Mit steigendem Frauenanteil im Management wird der Führungsstil härter
"Quotenfrauen" dringen in "Männerclubs" ein: Die Diskussion über den Anteil weiblicher Führungskräfte in deutschen Vorstandsetagen wird mit harten Bandagen geführt. Zahlen belegen die Brisanz: Nur 14 Prozent aller Manager hierzulande sind Frauen. Bei einem globalen Durchschnitt von 22 Prozent liegt Deutschland damit abgeschlagen auf den hinteren Plätzen internationaler Ranglisten wie etwa die der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Grant Thornton.
Frauen werden wie Männer - ab einem Frauenanteil von 26 Prozent
Eine wichtige Rolle beim Thema Frauenquote spielt jedoch auch die Frage: Unterscheiden sich männliche und weibliche Führungskräfte wirklich in ihren Einstellungen und Fähigkeiten? Eine Studie der international tätigen Personalberatung Russell Reynolds Associates gelangt zu überraschenden Ergebnissen: In Ländern mit einem unterdurchschnittlichen Anteil weiblicher Führungskräfte von weniger als 21 Prozent entsprechen männliche und weibliche Führungskräfte weitgehend dem klassischen Geschlechterstereotyp: Männer sind signifikant wettbewerbsorientierter, Frauen kümmern sich stärker um ihre soziale Umgebung. Ab einem Anteil weiblicher Führungskräfte von 22 Prozent nähern sich Managerinnen ihren männlichen Kollegen hinsichtlich der Durchsetzungsstärke an.
Zündstoff für die Diversity-Debatte
Sind mehr als 26 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt, besteht bei der Wettbewerbsorientierung kein Geschlechterunterschied mehr. Männer wie Frauen richten mit steigendem Anteil weiblicher Führungskräfte außerdem ihre Entscheidungen weniger stark auf ihr soziales Umfeld aus. Weibliche Führungskräfte in Ländern mit hohem Anteil weiblicher Führungskräfte agieren gar weniger integrierend und ausgleichend als ihre männlichen Gegenparts in Ländern mit geringem Antweil weiblicher Führungskräfte. So werden beide Geschlechter insgesamt fokussierter, kompetitiver und damit erfolgreicher - aber gleichzeitig auch härter.
Das widerspricht der bisher herrschenden Meinung in der Diversity-Debatte. Danach beruht der Erfolg gemischter Führungsteams ("Mixed Leadership") gerade auf den Unterschieden der Geschlechter. Außerdem, so die verbreitete Meinung, werde mit dem Einzug weiblicher Chefs auch die Führung "weiblicher", sprich sozialer und verantwortungsvoller.
Hohe Frauenquote ist Schlüssel zum Leistungspotenzial der Frauen
Die globale Studie "Post-Diversity-Ära" wertet die psychometrischen Profile von 4.345 weiblichen und männlichen Entscheidern in 25 Ländern aus. Insbesondere wurden Einstellungen und Fähigkeiten von Topmanagerinnen und Topmanagern in Bezug darauf verglichen, ob diese in einem Land mit geringem, mittlerem oder hohem Anteil weiblicher Führungskräfte tätig sind. Joachim Bohner, der bei Russell Reynolds für Leadership und Assessment verantwortliche Managing Director und Autor der Studie, kommentiert: "Unsere Untersuchung belegt deutlich, dass Frauen in Führungspositionen nicht protegiert oder speziell weitergebildet werden müssen. Der Schlüssel dazu, das volle Leistungspotential weiblicher Entscheider auszuschöpfen, ist ein steigender Frauenanteil in den Chefetagen. Sobald Frauen ihren Exotenstatus verlieren, können sie ihre Stärken deutlich leichter im Geschäftsleben ausspielen."
Abnehmende Geschlechtsunterschied bei steigendem Frauenanteil
Die Korrelation zwischen einem steigenden Anteil weiblicher Führungskräfte und einem abnehmenden Geschlechterunterschied besteht neben der Orientierung an der Umgebung und die eigene Durchsetzungsfähigkeit ebenso für weitere gemessene Merkmale. Beispielsweise sind Männer in Führungspositionen nicht generell risikofreudiger als Frauen. Eigenschaften wie niedrige Regelbezogenheit, schnelle Entscheidungsfähigkeit, Offenheit für Veränderungen, der Wunsch nach Abwechslung, Optimismus und niedriges Angstgefühl sind unter den getesteten Frauen und Männern nicht signifikant unterschiedlich verteilt.
Post-Diversity-Ära: Stereotype Rollenbilder nicht haltbar
Bohner fasst die Ergebnisse zusammen: "Unabhängig vom Geschlecht nähern sich Manager bei einem steigenden Frauenanteil dem idealen Charakter und Skillset eines Topentscheiders bzw. General Managers an. Dieser weist eine hohe Leistungsorientierung auf, gepaart mit der Kraft und der Fähigkeit, Menschen emotional mitzunehmen, scheut aber auch nicht vor härteren Entscheidungen zurück, wenn diese in Transformationsprozessen nötig sind. Geschlechtsspezifische Unterschiede verlieren ihre Relevanz. Kurzum: Mehr Frauen in den Chefetagen läuten den Übergang in eine Post-Diversity-Ära ein, in der stereotypen Vorstellungen der Boden entzogen wird."
Win-win-Situation für Unternehmen und Management durch steigenden Frauenanteil
Für Unternehmen und Führungskräfte bedeute das eine klassische Win-win-Situation, so Joachim Bohner: "Eine Erkenntnis aus unserer Studie: Ein hoher Frauenanteil in der Chefetage wirkt wie ein Katalysator und kann das gesamte Management auf ein neues Qualitätslevel heben. Unabhängig von ihrem Geschlecht profitieren Entscheider unmittelbar von einem höheren Frauenanteil in den Chefetagen, denn ein steigender Anteil weiblicher Führungskräfte fördert ihre individuellen Leading Skills." Dies birgt in doppelter Hinsicht einen Vorteil für Unternehmen: Einerseits können Ressourcen von genderspezifischer Förderung abgezogen und in die allgemeine Management-Entwicklung verlagert werden. Andererseits profitieren die Unternehmen auch insgesamt von wachsenden Führungsfähigkeiten ihrer Entscheider.
"Beim Thema Geschlechterdifferenzen verbieten sich pauschalisierende Aussagen. Es gibt immer Ausnahmen und Abweichungen. Wir konnten jedoch statistisch signifikant die positiven Auswirkungen eines hohen Anteils weiblicher Führungskräfte nachweisen. Und das ist eine wichtige Erkenntnis für die Praxis: Denn die Wirtschaft ist auf Top-Performer beiderlei Geschlechts angewiesen", resümiert der Russell Reynolds-Berater.
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