Kommunikationskompetenz dank Avatar
Was in der Pilotenausbildung längst erprobt ist, könnte künftig auch für die Personalarbeit relevant werden: computergestützte Simulationen. Virtuelle Flugstunden sollen bei angehenden Piloten die Souveränität in realen Gefahrensituationen fördern. So soll auch ein experimentelles Trainingsprogramm der Universität Saarbrücken künftig Ängste nehmen: Entwickelt haben die Forscher eine Computersimulation, mit der speziell junge Berufseinsteiger auf Bewerbungsgespräche vorbereitet werden sollen.
Gespräch mit dem HR-Avatar
Das Forscherteam aus Informatikern, Psychologen und 3D-Grafikern hat unter dem bezeichnenden Projekttitel "Empathische Trainingsbegleiter für den Bewerbungsprozess" (Empat) eine Simulationsumgebung konzipiert, in der Mensch und Maschine miteinander in Dialog treten können. Der Gesprächspartner, der dem Nutzer dabei gegenüber sitzt, ist ein sogenannter Avatar - die virtuelle Nachahmung eines menschlichen Charakters: So begegnet man beim Empat-Vorstellungsgespräch auf dem Fernsehschirm am anderen Ende des Tisches etwa Frau Wagner, einer jungen virtuellen Personalchefin mit himmelblauen Augen. Der Bildschirm bleibt allerdings der deutlichste Hinweis auf die Künstlichkeit der Situation: Das simulierte Bewerbungsgespräch folgt ansonsten dem traditionellen Schema von Kennenlernen, Firmenvorstellung sowie der Erörterung von Stärken und Schwächen des Kandidaten.
Adaptives Feedback durch Kommunikationsanalyse
Interaktiv wird die Unterhaltung zwischen Mensch und Maschine durch die Echtzeit-Analyse von sozialen und emotionalen Signalen: Mittels Hardwaresensoren registriert der Computer die nonverbalen Kommunikationssignale des Gegenübers - etwa die Aufnahme von Blickkontakt, charakteristische Augenbewegungen oder Hand- und Körperhaltung sowie Mimik und Gestik. Aus diesen Informationen werden dann in Echtzeit passende Reaktionen berechnet, die der Avatar als ein visuelles Emotions-Feedback wiedergibt.
Auch Simulationen können echte Stresssituationen sein
Ziel des Empat-Projektes ist es, die simulierte Bewerbungssituation derart realistisch zu gestalten, dass gerade Jugendliche mit geringer Schul- oder Berufsbildung für den Ernstfall trainieren können. Das scheint zu gelingen: Sowohl die Erfahrungen aus dem Vorgängerprojekt "Tardis", das in Frankreich bereits praktisch umgesetzt wurde, als auch die Ergebnisse einer erste Studie mit 52 Teilnehmern sind vielversprechend. Die vornehmlich jungen Projektteilnehmer zeigten beim Gespräch mit dem virtuellen Avatar dieselben Stresssymptome, die auch in realen Bewerbungssituationen festzustellen sind.
Grundlagenforschung und praxisnahe Selbstreflexion
Neben der Hauptintention des Projekts, die Bewerber an Bewerbungssituationen zu gewöhnen, wird somit ebenfalls Grundlagenforschung unter beinahe authentischen Bedingungen möglich: Auf der einen Seite entsteht ein umfangreiches Datenarchiv nonverbaler Kommunikationssignale und Verhaltensmuster. Auf der anderen Seite kann das Empat-System aber ebenso genutzt werden, um die Wirkung spezieller Kommunikationsstrategien wissenschaftlichen zu prüfen.
Doch nicht nur Berufsanfänger und Forscher können mit dem virtuellen Trainingstool ihr kommunikatives Wissen erweitern, auch langjährige HR-Praktiker können profitieren - schließlich besteht auch für Personaler die Möglichkeit, dem Bewerbungsavatar als Kandidat gegenübertreten. Dieser Rollentausch ermöglicht es, auch einmal die andere Perspektive einzunehmen und der eigenen Funktion im selbstreflexiven Gedankenexperiment zu begegnen. So kann die Fähigkeit zur Empathie gestärkt und die Gesprächskultur letztlich verbessert werden.
Mensch-Technik-Interaktion: Licht und Schatten
Gefördert wird das Empat-Projekt in den nächsten drei Jahre durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Mit dem Empat-Projekt werden die Forschungsbemühungen zur Mensch-Technik-Interaktion fortgesetzt, an der auch in anderen Ländern intensiv geforscht wird – beispielsweise am MIT, das bereits mit dem Projekt "My Automated Conversation Coach" (MACH) ähnliche Intentionen verfolgte.
Doch auch diese Faszination hat Schattenseiten, wie eine Studie der Universität Witten/Herdecke (UW/H) nahelegt: Bei allzu intensiver Auseinandersetzung mit Avataren sollten Personaler aufpassen, dass das Roboterhafte nicht auch auf die eigene Person abfärbt.
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