Alter, Erfahrung und Betriebszugehörigkeit sind keine guten Prädiktoren für Arbeitsleistung
Der demografische Wandel rückt schon längere Zeit das Alter der Mitarbeitenden in den Vordergrund, sei es beim Fachkräftemangel oder bei der damit verbundenen Diskussion um ein höheres Renteneintrittsalter. Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind erfahrener, gleichzeitig wird ihnen eine verringerte Leistungsfähigkeit unterstellt. Insgesamt wird ein unklares Bild darüber gezeichnet, wie sich Lebensalter und Berufserfahrungen auf die Leistung auswirken.
Erschwert wird eine systematische Analyse dadurch, dass Alter, Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit miteinander zusammenhängen. So gibt es keinen 20-Jährigen mit 30 Jahren Berufserfahrung, und auch wenn Mitarbeitende in höherem Alter noch die Organisation wechseln können, überrascht es wenig, dass im Durchschnitt ältere Mitarbeitende länger im Betrieb sind als jüngere.
Eine Trennung dieser drei Konstrukte ist aber trotzdem bedeutsam, da sich sehr verschiedene praktische Implikationen ableiten lassen, je nachdem, ob Alter, Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit mit relevanten Ergebnisgrößen zusammenhängen. Wäre beispielweise hauptsächlich die Berufserfahrung für die Arbeitsleistung relevant, könnten Organisationen verstärkt berufserfahrene Mitarbeitende einstellen. Wäre dagegen alleine die Betriebszugehörigkeit von Bedeutung, sollten Anstrengungen unternommen werden, Mitarbeitende im Unternehmen zu halten. Für das Alter der Mitarbeitenden wird in dieser Forschungstradition in der Regel kein direkter Effekt angenommen, vielmehr kann es sozusagen über Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit auf die Leistung wirken.
Lange Betriebszugehöhrigkeit und Berufserfahrung als Motivationsbremse
Als grundlegende Mechanismen werden zwei entgegengesetzte Effekte angenommen. Einerseits wirkt zunehmende Erfahrung im Beruf oder in der Organisation über Lerneffekte positiv auf die Arbeitsleistung, andererseits kann aber auch eine zu lange Zeit im Beruf oder Betrieb die Motivation verringern und so die Arbeitsleistung mindern. Sozusagen könnte mit zunehmender Erfahrung das Können steigen, das Wollen aber sinken. Ebenfalls leistungsmindernd könnte sich in höherem Alter eine verringerte physische oder kognitive Leistungsfähigkeit bemerkbar machen. Da Alter, Berufserfahrung und Dauer der Betriebszugehörigkeit zentrale und leicht zu erfassende Konstrukte in der Personalforschung sind, ist die Anzahl der existierenden Studien entsprechend hoch und wir können auf verschiedene Metaanalysen zurückgreifen.
In diesem Beitrag möchten wir die wichtigsten Erkenntnisse zusammentragen. Wir beginnen im nächsten Abschnitt mit den Effekten von Alter, Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit auf die individuelle Leistung von Mitarbeitenden. Im darauffolgenden Kapitel erweitern wir die Betrachtung auf die organisationale Ebene und berichten unter anderem über die Wirkung des durchschnittlichen Alters in Organisationseinheiten oder des Alters von CEOs auf organisationale Ergebnisgrößen. Schließlich wechseln wir von einer primär quantitativ-empirischen Analyse in eine eher theoretische Betrachtung, welche die überraschend geringen Effekte von Erfahrungen auf individuelle und organisationale Ergebnisgrößen zu erklären versucht.
Zusammenhänge mit Ergebnisgrößen auf individueller Ebene
Der sehr geringe Zusammenhang zwischen Lebensalter und Arbeitsleistung wurde bereits in einem früheren Beitrag im PERSONALquarterly thematisiert (Korff/Biemann, 2013), dort vornehmlich basierend auf metaanalytischer Evidenz von Ng und Feldman (2008). Bspw. ist der korrigierte Korrelationskoeffizient für Alter und Arbeitsleistung basierend auf k = 118 Studien mit insgesamt N = 52.048 Individuen nur r = ,02 (vgl. Abb. 1). Alleine mit dem Alter von Mitarbeitenden lassen sich also kaum Rückschlüsse auf deren Leistung treffen. Allerdings sind die Ergebnisse für Berufserfahrung (job tenure) nicht grundlegend anders, denn auch hier sind die Zusammenhänge mit Arbeitsleistung, Organizational Citizenship Behavior (OCB) und Kreativität mit Werten um r = ,05 eher gering. Lediglich beim Innovationsverhalten (innovative behaviors) besteht ein mittelstarker positiver Zusammenhang mit Berufserfahrung (r = ,35); Innovationen sind also eher von Mitarbeitenden mit längerer Berufserfahrung zu erwarten, jedoch ist auch dieser Zusammenhang nicht sehr stark (Ng/Feldman, 2013).
Die Bedeutung einer langen Betriebszugehörigkeit (organizational tenure) wurde in einer Metaanalyse vom selben Autorenteam (Ng/Feldman, 2010) untersucht, und die Kernergebnisse folgen einem ähnlichen Muster, denn sie sind mit r = ,11/,03/-,06 für Arbeitsleistung/OCB/Kreativität nicht besonders stark (vgl. Abb. 1). Insgesamt zeichnet sich also ein Bild, bei dem Alter und Erfahrungen von überraschend geringer Bedeutung sind. Denkt man etwas genauer über diese Zusammenhänge nach, so lässt sich ein kurvilinearer Zusammenhang vermuten, sodass es bspw. bei Berufserfahrung oder Betriebszugehörigkeit einen Zeitpunkt gibt, bis zu dem die Arbeitsleistung steigt, bevor sie zum Beispiel aufgrund von sinkender Motivation wieder fällt.
Die empirische Analyse dieser nicht-linearen Zusammenhänge zeigt in der Regel allerdings ebenfalls keine starken Effekte, sodass sich hieraus keine bedeutsamen Implikationen für die Praxis ableiten lassen. Interessant ist dagegen eine etwas genauere Analyse des kurvilinearen Zusammenhangs zwischen Alter und Arbeitsleistung. Hier deutet sich an, dass gerade für kognitiv wenig anspruchsvolle Berufe ein negativer Zusammenhang bestehen kann, der ab einem Alter von etwa 50 bis 55 Jahren einsetzt. Mitarbeitende der Altersgruppe 50 plus scheinen also in kognitiv wenig anspruchsvollen Berufen weniger Leistung zu erbringen als jüngere Mitarbeitende (Guzzo et al., 2022).
Zusammenhänge mit Ergebnisgrößen auf organisationaler Ebene
Wir möchten in diesem Kapitel die oben berichteten Ergebnisse in zwei Richtungen erweitern, in beiden Fällen indem wir von der individuellen Ebene der Mitarbeitenden die Perspektive erweitern und größere Organisationsbereiche betrachten. Erstens schauen wir auf den Zusammenhang von Alter und Erfahrung mit der Leistung von größeren Organisationseinheiten (work unit-level effects), zweitens gehen wir auf Analysen ein, welche die Erfahrungen der Führungskräfte in der Organisation mit relevanten Ergebnisgrößen in Beziehung setzen.
In einer Metaanalyse fassen Guzzo et al. (2022) Studien zusammen, die nicht auf individueller Ebene ansetzen, sondern sich durchschnittliches Alter und Betriebszugehörigkeit in größeren Organisationseinheiten anschauen, da hier andere Mechanismen wirken könnten als auf individueller Ebene; bspw. wenn erfahrene Gruppenmitglieder anderen im Team helfen können, sodass letztlich die Teamleistung (und nicht unbedingt die individuelle Leistung) ansteigt. Zudem ist es bei der Analyse auf Organisationsebene möglich, finanzielle Erfolgsgrößen als abhängige Variable zu berücksichtigen. In Abbildung 1 geben wir Kernergebnisse aus dieser Metaanalyse wieder. Erneut zeigt sich kein bedeutsamer Zusammenhang zwischen Alter der Arbeitsgruppe und der Leistung, hier gemessen über Finanzkennzahlen. Für die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit zeigt sich mit r = ,08 ein leicht positiver Effekt. Die Leistung in Teams, deren Mitglieder schon länger in der Organisation sind, ist also etwas höher.
Ebenfalls in Guzzo et al. (2022) werden Alter und Betriebszugehörigkeit der Führungskräfte der Arbeitsgruppen mit der Leistung in Beziehung gesetzt, aber auch hier sind die Korrelationskoeffizienten so nahe an null, dass kein substanzieller linearer Zusammenhang festgestellt werden kann. Alter und Betriebszugehörigkeit der Teamleiter scheinen die Teamergebnisse also nicht nennenswert zu beeinflussen. Lediglich auf der höchsten hierarchischen Ebene bestehen leicht positive Zusammenhänge zwischen dem Alter bzw. der Betriebszugehörigkeit des CEOs und dem finanziellen Erfolg der Organisationen, wie eine Metaanalyse von Wang et al. (2016) feststellen konnte. Aber auch diese Effekte auf die Leistung sind mit r = ,06 für das Alter der CEOs und r = ,08 für deren Betriebszugehörigkeit eher schwach.
Theoretische Mechanismen für die Wirkung organisationaler Erfahrung auf die Leistung
Wir hatten oben Mechanismen skizziert, wie Erfahrung und Betriebszugehörigkeit der Mitarbeitenden auf die Leistung von Individuen und Organisationseinheiten wirken können. Die empirischen Ergebnisse zeichnen aber ein insgesamt eher ernüchterndes Bild, da die Effekte zumeist nahe an null liegen, also keine substanziellen linearen Zusammenhänge gezeigt werden konnten. Dies ist überraschend, da gerade Lerneffekte in Organisationen zu einer höheren Leistung führen sollten. In einem theoretischen Beitrag untersuchen Maula et al. (2023), welche Rahmenbedingungen gegeben sein müssen, damit sich die gesammelte Erfahrung in einer Organisation (organizational experience) positiv auf die Leistung auswirkt. Dieser Ansatz ist interessant, da sich Handlungsempfehlungen für Organisationen ableiten lassen, um die gesammelten Erfahrungen in der Organisation besser zu nutzen.
Maula und Kollegen (2023) stellen drei Bedingungen vor, die erfüllt sein müssen, damit Erfahrung tatsächlich auf Leistung wirken kann. Erstens muss die Anwendbarkeit der bisherigen Erfahrungen (applicability) hoch sein, die Aufgaben wie auch der Kontext sollten also sehr vergleichbar mit den Gegebenheiten sein, in denen die bisherigen Erfahrungen gesammelt wurden. Zweitens muss die Zugänglichkeit (accessibility) der gesammelten Erfahrungen für alle in der Organisation hoch sein, was einerseits durch ein gutes Wissensmanagement in der Organisation sichergestellt werden kann, andererseits sollten aber auch die Individuen die Organisation nicht verlassen, welche viel kritisches Wissen besitzen. Drittens muss die gesammelte Erfahrung in der Organisation auch bei Entscheidungsprozessen einbezogen werden (adoption), denn selbst wenn das Wissen relevant und verfügbar ist, muss eine Bereitschaft bestehen, auf die internen Erfahrungen zu setzen und nicht zum Beispiel eher externe Quellen zu nutzen. Der Effekt von Erfahrungen ist nur dann positiv, wenn diese drei Bedingungen (applicability, accessibility, adoption) in einer Organisation gegeben sind.
Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
- Alter und Betriebszugehörigkeit hängen kaum mit der individuellen Arbeitsleistung zusammen.
- Berufserfahrung hat einen leicht positiven Einfluss auf die Leistung, wobei gerade das Innovationsverhalten bei erfahrenen Mitarbeitenden höher ist.
- Alter und Betriebszugehörigkeit von CEOs haben einen schwach positiven Effekt auf die Unternehmens-Performance.
- Theoretische Ansätze aus dem Bereich der organisationalen Erfahrung schlagen vor, dass Anwendbarkeit, Zugänglichkeit sowie tatsächliche Nutzung der gesammelten Erfahrungen wichtig sind, damit sie positiv auf die Organisationsleistung wirken können.
Dieser Beitrag ist erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly 4/2023. Die Ausgabe hat das Schwerpunktthema "New Work".
Literaturverzeichnis:
Guzzo, R. A./Nalbantian, H. R./Anderson, N. L. (2022): Age, experience, and business performance: A meta-analysis of work unit-level effects, Work, Aging and Retirement, 8(2), 208-223.
Korff, J./Biemann, T. (2013): Verbreitete Altersstereotype lassen sich durch wissenschaftliche Fakten widerlegen, PERSONALquarterly, 65(3), 46-49.
Maula, M./Heimeriks, K. H./Keil, T. (2023): Organizational experience and performance: A systematic review and contingency framework, Academy of Management Annals, 17, 546–585.
Ng, T. W./Feldman, D. C. (2008): The relationship of age to ten dimensions of job performance, Journal of Applied Psychology, 93(2), 392.
Ng, T. W./Feldman, D. C. (2010): Organizational tenure and job performance, Journal of Management, 36(5), 1220-1250.
Ng, T. W./Feldman, D. C. (2013): Does longer job tenure help or hinder job performance? Journal of Vocational Behavior, 83(3), 305–314. doi:10.1016/j.jvb.2013.06.012
Wang, G./Holmes R. M./Oh, I. S./Zhu, W. (2016): Do CEOs matter to firm strategic actions and firm performance? A meta-analytic investigation based on upper echelons theory. Personnel Psychology, 69(4), 775-862.
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