Die beliebtesten Strategien und Tricks der Bewerber
Darüber, wie Personaler bei der Personalauswahl vorgehen, ist einiges bekannt: In schöner Regelmäßigkeit werden Recruiter zu diesem Thema befragt. Gerade etwa haben die HR-Kommunikations-Agentur Kienbaum Communications und das Staufenbiel Institut eine Studie vorgestellt, für die rund 300 Unternehmen zu den aktuellen Recruiting-Trends befragt wurden.
Bewerber-Strategien werden von den meisten Kandidaten genutzt
Welche Strategien hingegen die Bewerber im Recruiting-Prozess anwenden, ist weniger gut erforscht. Aufschluss darüber geben jetzt die Ergebnisse einer Studie der Hochschule Osnabrück, für die die Wissenschaftler 1.000 Bewerber befragt haben. Die Ergebnisse der Befragung wurden gerade in der "Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie" veröffentlicht.
Mit dieser Studie betreten die Osnabrücker Wissenschaftler Neuland: "Bisher hat sich die Personalauswahlforschung vor allem mit dem Faking, also dem Vorgaukeln einer nicht vorhandenen Eignung, und der Selbstdarstellung von Bewerberinnen und Bewerbern beschäftigt", sagt Studienleiter Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. "Meine Untersuchung weist darauf hin, dass Bewerberinnen und Bewerber über diese beiden Strategien hinausgehend eine Vielzahl strategischer Verhaltensweisen gezielt einsetzen, um den Bewerbungsprozess positiv zu beeinflussen."
Strategisches Verhalten und Einstellung der Bewerber untersucht
Um diese Strategien zu ergründen, legte Kanning den Befragten Listen mit strategischen Verhaltensweisen zu vier gängigen Personalauswahlmethoden vor: Bewerbungsunterlagen, Einstellungsinterview, Testverfahren, Assessment Center. Unter strategischen Verhaltensweise versteht der Wirtschaftspsychologe zum Beispiel das Auffüllen von Lücken im Lebenslauf oder die Teilnahme an Bewerbertrainings für ein Assessment Center.
Die Befragten sollten angeben, welche der Strategien sie schon einmal selbst angewendet haben. Außerdem sollten sie jede Strategie daraufhin beurteilen, inwiefern sie ihnen sinnvoll erscheint. So konnte Kanning zum einen das strategische Verhalten der Befragten und zum anderen ihre Einstellungen zu diesen Strategien erfassen.
Bewerber gehen strategischer vor als noch vor fünf Jahren
Die Auswertung dieser Angaben zeigt: Insgesamt gehen die Jobaspiranten sehr strukturiert vor. Die Mehrheit von ihnen nutzt von Anfang an gezielt Strategien, um ihre Chancen zu verbessern. Fast alle Befragten haben eigenen Angaben zufolge in der Vergangenheit mindestens eine der abgefragten Strategien eingesetzt.
Zudem haben strategische Aktivitäten von Bewerbern insgesamt zugenommen: Bewerber, die sich in den vergangenen fünf Jahren beworben haben, gehen strategischer vor als diejenigen, deren letzte Bewerbung schon länger zurückliegt.
Die beliebteste Recruiting-Strategie zur Vorbereitung auf ein Bewerbungsgespräch, die 86 Prozent der befragten Bewerber anwenden, ist demnach die Recherche auf den Unternehmenswebsites. Rund die Hälfte der Befragten bereitet sich in Gesprächen mit Freunden oder Bekannten auf die Bewerbung vor.
Bewerbungsfoto: oft genutzt – aber ungeliebt
Studienleiter Kanning fällt jedoch auf, dass es bei vielen Strategien eine große Abweichung zwischen Einstellung und Verhalten gibt: So finden es zwar 77 Prozent der Befragten sinnvoll, Ratgeber zur Vorbereitung auf ein Assessment Center zu lesen – aber nur 53 Prozent machen auch ernst und schauen wirklich in die einschlägige Literatur.
Eine Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten zeigt sich auch bei den Antworten zum Thema "Bewerbungsfotos": Die große Mehrheit der Befragten (90 Prozent) legt ihrer Bewerbung ein Foto bei. Allerdings glaubt nur gerade einmal die Hälfte von ihnen auch, dass Fotos etwas über die Eignung des Bewerbers verraten.
"Seit 2006 ist es Arbeitgebern eigentlich untersagt, Fotos anzufordern. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass viele Bewerber eher strategisch agieren", erklärt Kanning. "Sie gehen davon aus, dass Personalverantwortliche auch heute noch das Fehlen eines Bewerbungsfotos negativ bewerten – und das zu Recht, wie wir aus eigenen Befragungen zum Thema wissen."
Die Tricks der Bewerber: imaginäre Hobbys und Stärken
Die Ergebnisse der Studie geben auch Aufschluss über die kleinen Tricks der Kandidaten beim Bewerben. Mehr als 60 Prozent der Befragten geben etwa zu, Vorlagen für ihre Bewerbungsunterlagen aus dem Internet herunterzuladen und diese nur noch zu überarbeiten. Und 42 Prozent der Bewerber denken sich sogar Hobbys aus, von denen sie glauben, dass sie positiv bewertet werden. "In diesen Fällen sagen das Anschreiben oder die formale Gestaltung der Unterlagen nichts über den Menschen aus, der hinter der Bewerbung steht", kritisiert Kanning.
Beim Einstellungsinterview gehen viele Bewerber der Studie zufolge ähnlich gewieft vor: Ganze 90 Prozent von ihnen denken sich nämlich Stärken aus, von denen sie glauben, dass der Arbeitgeber sie hören will. Und 70 Prozent geben an, selbst schon einmal im Bewerbungsgespräch Fragen gestellt zu haben, bloß um interessiert zu wirken.
Personaler sollten wissenschaftliche Erkenntnisse besser nutzen
Kanning kann diesen Tricks Positives abgewinnen. "Insgesamt entsteht der Eindruck, dass Bewerberinnen und Bewerber inzwischen sehr gut auf die Standardverfahren vorbereitet sind", kommentiert der Studienleiter die Ergebnisse.
In Hinblick darauf plädiert Conny Antoni, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Personalwesen (DGP) und Professor für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Trier, Wissenschaft und Wirtschaft künftig besser zu verquicken: Denn die psychologische Forschung biete laufend aktuelle Erkenntnisse zum Thema "Personalauswahl". "Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber können die Qualität ihrer Personalauswahl steigern, wenn sie diese Erkenntnisse gezielt im Auswahlprozess nutzen", so der DGP-Präsident.
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