36(5), 590-620.
Morris, M. A./Robie, C. (2001): A meta-analysis of the effects of cross-cultural training on expatriate performance and adjustment. International Journal of Training and Development, 5(2), 112-125.
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