Wer zusammen arbeitet, kann voneinander lernen. Besonders gut funktioniert das mit Social-Media- und Kollaborationstools - von Asana über Twitter bis zu Whatsapp und Yammer. Davon profitieren auch Führungskräfte.
Selbstorganisation mit Messenger-Diensten.
Während der Produktionsleiter eines Maschinenbauunternehmens morgens mit dem Auto zur Arbeit fährt, bekommt er einen Anruf vom Geschäftsführer. Da sei ein unerwarteter Auftrag von einem wichtigen Kunden reingekommen, der am nächsten Wochenende erledigt werden müsse. "Das schaffen wird doch, oder?", fragt der Chef rhetorisch. Der Produktionsleiter fährt rechts ran, zückt sein Smartphone und wählt den Verteiler "Sonderschichten Produktion". Er tippt: "Notfallplan für das Wochenende benötigt. Wer von euch kann eine Sonderschicht fahren? Bitte um kurzfristige Rückmeldung. Bitte Hinweis, ob ihr die Tags- oder Nachtschicht haben wollt. Wir rocken den Sonderauftrag, Leute!"
Kreative Lösungsansätze ohne Anweisung von oben
Eine halbe Stunde später haben sich genügend Mitarbeiter gemeldet, so dass die zwei Sonderschichten am Wochenende zustande kommen. Als der Produktionsleiter das der Disponentin meldet, sagt sie mit einem Lächeln in der Stimme: "Was würden wir nur ohne eure selbst-organisierten WhatsApp-Gruppen machen...?" Der Produktionsleiter antwortet: "Manchmal bin ich ganz froh, dass der Chef nicht so genau nachfragt, wie wir uns abstimmen." Die Produktionsmitarbeiter sitzen fast nie am Rechner und eine Telefonkette ist viel zu störanfällig. Der Produktionsleiter fragt sich manchmal, ob das Unternehmen nicht auf eine unternehmensinterne App umsteigen sollte.
Führung im Zeitalter der Digitalisierung
Die beiden Berliner Organisationsexpertinnen Dr. Katrin Glatzel und Dr. Tania Lieckweg, Partnerinnen der Beratungsgesellschaft OSB international, haben diese kleine Geschichte an den Anfang ihrer Studie "Leading in the Digital Age" gestellt. Die Story zeigt, wie leicht das Topmanagement durch neue Formen der Zusammenarbeit "entmachtet" werden kann und Führung deshalb neu gedacht werden muss. So haben schon viele Führungskräfte die Erfahrung gemacht, dass sie bei steigender Komplexität nicht mehr in der Lage waren, mit einer gewissen Trittsicherheit Entscheidungen zu treffen. Die "digitale Welt" kann helfen, auf das "Wissen der Vielen" zurückzugreifen, so dass den Entscheidern der Umgang mit Unsicherheit leichter fällt. Ein Einzelner kann die vielen Perspektiven, die notwendig sind, um komplexe Situationen zu bewältigen, nicht aufbringen. Führung beruht künftig auf "Collaboration" und wird immer mehr zur Mannschaftsleistung.
Whatsapp – eine verkannte Lernhilfe?
Das Beispiel zeigt sehr schön, warum Whatsapp und ähnliche digitale Werkzeuge von der britischen E-Learning-Vordenkerin Jane Hart in die Liste der "100 Tools for Learning" aufgenommen wurden: Man kann wunderbar Lern- und Arbeitsgruppen koordinieren und - wenn es sinnvoll ist – zusätzlich Wissen und Ratschläge austauschen.
Glatzel und Lieckweg warnen in ihrer lesenswerten Studie aber auch davor, sich auf ein Tool zu beschränken. Es mag mühsam sein, Trello, Slack, Yammer, Whatsapp, Asana, Sharepoint, Wunderlist und andere Anwendungen gleichzeitig zu nutzen, aber wer zu früh restriktiv ein Tool ignoriert, vergibt die Chance, den aktuellen Kommunikationsmustern von Mitarbeitern und Kunden zu folgen. Das Motto sollte deshalb bei allen Collaboration- und Learning-Tools heißen: Nichts ignorieren, erst später entscheiden.