Stress führt nicht immer zu Aggressivität
Der bisherigen Lehrmeinung zufolge sollen Menschen und die meisten Tierarten bei Stress die "Kampf-oder-Flucht-Reaktion" ("Fight or Flight") zeigen. Erst seit den späten 1990er Jahren vertreten einige Wissenschaftler die These, dass Frauen unter Stress alternativ nach dem "Tend and Befriend-Konzept" handeln, also mit einem beschützenden ("Tend") und Freundschaft anbietenden ("Befriend") Verhalten reagieren. Männern hingegen wird nach wie vor unterstellt, bei Stress aggressiv zu werden. Zu Unrecht, wie von Dawans bestätigt: "Offenbar zeigen auch Männer soziales Annäherungsverhalten als unmittelbare Konsequenz von Stress."
Mit dieser Studie hat das Forschungsteam nach eigenen Angaben erstmals das Sozialverhalten bei Männern unter Stress experimentell untersucht. Schon im vergangenen Jahr hatten Heinrichs und von Dawans ein standardisiertes Verfahren entwickelt, um in Vortragssituationen Stress in Gruppen zu erzeugen. Die Folgen für das Sozialverhalten untersuchten die Forscher nun in ihrer Studie mit eigens konzipierten sozialen Interaktionsspielen. Diese ermöglichen es, positives Sozialverhalten, zum Beispiel Vertrauen oder Teilen, und sozial negatives Verhalten, etwa Bestrafen, zu messen.
Positives Sozialverhalten wird unter Stress häufiger
Im Ergebnis zeigten Probanden, die unter Stress standen, deutlich mehr positives Sozialverhalten als Probanden der Kontrollgruppe, die sich nicht in einer Stresssituation befanden. Negatives Sozialverhalten jedoch wurde durch Stress nicht beeinflusst.
Für Heinrichs hat dies weit reichende Konsequenzen für ein besseres Verständnis der sozialen Bedeutung von Stress: "Aus vorherigen Studien unseres Labors wussten wir bereits, dass positiver sozialer Kontakt mit einem vertrauten Menschen vor einer Stresssituation die Stressreaktion reduziert. Offenbar ist diese Bewältigungsstrategie so stabil verankert, dass Menschen auch unmittelbar im oder nach dem Stress durch positives soziales Verhalten Stressreaktionen verändern können."
Die Ergebnisse stellen die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Psychological Science" vor. An der Studie waren die Ökonomen Professor Ernst Fehr von der Universität Zürich, Schweiz, und Professor Urs Fischbacher von der Universität Konstanz sowie der Psychologe und Professor Clemens Kirschbaum von der Technischen Universität Dresden beteiligt.
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