Mehrheit der Beschäftigten kennt Purpose des Unternehmens nicht
Was treibt Unternehmen an? Welchen Platz nehmen sie in der Gesellschaft ein und welchen sozialen, ökonomischen und ökologischen Nutzen stiften sie? Diese Fragen rücken im Zuge aktueller Debatten um den NSA- und Diesel-Skandal, der Fridays-for-Future-Bewegung und der Corona-Pandemie verstärkt in den Mittelpunkt. Denn diese Beispiele verdeutlichen, welche soziale, ökologische und ökonomische Verantwortung Unternehmen besitzen. Profit, Umsatz und Shareholder-Value scheinen als betriebswirtschaftliche Kennzahlen nicht mehr auszureichen. (Potenzielle) Mitarbeiter, aber auch Kunden, Lieferanten und Aktionäre schauen auf die Existenzberechtigung von Unternehmen und den Mehrwert, den diese schaffen – und zwar über die reine Profitorientierung hinaus.
Studie zeigt Bedeutung des Purpose für Unternehmen
Die Studie "Purpose. Die große Unbekannte", für die Kienbaum in Kooperation mit Human Unlimited rund 1.300 Mitarbeiter und Führungskräfte aus dem deutschsprachigen Raum befragte, hebt die Bedeutung hervor, die ein klar formulierter, starker Purpose für Unternehmen hat. 93 Prozent der Befragten erachten es als wichtig, dass Unternehmen für sich eine "Daseinsberechtigung" definieren. Drei Viertel der befragten Führungskräfte berichten von einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit, nachdem im Unternehmen ein neuer Purpose eingeführt wurde. Rund zwei Drittel verweisen auf positive Veränderungen bei der Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität.
Die Analyse verdeutlicht auch, dass ein klar formulierter Purpose mit erhöhter Unternehmensperformance, Kundenorientierung und Innovation einhergeht. Zwei Drittel der Führungskräfte, bei denen ein Purpose konkret eingeführt wurde, berichten über positive Effekte auf die Gesamtperformance. Daneben fällt es Unternehmen mit einem ausgeprägten Purpose laut Studie leichter, Kunden zu gewinnen und Innovationen voranzutreiben.
Weshalb Mitarbeiter den Purpose nicht wiedergeben können
Im scharfen Kontrast dazu steht, dass sechs von zehn Befragten den Purpose ihrer Organisation nicht wiedergeben können. Die Studienautoren führen das jedoch nicht darauf zurück, dass Unternehmen per se keinen Purpose besitzen, sondern dass dieser für die Arbeitnehmer auf den ersten Blick nicht erkennbar ist. "Wir haben in der Praxis die Erfahrung gemacht, dass es auf dem Weg von der Kommunikation zur Implementierung des Unternehmenspurpose große Übertragungslücken gibt, die für massiven Kraftverlust sorgen. Die Zahlen sind deutlich", sagt Frank Dopheide, Gründer der Agentur Human Unlimited, die Unternehmen bei der Umsetzung von Purpose-Projekten unterstützt.
Der Purpose wird laut Studie nicht klar genug definiert, in die unteren Hierarchieebenen hinein kommuniziert und von der Vision und Mission des Unternehmens abgegrenzt. Denn im Gegensatz zum Purpose, der allem zugrunde liegenden Existenzberechtigung eines Unternehmens, zielt die Vision auf die zukünftige Positionierung der Organisation (langfristiges Ziel) und die Mission auf ein kurzfristiges Zwischenziel bezüglich der Geschäftsaktivitäten ab. Die Frage, ob es in ihrem Unternehmen eine klare Trennung zwischen Purpose, Vision und Mission gibt, bejahten nur 34 Prozent, vier von zehn Befragten antworteten dagegen mit "nein", während darüber hinaus 26 Prozent angaben, keine Antwort auf die Frage zu haben. Als weitere Ursache eines unzureichend kommunizierten Purpose führt die Studie an, dass dieser in den Unternehmen in 46 Prozent der Fälle nicht gezielt entwickelt und zu einem konkreten Zeitpunkt eingeführt wurde. Außerdem geben etwa die Hälfte der Befragten an, nicht selbst an der Entwicklung des Purpose beteiligt gewesen zu sein.
Beschäftigte wünschen sich stärkere Beteiligung von HR
Doch welche Unternehmensbereiche sind letztlich für die Umsetzung des Purpose verantwortlich? Die Realisierung wird mehrheitlich (56 Prozent) als eher top-down denn als bottom-up beschrieben. Der CEO beziehungsweise die Geschäftsführung ist oft federführend für den Purpose verantwortlich und soll das nach Meinung des Großteils der Befragten auch bleiben. Gleichzeitig fällt im Ist-Soll-Vergleich auf, dass sich die Studienteilnehmer eine stärkere Beteiligung der Unternehmenskommunikation und vor allem der Personalabteilung wünschen. Bei der Frage, ob die Personalabteilung aktuell für die Umsetzung des Purpose verantwortlich ist, erreicht HR auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht) bis 6 (immer) einen Durchschnitt von 4,2. Bei der Frage, ob sich HR bei der Entwicklung und Einführung beteiligen soll, beträgt dieser Wert 4,8.
Purpose: Handlungsfelder der Personalabteilung
Doch was kann HR tun, um aktiv zur Entwicklung, Implementierung und zum Erhalt eines effektiven Purpose beizutragen? Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass HR als Business Partner zusammen mit der Unternehmenskommunikation die Mitarbeiter informieren und abholen muss, um den Purpose im Unternehmen nachhaltig zu verankern. "Die Personalfunktion muss den durch die Geschäftsführung angestoßenen Entwicklungsprozess von Anfang an begleiten. Der Personalfunktion kommt so eine funktionale Rolle als Partner des Top-Managements und als Change Agent zu", bilanziert Studienleiter Professor Dr. Walter Jochmann, Managing Director und Partner bei Kienbaum. Die Studienautoren plädieren außerdem für einen stärker partizipativen Ansatz, indem Mitarbeiter aus allen Bereichen in den Purpose-Prozess einbezogen werden.
Checkliste: Entwicklung, Implementierung und Erhalt des Purpose
In einer Checkliste fassen die Autoren die relevanten Schritte von der Entwicklung, über die Implementierung, bis hin zum Erhalt des Purpose zusammen:
Entwicklung des Purpose:
- Die Geschäftsführung sorgt für ein einheitliches Begriffsverständnis und grenzt dieses von verwandten Konzepten ab.
- Zusammen mit der Geschäftsführung erarbeitet die HR-Abteilung das fundamentale Ziel des Unternehmens. Hierzu sollten Mitarbeiter und Stakeholder wenn möglich in Initiativen einbezogen und auf Grundlage des Purpose eventuell Mission, Vision, Leitbild und Strategie angepasst werden.
Implementierung des Purpose:
- Die Geschäftsführung schwört gemeinsam mit der Unternehmenskommunikation das Top-Management auf den neuen Purpose ein. Außerdem sorgt sie dafür, dass alle Mitarbeiter vom Purpose und den damit verbundenen Transformationsprozessen erfahren. Zur Kommunikation ist eine interne Aktivierungskampagne hilfreich, im Zuge derer der (neue) Purpose implementiert wird und bei der sich auch HR beteiligen kann.
- Der Purpose muss in die DNA der Organisation eingebettet werden. Die Geschäftsführung sorgt für die Konsistenz mit den Produkten, Dienstleistungen und dem Geschäftsmodell. HR bettet den Purpose in die Personalprozesse ein und wird dadurch zum aktiven Kultur- und Organisationsgestalter.
Erhalt des Purpose:
- Die Geschäftsführung, HR-Abteilung und Unternehmenskommunikation holen internes und externes Feedback ein, betreiben Benchmarking, veranstalten Reviews und definieren Key Purpose Indicators. Mit Hilfe dieser Messinstrumente kann laufend überprüft werden, ob der Purpose tatsächlich nachhaltig gelebt wird oder ob Anpassungsbedarf besteht.
Alles zu Purpose Driven Organizations erfahren Sie in unserem Top-Thema.
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