Unternehmenskultur: Kulturwandel lässt sich nicht verordnen

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen verlangt einen grundlegenden Kultur- und Organisationswandel bei der Bundeswehr – als Reaktion auf die jüngsten Skandale. Warum sich eine Unternehmenskultur aber nicht einfach verordnen lässt, erklärt Professor Werner Widuckel.

Die Bundeswehr hat laut Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ein „ein gigantisches Personalproblem“ und muss sich weiter zu einer modernen Organisation wandeln. „Im zivilen Bereich überaltert, kaum Systematik in der Nachwuchsgewinnung und wachsende Aufgaben vor der Brust. Das ist eine schlechte Mischung“, sagte die CDU-Politikerin dem SZ-Wirtschaftsmagazin „Plan W“. So, wie die Bundeswehr derzeit aufgestellt sei, habe sie schlechte Karten.

von der Leyen: „Bundeswehr muss gesellschaftlichen Wandel nachholen“

Auch kulturell müsse sich die Organisation wandeln und das nachholen, was die Gesellschaft in den vergangenen 100 Jahren geleistet habe. „Die Bundeswehr darf nicht wie ein verstaubter Klub Gestriger auftreten.“ Man könne aber Respekt für Vielfalt nicht anordnen. Dies sei eine Frage der Haltung. „Und Haltung können Sie nicht befehlen, die müssen Sie vorleben und immer wieder erklären.“ Da gebe es viel Widerstand, Veränderung werde oft als Bedrohung gesehen, sagte von der Leyen.

Ihre Forderung ist eine Reaktion auf die in den vergangenen Wochen gehäuft bekannt gewordenen Fälle von Mobbing und sexuellem Missbrauch von Bundeswehrangehörigen - zuletzt in einer Elitekaserne in Pfullendorf in Baden-Württemberg und bei Gebirgsjägern in Bad Reichenhall in Oberbayern.

Kulturwandel ist nicht generell planbar

Ob Unternehmens – oder Organisationskulturen aber überhaupt geplant veränderbar sind, diskutiert Professor Werner Widuckel in seinem Fachbeitrag „Abgehängt – Warum Sie die Unternehmenskultur beim Wandel nicht vergessen dürfen“ in Personalmagazin 4/ 2015.  Dabei weist Widuckel am Beispiel der Kultur in Unternehmen zunächst auf ein weit verbreitetes Missverständnis hin: In der Praxis werde der Begriff der Unternehmenskultur nur mit Werten, Normen und Praktiken in Verbindung gebracht, die als positiv gelten (zum Beispiel Wertschätzung oder Integrität), sodass die Begriffe „Kulturwandel“ und „Unternehmenskultur“ häufig als Postulat einer „moralischen Läuterung“ fungierten. In der Wissenschaft beinhalte die „Unternehmenskultur“ aber wertneutral sämtliche Leitvorstellungen, Werte, Normen und Praktiken, die in einer Organisation geteilt und als erfolgreich angesehen werden.

Gelebte Überzeugungen bilden die Identität der Organisation

Dementsprechend bilde sich, so Widuckel,  ein bestimmter Pfad im Rahmen der organisationalen Entwicklung heraus, der geteilte Werte und Überzeugungen zu einem Teil der organisationalen Identität werden lasse. Dies bedürfe einer Legitimation, die sich nicht allein aus der Erfolgswirksamkeit von Werten und Überzeugungen ableiten lasse; gesellschaftliche Wert- und Leitvorstellungen wirkten ein. Diese Einwirkung sei aber nicht immer eindeutig, weil diese Wert- und Leitvorstellungen gesellschaftlich umstritten sein könnten. Deshalb bedarf es, so Widuckel, einer handlungsleitenden Interpretation gesellschaftlicher Erwartungen in Unternehmen. Nichts anderes wird für Organisationen wie die Bundeswehr gelten.

Praxis verändern statt  Werte postulieren

Diese Interpretation könne jedoch, so Widuckel, innerhalb des Unternehmens oder in der Beziehung zur Umwelt kontrovers sein. Hierauf haben Macht- und Interessenbeziehungen einen starken Einfluss. Dieses potenzielle Spannungsverhältnis werde besonders wirksam, wenn bisher erfolgreiche Geschäftspraktiken und Leistungsziele sowie Bewertungssysteme gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert werden. Dies führe zu einem Veränderungszwang, der nicht ohne Widerstände bewältigt werden kann. Die Postulierung von veränderten Werten und Überzeugungen allein reiche hierfür nicht aus. Der geforderte kulturelle Wandel könne erst dann als erfolgreich angesehen werden, wenn er in neue geteilte Werte und Überzeugungen gemündet sei, die zu einer Veränderung von Praktiken führen.

Glaubwürdiger Wandel erfordert moralische Legitimation von außen

Dazu müsse ein Zusammenhang zwischen Umwelterwartungen sowie geteilten Werten und Überzeugungen hergestellt werden, der auch eine moralische Legitimation umfasse. Dies sieht Widuckel als eine Grundvoraussetzung für die Glaubwürdigkeit des Wandels nach innen und außen. Sollen Werte und Überzeugungen eine stabilisierende Funktion für eine Organisation haben, dann müssen diese auch „an sich“ begründet werden und dürften nicht ausschließlich instrumentellen Zwecken unterliegen. Ohne eine Integration des Wandels in die geteilten Werte und Überzeugungen und ohne die Reflexion der Grundannahmen sei nur eine Veränderung der „Oberfläche“ zu erwarten.

Veränderungsdruck von außen trifft auf Grundüberzeugungen  

Von großer Bedeutung als Auslöser sieht Widuckel externe Impulse. Hinzu komme, dass die Reflexion und Veränderung der kulturellen Tiefenstruktur Zeit und oft auch personelle Veränderungen in Spitzenpositionen benötige. Dies wiederum setze den Veränderungsprozess wechselnden internen und externen Impulsen aus, sodass Planbarkeit nur bedingt gegeben sei. Dies stelle Unternehmen vor ein Dilemma: Eine wachsende Umweltdynamik beschleunige Impulse zum Wandel. Diese Impulse treffen insbesondere bei sogenannten starken Unternehmenskulturen, die sich ihrer Grundüberzeugungen und Werte sehr sicher sind. Lernfähigkeit und Veränderungsbereitschaft seien deshalb wesentliche Voraussetzungen zur Überwindung dieses Dilemmas. Hierzu zähle dann aber auch, mögliche Befürchtungen und Widerstände nicht einfach auszublenden, sondern in den Grundannahmen zu berücksichtigen.


Zum Hintergrund: Prof. Dr. Werner Widuckel  lehrt Personalmanagement an der Universität Erlangen-Nürnberg. Als Vorstandsmitglied der Audi AG war er bis 2010 verantwortlich für Personal- und Sozialwesen. Den kompletten Beitrag finden Sie in Personalmagazin Ausgabe 4/2015.

Haufe Online Redaktion, dpa

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