Was bringen verdeckte Stellenanzeigen?
Stellenanzeigen gehören nach wie vor zu den wichtigsten Instrumenten des Personalmarketings. Sie informieren potenzielle Bewerber über vakante Arbeitsplätze, die zugehörigen Anforderungsprofile sowie spezifische Merkmale eines Arbeitgebers. Eine vergleichsweise selten eingesetzte Spielart sind verdeckte Stellenanzeigen, bei denen der Arbeitgeber anonym bleibt. In einer empirische Studie haben wir überprüft, wie dies bei Bewerbern ankommt.
Ziel: mehr geeignete Bewerber
Ziel des Personalmarketings ist es, potenzielle Bewerber auf eine vakante Stelle aufmerksam zu machen und zu einer Bewerbung zu animieren. Dabei ist die Menge der Bewerber weniger wichtig als die Zusammensetzung des Bewerberpools. Der prozentuale Anteil geeigneter Kandidaten soll maximiert und damit gleichzeitig der Anteil ungeeigneter Kandidaten minimiert werden.
Professionelles Personalmarketing sorgt also dafür, dass geeignete Personen sich zahlreicher bewerben und ungeeignete von einer Bewerbung abgeschreckt werden. Je besser dies gelingt, desto günstiger sind die Ausgangsbedingungen für das anschließende Auswahlverfahren, bei dem es letztlich darum geht, im Pool der Bewerber die am besten geeigneten Personen zu finden.
Stellenanzeige oft der erste Kontakt zum Unternehmen
Die Stellenanzeige stellt dabei meist den ersten Kontakt zwischen einem potenziellen Bewerber und dem Arbeitgeber dar. Der Arbeitgeber macht auf sich aufmerksam, stellt die Inhalte und Anforderungen der vakanten Stelle dar und preist die eigenen Vorzüge an. Qualifizierte Bewerber, bei denen so Interesse geweckt wurde, besuchen anschließend die Website des Arbeitgebers und recherchieren im Internet nach weitergehenden Informationen, ehe sie sich für oder gegen eine Bewerbung entscheiden.
Soweit das übliche Vorgehen. Manche Stellen werden jedoch verdeckt ausgeschrieben. Hier erhält der potenzielle Bewerber keine Informationen darüber, wer der Arbeitgeber ist und findet lediglich Infos zur Stelle und den Anforderungen. Bestenfalls wird allgemein über die Merkmale des Arbeitsgebers berichtet. Eine tiefergehende Recherche ist für interessierte Bewerber nicht möglich. Sie müssen ihre Bewerbungsunterlagen zu einem Serviceanbieter senden und erfahren erst im zweiten oder dritten Schritt – bei der Einladung zum Einstellungsinterview oder nach dem Interview – welches Unternehmen sich hinter der Stellenanzeige verbirgt.
Gründe für verdeckte Stellenanzeigen aus Sicht der Arbeitgeber
Aus Sicht des Arbeitgebers gibt es mehrere pragmatische Gründe, einen solchen Schritt zu gehen:
- Man möchte eine Stelle neu ausschreiben, die derzeit noch besetzt ist, und der Stelleninhaber weiß nicht, dass man sich bald von ihm trennen wird.
- Die Branche hat einen schlechten Ruf, der Arbeitgeber bietet aber durchaus attraktive Arbeitsplätze und fürchtet, dass das Image der Branche gute Bewerber von vornherein abschreckt.
- Das Unternehmen hat kürzlich negative Schlagzeilen produziert und fürchtet, dass gute Bewerber sich ihre Stellenanzeigen erst gar nicht durchlesen.
Auch wenn es aus Arbeitgebersicht nachvollziehbare Gründe für ein solches Vorgehen geben mag, stellt sich die Frage, wie potenzielle Bewerber auf verdeckte Stellenanzeigen reagieren. Kann es gelingen, mittels verdeckter Anzeigen gute Bewerber anzusprechen?
Online-Experiment zu verdeckten Stellenanzeigen
Zur Untersuchung dieser Fragestellung haben wir ein Online-Experiment gemacht. Potenziellen Bewerbern wurde zunächst per Zufall eine von zwei Stellenanzeigen vorgelegt. Die offene Stellenanzeige bezog sich auf ein Traineeprogramm eines imaginären Automobilherstellers, der in Deutschland ansässig ist und weltweit agiert. Neben einer Schilderung der Inhalte des Traineeprogramms wurden die Erwartungen des Unternehmens an künftige Mitarbeiter beschrieben. Zudem wurde eine Ansprechpartnerin für Rückfragen genannt und auch der Link zum unternehmenseigenen Bewerbungsportal veröffentlicht.
Bei der verdeckten Stellenanzeige waren fast alle Inhalte identisch. Ausnahme: Der Name des Unternehmens wurde nicht genannt. Zudem saß die Ansprechpartnerin in einer Personalberatungsfirma und die Bewerbung war ebenfalls an die Beratungsfirma – als Vermittler zwischen Bewerber und Arbeitgeber – zu senden.
Nachdem die Untersuchungsteilnehmer eine von beiden Anzeigen gelesen hatten, bearbeiteten sie einen Fragebogen, bei dem es zunächst um Fragen zur Attraktivität der Stelle und des Arbeitgebers ging. Darüber hinaus wurden sie unabhängig von der konkreten Stelle nach ihren Erfahrungen und Meinungen zu verdeckten Stellenanzeigen gefragt. Den Abschluss bildeten Fragen zur Demografie (Geschlecht, Alter, Studienfach).
Die Befragung erfolgte anonym und freiwillig. Es wurde kein Honorar gezahlt.
Die nachfolgend beschriebenen Ergebnisse beziehen sich auf insgesamt 192 Personen (36 Prozent männlich, 64 Prozent weiblich; Durchschnittsalter 24 Jahre; Höchstalter 29 Jahre). Jeweils die Hälfte dieser Stichprobe bekam die offene beziehungsweise die verdeckte Stellenanzeige vorgelegt.
Vergleich zwischen offenen und verdeckten Anzeigen: Interesse sinkt deutlich
Zunächst erfolgt ein direkter Vergleich zwischen offenen und verdeckten Stellenanzeigen. Hierbei zeigen sich mehrere signifikant negative Effekte der verdeckten Stellenanzeige (p < .05): Potenzielle Bewerber interessieren sich signifikant weniger für das Unternehmen, wenn es verdeckte Stellenanzeigen einsetzt. Man möchte dort weniger gern arbeiten und würde auch ein späteres Stellenangebot mit geringerer Wahrscheinlichkeit annehmen. Bei der Frage, ob man sich bewerben würde, findet sich kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Stellenanzeigen, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass international agierende Automobilunternehmen insgesamt betrachtet eher attraktive Arbeitgeber sind.
Befragt nach ihren eigenen Erfahrungen und grundsätzlichen Bewertungen geben 55 Prozent aller Probanden an, dass sie sich nicht auf verdeckte Stellenanzeigen bewerben würden. Dabei sind weniger als ein Drittel der Untersuchungsteilnehmer im Rahmen ihrer eigenen Stellensuche schon einmal auf verdeckte Anzeigen gestoßen. Von der Gesamtstichprobe haben sich aber nur knapp zehn Prozent daraufhin auch beworben und nur in etwa zwei Prozent der Fälle kam es darüber hinaus zu einem Arbeitsverhältnis, nachdem den Bewerbern die Stelle angeboten wurde.
Verdeckte Stellenanzeigen sind keine attraktive Alternative
Unsere Studie zeigt, dass – zumindest bei jüngeren Bewerbern – verdeckte Stellenanzeigen keine attraktive Alternative darstellen. Zwar lehnen viele potenzielle Bewerber grundsätzlich eine Bewerbung nicht ab, das Unternehmen erscheint ihnen aber insgesamt weniger attraktiv, wenn es mit verdeckten Stellenanzeigen arbeitet.
Manche Studien zeigen zudem, dass hoch qualifizierte Bewerber verdeckten Stellenanzeigen mit mehr Skepsis begegnen. Geringer qualifizierte Bewerber sehen hierin vielleicht eher eine Chance, überhaupt eine Stelle zu bekommen. Hierdurch wird das eigentliche Ziel des Personalmarketings – den Anteil geeigneter Personen im Bewerberpool zu maximieren – konterkariert. Viele Personen werden aus prinzipiellen Erwägungen vor einer Bewerbung zurückschrecken und zusätzlich sinkt der Anteil qualifizierter Kandidaten im Bewerberpool, wodurch sich die Ausgangsbedingungen für die Personalauswahl verschlechtern. Die meisten Unternehmen dürften sich dies in Zeiten eines zunehmenden Fachkräftemangels kaum erlauben können.
Drei Erkenntnisse, wie Stellenanzeigen gestaltet sein sollten
Studien, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Stellenanzeigen gestaltet sein sollten, damit der Arbeitgeber attraktiv erscheint, fördern insbesondere drei wichtige Erkenntnisse zutage:
Erstens: Bewerber honorieren differenzierte Darstellungen des Arbeitgebers, der Stelle und ihrer Anforderungen. Die Information, dass ein Trainee über Leistungsmotivation verfügen muss oder ein Außendienstmitarbeiter soziale Kompetenzen aufweisen sollte, hilft potenziellen Bewerbern bei der Entscheidung, ob sie sich bewerben sollen, ebenso wenig weiter wie dem Arbeitgeber bei der Personalauswahl. Es handelt sich um Allgemeinplätze, die in jeder alternativen Stellenanzeige ebenfalls zu finden sind. Besser wäre es genau darzulegen, was Leistungsmotivation oder Sozialkompetenzen im betreffenden Unternehmen und auf der vakanten Stelle konkret bedeuten. Das Gleiche gilt für eine exakte Beschreibung der Arbeitsaufgaben sowie der Merkmale des Unternehmens. All dies muss nicht zwangsläufig in der Stellenanzeige erfolgen, eine Alternative wären entsprechende Informationen auf der Firmenwebsite.
Studienergebnisse: "Verdeckte Stellenanzeigen sind nicht attraktiv. Sie bieten Bewerbern keine differenzierte Möglichkeit zur Selbstselektion."
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Zweitens: Fakten sind wichtiger als Werte. Viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren Unternehmenswerte gegeben und vermarkten diese offensiv nach außen. Mehrere Metastudien aus dem Personalmarketing zeigen allerdings, dass die Attraktivität eines potenziellen Arbeitgebers durch die Präsentation von Fakten – Angaben zu Gehalt, freiwilligen Sozialleistungen, Aufstiegsmöglichkeiten und so weiter – stärker beeinflusst wird als durch Hinweise auf Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung oder Kollegialität. Werte gewinnen erst dann an Bedeutung, wenn alternative Arbeitgeber sich im Hinblick auf die Fakten nicht mehr unterscheiden.
Studienergebnisse: "Gering qualifizierte Bewerber und Zocker lassen sich von verdeckten Stellenanzeigen nicht unbedingt abschrecken. Sie sind indes nicht unbedingt die Mitarbeiter, die sich Arbeitgeber wünschen."
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Drittens: Die Angaben müssen glaubwürdig sein. Bewerber sind offenbar kritischer als herkömmliche Kunden. Während man sich in der Produktwerbung leicht von schönen Bildern und Versprechungen ködern lässt, hinterfragen Bewerber die Selbstpräsentation der Arbeitgeber weitaus kritischer. Wer als offenkundig unattraktiver Arbeitgeber durch flotte Sprüche und Hochglanzbilder von glücklichen Mitarbeitern punkten will, zieht vor allem naive Zeitgenossen an, während er qualifizierte Personen eher abschreckt.
Verdeckte Stellenanzeige für Hochqualifizierte nicht attraktiv
All dies erklärt, warum verdeckte Stellenanzeigen weniger attraktiv sind. Statt Bewerbern eine differenzierte Möglichkeit zur Selbstselektion zu bieten (Erfüllt der Arbeitgeber meine Bedürfnisse? Will ich dort arbeiten? Lohnt eine Bewerbung?) bleibt der Arbeitgeber im Nebulösen. Zudem nimmt er potenziellen Bewerbern die Chance, sich online weiter über das Unternehmen zu informieren. Gering qualifizierte Bewerber und Zocker mag dies wenig kümmern. Sie sind indes nicht unbedingt die Mitarbeiter, die sich ein Arbeitgeber wünscht.
Die Autoren:
Prof. Dr. Uwe P. Kanning ist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück
Steffen Bröckelmann-Bruns studiert Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in Personalmagazin 4/2018.
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