Impulse und Ideen für eine Personalentwicklung der Zukunft

In einer immer schneller sich verändernden Unternehmenswelt muss sich auch die Personalentwicklung wieder neu ausrichten. Mehr Individualität und Eigenverantwortung sind gefragt. Christian Friedrich, Geschäftsführer Digital Learning Solution der Haufe Akademie, teilt seine Ideen für eine Personalentwicklung der Zukunft.

Wirtschaft, Unternehmen und Gesellschaft erleben im Moment eine der größten Veränderungen der jüngeren Geschichte. Und die Umbrüche sind teilweise radikal. Organisationen müssen neue Wege finden, mit diesen Anforderungen umzugehen. Kontinuierliche Weiterentwicklung und lebenslanges Lernen sind die Grundlage für Zukunftsfähigkeit. Vor allem gilt es, die Menschen in den Unternehmen zu befähigen, ihre persönliche Entwicklung eigenverantwortlich mitzugestalten und sie beim lebenslangen Lernen zu unterstützen – im Einklang mit den strategischen Unternehmenszielen. Mit anderen Worten: Die Personalentwicklung muss sich selbst weiterentwickeln, um auf der Höhe der Zeit zu agieren.

Bei den genannten Veränderungen und beim Übergang zu einer lernenden Organisation kommt der Personalentwicklung eine Schlüsselrolle zu. Denn sie hat den einen und einzigen Zweck, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern: indem sie daran mitarbeitet, die Personalstrategie an der Unternehmensstrategie auszurichten, die Veränderungen in Produktionsweise und Zusammenarbeit berücksichtigt und die kommenden Bedarfe in Bezug auf Wissen, Skills und Fähigkeiten antizipiert.

Personalentwicklung muss Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stärken

Bevor wir die Personalentwicklung der Zukunft skizzieren, ist es sinnvoll, einen Blick zurück zu werfen, um zu verstehen, wo die Personalentwicklung in den meisten Unternehmen heute steht und warum sie dort steht. Was in vielen Organisationen nach wie vor abgebildet wird, ist die Idee, leicht auswechselbare Ressourcen an die richtige Stelle zu bringen. Also ein Clustern von Mitarbeitenden auf bestimmte definierte Rollen- und Jobprofile – so zum Beispiel die "Projektmanager/innen", die "Vertriebler/innen" etc. - und dann einer rein darauf abgestellten rollenfokussierten Qualifizierung. Damit können Organisationen die Herausforderungen einer komplexen, sich schnell verändernden und unsicheren Welt allerdings nicht bewältigen.  

Personalentwicklung und Weiterbildung müssen individueller und personalisierter werden, so viel ist deutlich. Wir erleben einen Wandel der heute und zukünftig geforderten und notwendigen Kernkompetenzen und damit einhergehend einen grundlegenden Wandel von Aufgaben- und Kompetenzprofilen. Aber das stellt häufig die bisher etablierten Prozesse, Standards und Schulungsangebote auf den Kopf. Denn das bestehende System ist auf Masse ausgerichtet. Heute geht es leider in vielen Fällen noch immer darum, das bestehende Budget für Personalentwicklung auszuschöpfen, die entscheidende Kennzahl ist die Zahl der absolvierten Maßnahmen in Kombination mit der Anzahl von Mitarbeitenden, die Schulungen und Trainings besucht haben. Inwiefern das Ganze die tatsächlichen Lernbedarfe der einzelnen Mitarbeitenden trifft und sich damit kurz- und mittelfristig wirklich positiv auf Unternehmensziele und -strategie auswirkt, ist mindestens fraglich.

Die Personalentwicklung sollte in Zukunft Antworten vor allem auf diese Fragen geben:

  • Was benötigt der einzelne Mensch in der Organisation?
  • Was benötigen Teams?
  • Was wirkt in die Zukunft?
  • Welches ist der strategische Ansatz hinter den Maßnahmen?
  • Welche Regelmechanismen werden adressiert?

Ziel sollte es sein, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Mitarbeitenden für die eigene Entwicklung zu stärken. Nicht, um die Verantwortung für eine zielgerichtete Entwicklung einseitig bei den Mitarbeitenden abzulegen. Doch um das Ziel der "Lernenden Organisation" zu erreichen – eine Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg in der VUCA-Welt – müssen Unternehmen ein Umfeld schaffen, in dem Mitarbeitende fokussiert auf reale Aufgaben lernen wollen, dürfen und können.

Personalentwicklung muss individueller werden

Die meisten Menschen wollen lernen und sich entwickeln. Diese Überzeugung sollte Grundlage für die berufliche Weiterentwicklung sein. Die Realität in vielen Unternehmen hemmt aber die Lernfreude und den Entdeckergeist der Menschen. Weil sie nur lernen können und dürfen, was die Personalentwicklung zentral für richtig und nötig befunden hat, ungeachtet dessen, was die Einzelnen tatsächlich brauchen. "Lernen ist unmittelbar ans Leben gebunden", sagt der Neurowissenschaftler Gerald Hüther. Und damit an die konkrete Arbeit. Haben die Mitarbeitenden nicht die Möglichkeit, innerhalb des Unternehmens und bei der Arbeit zu lernen, tun sie es außerhalb. Doch was außerhalb des Unternehmens passiert, ist für das Unternehmen intransparent, nicht zu fassen und kann von der Personalentwicklung nicht gesteuert werden. Und Unternehmen, die nicht wissen, was jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin kann und lernt, kann aus diesem Wissen und den Fähigkeiten keinen Wert für das Unternehmen generieren. Zumindest nicht gezielt.

Personalentwicklung muss individueller werden, auf die Bedürfnisse und Interessen jedes Menschen in der Organisation eingehen und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass die Unternehmensziele und die Unternehmensstrategie im Blick bleiben. Es geht um zielgerichtetes Lernen – und das ausgerichtet am heutigen und zukünftigen Unternehmensziel sowie an den dynamisch sich wandelnden Marktanforderungen.

Individuen und Teams unterstützen, Verantwortung zu übernehmen

Das bedeutet einen enormen kulturellen Wandel für viele Unternehmen, in denen heute die Personalentwicklung das gewünschte beziehungsweise für nötig erachtete Skillset der Mitarbeitenden definiert. "Wir wissen, was Du brauchst", lautet die Devise. Doch dieser Ansatz reicht in der dynamischen und komplexen Welt nicht mehr aus. Seit Jahren wird intensiv darüber diskutiert, wie die Strukturen und Entscheidungswege in Unternehmen den Herausforderungen der VUCA-Welt angepasst werden müssen, um den Kundenerwartungen und Marktentwicklungen nicht hinterherzulaufen, sondern sie im besten Fall zu antizipieren. "Oben kann nicht mehr überblicken, was zu tun ist", meint der Autor und Vordenker der Digitalisierung Sascha Lobo. Deshalb wandern die Entscheidungsbefugnisse in immer mehr Unternehmen dorthin, wo Markt- und Kundennähe am größten und Entscheidungen unmittelbar wirksam sind: in die Teams. Deshalb geht es in der neuen Personalentwicklung nicht nur um den einzelnen Menschen, sondern auch und besonders um die Entwicklung und Unterstützung von Teams. Das ist eine enorm wichtige Seite von Personalentwicklung und bislang zu häufig noch nicht auf der Agenda.

Diese Unterstützung brauchen Individuen und Teams auch beim Lernen und der Entwicklung. Die Menschen in den Teams wissen besser als andere, welche konkreten Lern- und Entwicklungsbedarfe sie haben - insbesondere bezogen auf die täglich erlebten Herausforderungen im Zuge der realen Anforderungen. Top down allein funktioniert beim Lernen nicht mehr.

Personalentwicklung muss strategischer denken

Das bedeutet konkret: Unternehmen müssen ihr Weiterbildungsangebot permanent mit den Anfragen, Bedarfen und Wünschen der Mitarbeitenden und Teams abgleichen und prüfen, ob Angebot und Nachfrage passen. Die Menschen in der Personalentwicklung müssen sich in Zukunft stärker strategisch ausrichten und ihre Ziele und Handlungen aus der Kombination von Personal- und Businessstrategie der Organisation ableiten. Dabei gilt es, die Sicht des Managements und das Kundenwissen der Mitarbeitenden zusammenzuführen. Erst diese kombinierte Sicht ergibt ein stimmiges Bild. Die Kombination aus Unternehmensstrategie und dem Wissen der Mitarbeitenden hilft zudem, das Unternehmen langfristig attraktiv für Menschen zu machen, die an den Herausforderungen der Zukunft arbeiten möchten. Menschen arbeiten an ihrer Employability, das Unternehmen an seiner Employer Value Proposition.

Markt und Organisation in Übereinstimmung bringen

Ein Bild beschreibt das gut: Die Organisation mit ihren Menschen steht auf einer dynamischen Fläche, dem Markt. Sie braucht gute Sensoren, um zu merken, dass der Markt unter ihr sich bewegt, und wohin er sich bewegt. Gelingt das nicht, stehen alle auf einmal außerhalb des Marktes. Die Menschen mit ihrem Wissen über Kunden und Märkte verbinden das Unternehmen und den Markt. Das Unternehmen braucht Strukturen, die es möglich machen, dieses Wissen der Mitarbeitenden zu nutzen und die Marktbewegung mitzugehen. Diese Bewegung umfasst sowohl die Organisationsstruktur, als auch die Fähigkeiten, Skills und Kompetenzen der Mitarbeitenden sowie das Wissen, das sich in Produkten, Services und Leistungen abbildet.

Die entscheidende Frage für die Personalentwicklung lautet: Wie übersetzen wir das in eine Organisation? Wie entwickeln wir Kompetenzen im Zusammenspiel mit Strukturen, Technologie und den sich wandelnden Anforderungen? Diese Frage zu beantworten, ist die Aufgabe der Personalentwicklung. Allerdings kann sie diese Aufgabe heute (noch) nicht erfolgreich angehen, weil in den allermeisten Fällen HR und Personalentwicklung vom Business abgekoppelt sind. Es findet zu wenig Austausch statt oder das Standing der Personalentwicklung ist zu schwach. Zu oft stimmen die Wahrnehmung der Veränderungen "draußen" und die Maßnahmen "drinnen" nicht überein.

Personalentwicklung geht über "Personalentwicklung" hinaus

Personalentwicklung ist keine Unternehmensabteilung, Personalentwicklung ist eine Aufgabe. Eine Aufgabe, die über den "Personalentwicklung" genannten Bereich von HR weit hinaus reicht. Personalentwicklung ist etwas, das Führungskräfte und Mitarbeitende auch eigenverantwortlich mitgestalten und wahrnehmen müssen. Der Funktionsbereich Personalentwicklung muss sicherstellen, dass es entsprechende Mechanismen, Systematiken und Systeme gibt. Die Personalentwicklung ist verantwortlich dafür, dass Lerninhalte zur Verfügung stehen. Und die Personalentwicklung muss an einer Unternehmenskultur arbeiten, die arbeitsnahes Lernen, Wissensaustausch und selbstbestimmte Entwicklung überhaupt möglich macht.

So verstanden, bleibt die Personalentwicklung der Zukunft eine zentrale Funktion im Unternehmen. Sonst droht Wildwuchs, der verhindert, die Menschen über die Grenzen der Einheiten innerhalb einer Organisation hinweg zu entwickeln. Ein Unternehmen benötigt stringente, einheitliche Standards der Weiterbildung, die überall gelten – wenn man so will: Vereinheitlichung. Das entbindet jedoch die Führungskräfte und HR vor Ort nicht davon, in einem gewissen Rahmen selbst kreativ zu sein und Dinge zu entwickeln.


Das könnte Sie auch interessieren:

Top-Thema "Personalentwicklung digitalisieren": Grundlagen, Konzepte und Maßnahmen einer systematischen Personalentwicklung

Studie Next PE: Wie zukunftsfähig ist die Personalentwicklung?

Talent Mobility: Strategien für die interne Personalbeschaffung


Schlagworte zum Thema:  Personalentwicklung, Weiterbildung