Ein Rentner für das Startup
Haufe Online-Redaktion: Herr Thumm, seit wann gibt es Ihr Startup Antelope?
Patrick Thumm: Wir haben uns vor knapp drei Jahren gegründet. Am Anfang ging es uns hauptsächlich darum, das Produkt weiterzuentwickeln, da es sich um eine technologische Neuheit handelt. Die Basistechnologie – die Elektromuskelstimulation (EMS) – ist zwar schon existent, aber für unseren Ansatz, diese mobil zu machen, sind viele Entwicklungen notwendig. Alles muss kleiner werden, wir brauchen spezielle Elektroden und schnelle Leiterbahnen, eine sinnvolle Steuerung über eine App und mittelfristig eine Betreuung unserer Nutzer über eine Online-Plattform. Deshalb haben wir uns in den ersten sechs Monaten zu hundert Prozent auf die Entwicklung konzentriert und keine größeren Gedanken an die Buchhaltung verschwendet.
Haufe Online-Redaktion: Wann stellten Sie dann fest, dass auch Themen wie Buchhaltung und Rechnungswesen wichtig sind, damit das Unternehmen funktioniert?
Thumm: Grundsätzlich ist uns natürlich klar, dass die buchhalterischen Themen essentiell sind. Aber wie gesagt standen anfangs andere Themen im Vordergrund. Dazu kam, dass wir Antelope zu Dritt gegründet haben und zunächst nur sehr wenige Mitarbeiter hatten. Zu diesem Zeitpunkt war der Verwaltungsaufwand noch vergleichsweise gering. Im Herbst 2015 haben wir unsere Crowdfunding-Kampagne gestartet, bei der es darum ging, innovative Produkte im Vorverkauf anzubieten. Dadurch haben wir in kurzer Zeit recht große Umsätze generiert und mussten uns Gedanken machen, diese Umsätze auch korrekt abzurechnen. Zudem haben wir zu diesem Zeitpunkt schon deutlich mehr Mitarbeiter eingestellt, die natürlich auch verwaltet werden mussten.
Haufe Online-Redaktion: Wer hat sich darum gekümmert?
Thumm: Wir hatten anfangs eine Mitarbeiterin, die in Teilzeit alle Backoffice-Themen organisiert und mit dem Steuerberater kommuniziert hat. Aber diese hat uns nach einer Weile verlassen, weil sie Nachwuchs bekommen hat. Auch weitere Versuche, jemanden in diesem Bereich dauerhaft an uns zu binden, haben nicht funktioniert.
Haufe Online-Redaktion: Wie kamen Sie auf die Idee, einen Rentner mit Erfahrung einzustellen?
Thumm: Wir haben überlegt, wie wir am besten jemanden mit viel Erfahrung finden, der genug Zeit, Lust und Eigenmotivation besitzt, die gesamten Themen abzudecken. Gleichzeitig sollte diese Person aber nicht zu teuer sein, denn ein Startup hat keine allzu großen finanziellen Mittel. Da kamen wir auf die Idee, einen Rentner anzusprechen, der früher in diesem Bereich gearbeitet hat und nun nach einer Möglichkeit sucht, auch im Ruhestand seine Erfahrungen weiterzugeben und beruflich aktiv zu bleiben. Ideal wäre zum Beispiel ein ehemaliger Abteilungsleiter, der diesen Bereich auch bei uns leiten kann, aber dennoch nicht das Gehalt eines Top-Buchhalters verlangt. Dann habe ich von dem Portal Rentarentner.de gehört. Also inserierte ich dort den Job und schrieb zusätzlich einige Jobsuchende an. Nach einiger Zeit meldete sich Bernd Lehmann. Er war früher bei einer Bank tätig und hat jahrelang als Filialleiter gearbeitet. Er ist ein sehr aktiver Mensch, ist immer gut gelaunt und geht ohne Berührungsängste auf die jüngeren Mitarbeiter aus unterschiedlichen Teilen der Welt zu. Er bringt genau die Fähigkeiten mit, die wir gesucht haben.
Haufe Online-Redaktion: Wie ist Herr Lehmann heute in Ihr Unternehmen eingebunden?
Thumm: Bernd ist mittlerweile seit vier Monaten stundenweise bei uns. Aufgrund seiner vielen zusätzlichen Verpflichtungen und Engagements ist er in Teilzeit angestellt und hilft uns in dieser Zeit, wo immer er kann. Er ist unter anderem ehrenamtlich tätig und macht sehr viel Sport. Deshalb hat er etwas gesucht, was seinen Fähigkeiten entgegenkommt, ihm aber immer noch die Zeit lässt, seinen Leidenschaften nachzugehen. Unser Unternehmen sitzt in Frankfurt am Main. Bernd wohnt einige Kilometer entfernt und kommt zweimal in der Woche zu uns ins Büro. Er findet unsere Produktidee überzeugend und ist dadurch in allen Belangen sehr engagiert. Er erledigt unsere gesamte Buchhaltung, die Kommunikation mit dem Steuerberater und zahlreiche Personalthemen. Und dank seiner Erfahrung bringt er sich auch in viele andere Themen sinnvoll mit ein. Er ist ein Buchhalter mit Leib und Seele.
Haufe Online-Redaktion: Was sagen Ihre Mitarbeiter und Gründungskollegen dazu, dass Sie als junges Startup nun einen Senior in Ihren Reihen haben?
Thumm: Bernd ist ein sehr aufgeschlossener und sympathischer Mensch und kam dadurch bei allen Kollegen von Anfang an sehr gut an. Auch dass er ein Senior ist und seinen großen Erfahrungsschatz mit einbringt, wird von allen Seiten sehr begrüßt. Gerne erzählt er auch interessante Anekdoten aus seinem Leben und steckt seine Zuhörer mit seiner Begeisterung an.
Haufe Online-Redaktion: Herr Lehmann, wie kamen Sie auf die Idee, als Rentner ihre Arbeitskraft über ein Online-Portal anzubieten?
Bernd Lehmann: Ich habe ganz einfach eine neue Herausforderung gesucht. Per Zufall bin ich dann auf die Plattform Rentarentner.de gestoßen, als ich nach „Jobs“ und „Teilzeit“ gesucht habe. Für mich war wichtig, dass die neue Aufgabe auch zeitlich passt. Es sollte ja kein Vollzeitjob werden. Die Annonce von Antelope war meine Herausforderung. Diese war fast wie auf mich zugeschnitten, weil die Anforderungen meiner langjährigen Berufserfahrung entsprachen.
Haufe Online-Redaktion: Früher waren Sie in einer Bank tätig, jetzt sind Sie in einem Startup beschäftigt. Da gab es sicher einige kulturelle Unterschiede?
Lehmann: Das war die Herausforderung an dem Ganzen. Die kulturellen Unterschiede sind ziemlich groß. Hier bei Antelpoe ist der Umgangston sehr locker und trotzdem zielgerichtet. Das Team will etwas erreichen, etwas bewirken, das spürt man. Drei der jungen Mitarbeiter sind zusammengenommen so alt wie ich. Die Umgangssprache und Korrespondenz sind auf Englisch. Anfangs war ich etwas skeptisch, ob ich mit der anderen Arbeitskultur und der Aufgabe zurechtkomme. Aber das Wissen um Bilanzierungen ist einfach da – so, als wäre ich nie aus dem Beruf draußen gewesen.
Haufe Online-Redaktion: Das Unternehmen kann, wie Herr Thumm schon gesagt hat, von Ihren Erfahrungen profitieren. Was können Sie von den jungen Kollegen lernen?
Lehmann: Das sind vor allem die Lockerheit und die moderne Sprache. Ganz toll ist auch der Einblick, den ich hier in die EDV bekomme. Was es da an Anwendungen und Hilfsprogrammen gibt, beispielsweise für Englisch-Übersetzungen, ist super. In der Bank ist ein Programm vorgegeben, von dem man geführt wird. Hier lerne ich EDV-Programme und Anwendungsmöglichkeiten kennen, die ich dann mit Hilfe der jungen Kolleginnen und Kollegen einsetze.
Haufe Online-Redaktion: Herr Thumm, haben Sie Pläne, weitere Positionen mit einem Rentner zu besetzen?
Thumm: Wir sind eine Tech-Company, die neben der Hardware-Entwicklung hauptsächlich im Online- und Software-Bereich aktiv ist. Die aktuell offenen Stellen sind daher ebenfalls aus diesen Bereichen. Dafür suchen wir in erster Linie junge und motivierte Leute – gerne auch direkt von der Uni –, die unser Unternehmen unter Einbeziehung der neusten technischen Trends langfristig vorwärtsbringen. Für die Führungspositionen benötigen wir auch Personen mit Berufserfahrung, die viel Know-how rund um die neuesten technischen Entwicklungen und Standards mitbringen. Aber grundsätzlich wird der Bereich Buchhaltung natürlich auch ein immer größeres und wichtigeres Thema werden. Wir sind Anfang 2017 mit unseren ersten Produkten auf den Markt gegangen und zählen derzeit rund 25 Teammitglieder. Wenn sich die Firma weiter so positiv entwickelt wie bisher, werden wir sicher bald weitere Leute brauchen, welche den zunehmenden Verwaltungsaufwand stemmen. Dann kann es gut sein, dass wir uns nochmals nach einem Rentner umschauen.
Das Interview führte Daniela Furkel.
Patrick Thumm ist Mitgründer, Chief Sports Officer & Personalleiter bei Antelope (antelope.club). Das Startup entwickelt eine Plattform für Fitness und Gesundheit, basierend auf der EMS-Technologie (Elektrische Muskelstimulation).
Bernd Lehmann ist früherer Filialleiter einer Bank und unterstützt seit vier Monaten das Startup Antelope mit seinem Bilanzierungswissen.
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