Workation im Startup: Im Winter ziehen die Mitarbeiter nach Südafrika
Haufe Online-Redaktion: Wie ist das Wetter bei Ihnen?
Jenny: Es ist wunderschön hier in Kapstadt. Wir sitzen hier in einem Co-Working-Space in Greenpoint, das ist sehr zentral und nah am Wasser. Meist scheint die Sonne, es ist zwischen 30 und 35 Grad warm. Wenn ich morgens um 6 Uhr joggen gehe, ist es schon sonnig und ich werde braun. Es ist ein Traumwetter.
Haufe Online-Redaktion: Wie kam Ihr Unternehmen auf die Idee, die Arbeit für zwei Monate nach Südafrika zu verlegen?
Jenny: Die Idee kam unserem Head of Sales und mir gemeinsam. Er berichtete vom Aufenthalt einiger Kollegen in Südafrika und davon, dass er es sich in Zukunft gut vorstellen könnte, den Winter in Afrika und den Sommer in Berlin zu verbringen. Für mich klang das perfekt. Denn bevor ich meine Stelle im Unternehmen antrat, hatte ich geplant, für eine Weiterbildung ins Ausland zu gehen. Ich entschied mich für den Job, obwohl ich dadurch nicht mehr reisen konnte. Wir informierten uns über Länderspezifika und Preise – und präsentierten unsere Idee der Workation unseren Firmengründern. Diese sind generell offen für alle Ideen, die Mitarbeiter einbringen. Es gab natürlich einige Fragen: Welche Auswirkungen könnte das auf Klienten und Teams haben? Welche Grundregeln müssen aufgestellt werden? Wer übernimmt welche Kosten? Als diese Fragen geklärt waren, bekamen wir das Okay.
#Arbeitsurlaub Südafrika mit @99chairs - Jeder Mitarbeiter durfte für sich entscheiden, ob er seine Arbeit auch in Kapstadt ausüben kann und will. #demdeutschenWinterentfliehen
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Haufe Online-Redaktion: Wahrscheinlich kann nicht jeder in Ihrem Unternehmen ortsunabhängig arbeiten. Für welche Mitarbeiter galt das Angebot, in Kapstadt zu arbeiten?
Jenny: Das ging generell an alle Mitarbeiter. Wir haben auch flexible Arbeitszeiten und Homeoffices. Dabei gilt immer das Prinzip, dass jeder für seine Entscheidung Verantwortung übernimmt. Wer sagt: "Ich kann auch von Kapstadt aus arbeiten", darf gehen. Wer feststellt: "Ich kann das nicht, weil ich in der Zeit ein Projekt habe", geht nicht. Wir haben uns lange darüber ausgetauscht, ob das fair ist. Aber unser Prinzip ist, dass jeder Mitarbeiter Ideen einbringen kann. Die Workation war eine Idee von mehreren. Wir haben auch Yoga oder andere Reisen im Angebot. Nicht jeder wird immer alles machen können. Es gibt auch Mitarbeiter, die das nicht wollen. Aber tatsächlich ist rund die Hälfte der Company mit nach Kapstadt gekommen.
Rund 25 Mitarbeiter gingen mit 99 Chairs auf die Reise
Haufe Online-Redaktion: Wie viele Mitarbeiter sind das?
Jenny: Rund 25 Mitarbeiter. Nicht alle sind die ganze Zeit vor Ort. Wir haben den Workation-Aufenthalt auf maximal zwei Monate begrenzt. Manche Teams haben sich so organisiert, dass eine Gruppe für vier Wochen nach Kapstadt geht und danach die andere Gruppe, damit immer jemand in Berlin ist. Wir arbeiten auch sehr kooperativ. Wenn jemand etwas nicht machen kann, dann übernimmt das jemand anderes. Es läuft viel über Vertrauen und Absprachen. Bislang bin ich absolut begeistert, weil alles sehr gut funktioniert.
Haufe Online-Redaktion: Die Mitarbeiter sammeln bei diesem Aufenthalt sicherlich viele neue Erfahrungen. Aber was ist der Benefit für das Unternehmen?
Jenny: Basis der Vereinbarung war, dass die Qualität der Arbeit mindestens gleich, wenn nicht besser sein soll. Die Workation bringt viele Vorteile mit sich. Erstens ist es bewiesen, dass ein Tapetenwechsel die Kreativität und Produktivität steigert. Wer einen neuen Blickwinkel einnimmt, kann anders arbeiten. Das hat sich bei uns bestätigt: Wir arbeiten schneller und produktiver als wir gedacht hätten. Zweitens werden auch das Miteinander und die Zusammenarbeit gestärkt. Im normalen Arbeitsalltag geht vieles unter. Hier unternehmen wir viel zusammen und lernen uns ganz anders kennen. Der dritte Punkt ist die Mitarbeiterbindung: Die junge Generation will flexibel sein und wechselt schnell den Arbeitgeber, wenn dieser wenige Möglichkeiten bietet. Wir bieten absolute Flexibilität in der Arbeitsplatzgestaltung. Indem wir ein Arbeitsleben mit Reisen ermöglichen, können wir Talente auch langfristig an uns binden. Aber unsere Firmenkultur sieht auch vor, dass nicht alles, was wir machen, nur für den Benefit des Unternehmens sein soll. Wir sind Freunde und wollen eine schöne Zeit miteinander haben.
Drei Grundregeln gelten für die Workation
Haufe Online-Redaktion: Welche grundlegenden Regeln haben Sie für die Workation aufgestellt?
Jenny: Es gibt drei Grundregeln. Regel eins betrifft die bereits erwähnte Verantwortlichkeit. Jede Entscheidung – ob und wie lange ich mitkomme – muss verantwortlich getroffen werden. Sie muss immer das Team und den Klienten vorn anstellen. Die zweite Regel besagt, dass die Kundenzufriedenheit nicht leiden darf. Wir müssen genauso erreichbar sein wie in Berlin. Das ist in Kapstadt ideal, weil wir hier keine Zeitverschiebung haben. Eine weitere Voraussetzung ist eine schnelle Internetverbindung. Wir glauben an digitale Kommunikation und wollen allen Herausforderungen so begegnen, als ob wir in Berlin sitzen würden. Die dritte Regel lautet "Business as Usual". Entscheidungen dürfen in den zwei Monaten nicht verschoben werden, die Produktivität darf nicht heruntergefahren werden.
Bessere Zusammenarbeit, gesteigerte Produktivität
Haufe Online-Redaktion: Was haben Sie vom Projekt Workation gelernt?
Jenny: Ich bin seit Silvester in Kapstadt und positiv überrascht. Es war ein gewisses Risiko und es gab auch einige negative Stimmen im Unternehmen. Aber wir haben uns auf das Positive konzentriert und versucht, am Negativen zu arbeiten. Das hat sehr gut geklappt. Für mich kann ich sagen, dass Arbeitsbeziehungen, die vorher nicht ganz so rund liefen, heute viel besser sind, weil wir hier ein intensives Miteinander erleben. Auch meine Produktivität hat zugenommen. Durch die andere Arbeitsumgebung und den zielgerichteten Austausch habe ich viel Zeit gewonnen. Allerdings ist die Technologie noch zu verbessern. Es ist ein Lernprozess. Als meine Mitarbeiter sagten, dass sie sich nicht mehr richtig angebunden fühlten, haben wir Kameras installiert, mit denen sie das gesamte Büro sehen können. Wir richteten Channels in unserem Chat-Programm ein, in denen wir täglich Fotos austauschen. Auch die Mikrofone haben wir optimiert, als wir merkten, dass in großen Teammeetings nicht alles richtig verstanden wurde.
#Arbeitsurlaub Südafrika mit @99chairs: Wenn die Recruiterin für zwei Monate nach Kapstadt geht, stellen sich die Bewerber im Video-Interview vor und sehen sonnige Bilder aus #Südafrika.
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Haufe Online-Redaktion: Als Head of People & Culture führen Sie vermutlich auch Vorstellungsgespräche. Wie handhaben Sie das aus der Ferne?
Jenny: Persönlich geht das nicht, aber über Video. Video-Interviews sind sowieso ein fester Bestandteil in unserem Recruiting-Prozess. Wir haben einen Team-Recruiting-Prozess installiert, der mehrere Schritte beinhaltet. Der erste Schritt sieht immer ein Video-Interview vor. Das haben wir schon in Berlin so gehandhabt. Im zweiten Schritt laden wir die Person dann in unser Unternehmen ein. Unsere Recruiterin ist auch mit nach Kapstadt gekommen. Es ist toll, wenn die Bewerber im Video sehen, wie sie strahlend und braungebrannt in der Sonne sitzt und von ihrer Arbeit in Kapstadt berichtet. Das hat eher einen positiven Effekt.
Haufe Online-Redaktion: Gibt es schon Ideen oder Pläne für ähnliche Projekte im nächsten Winter?
Jenny: Wir haben beschlossen, dass die Workation zunächst ein Pilotprojekt sein soll. Wir testen acht Wochen lang, wie alles funktioniert. Nach dieser Zeit tragen wir unsere Learnings zusammen und blicken in die Zukunft. Bis jetzt läuft alles sehr gut und wir können uns vorstellen, das Workation-Projekt in Zukunft sogar auszudehnen.
Zur Person: Jenny ist Head of People & Culture beim Berliner Startup 99 Chairs, das professionelle Raumkonzepte entwirft, die an die jeweiligen Kundenbedürfnisse und Budgets angepasst sind.
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