Selbstführung als Grundlage für gelungene Teamführung
Wir alle wissen, was wir eigentlich tun sollten, um gesünder, erfolgreicher oder auch zufriedener zu sein. Danach handeln tun wir dennoch nicht immer konsequent. Oder machen Sie regelmäßig Pausen? Bewegen und schlafen Sie ausreichend? Schauen Sie nur zu bestimmten Zeit in Ihr E-Mail-Postfach und machen eines nach dem anderen, anstatt drei Themen gleichzeitig zu bearbeiten? Es zu wissen und es zu tun sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Und genau hier setzt das Thema Selbstführung an.
Was bedeutet Selbstführung?
Eine erfolgreiche Selbstführung meint die Kompetenz, persönliche und berufliche Ziele unabhängig von äußeren Einflüssen zu erreichen. Die Basis hierfür besteht in einer guten Selbstreflexion. Um sich selbst gut führen zu können, ist es also zunächst einmal notwendig, sich zu kennen sowie Klarheit über die eigenen Ziele zu besitzen. Darüber hinaus geht es darum, das eigene Verhalten in Richtung der Ziele zu steuern. Hierbei kann es erforderlich sein, ein neues Verhalten umzusetzen.
Als Beispiel sei hier das Ziel genannt, das Team öfter zu loben. Das neue Verhalten kann dann drin bestehen, die eigene Präsenz zu erhöhen und öfter beim Team zu sein. Doch selbst in diesem einfachen Beispiel wird klar, dass so ein Vorhaben leichter scheint, als es in der Umsetzung tatsächlich ist.
Für Verhaltensänderung braucht es mehr als Motivation
Lange ging die Verhaltenspsychologie davon aus, dass es bei einer Verhaltensänderung ausschließlich darauf ankäme, ausreichend motiviert zu sein. Die Praxis zeigte jedoch, dass dies zwar ein wesentlicher Aspekt für eine Verhaltensänderung darstellt, jedoch alleine nicht ausreicht. Zwischen der Motivation, ein Ziel anzustreben und dieses auch tatsächlich umzusetzen besteht eine Lücke. Die Forschung nennt den fehlen Teil "Handlungsabsicht", also die Intention zu handeln, die sich von der reinen Motivation unterscheidet. Dies wird auch Volition genannt. Hierunter versteht man die bewusste, also willentliche Umsetzung von Zielen und Motiven in Ergebnisse, durch eine zielgerichtete Steuerung von Gedanken, Emotionen, Motiven und Handlungen. Etwas flapsig kann man sagen: Machen ist wollen, nur krasser!
Doch selbst, wenn beide Faktoren, die Motivation und die Handlungsabsicht, also die Volition vorhanden sind, kommt es vor, dass wir immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Was also hält uns noch davon ab, die Dinge zu tun, die wir für richtig und auch wichtig halten? Hier kommen innere Blockaden oder auch innere Antreiber ins Spiel, die unser Vorhaben immer wieder sabotieren können. Das Antreiber-Modell stammt aus der Transaktionsanalyse (TA). Diese wurde in den 1950er- und 1960er-Jahren von dem Psychiater Eric Berne in den USA entwickelt. Gemeinsam mit seinem Kollegen Taibi Kahler konnte Berne in klinischen Beobachtungen fünf verschiedene Antreibermuster identifizieren. Diese stehen in ihrem Modell für einen Teil des unbewussten inneren Skripts, welches das Denken, Fühlen und Verhalten eines Menschen beeinflusst. Sie zeigen sich in typischen rigiden Verhaltens- und Denkmustern und bestimmen innere Dialoge und Erwartungshaltungen. Diese typischen Verhaltens- und Denkmuster wollen wir uns im Folgenden genauer anschauen und betrachten, welchen Einfluss sie auf das Thema Führung haben.
Innere Blockaden erkennen und verändern
Unsere moderne Arbeitswelt, mit zunehmend stärker eigenständig agierenden Teams, stellt immer höhere Anforderungen an die Kompetenzen von Führungskräften. So tritt die fachliche Führung stärker in den Hintergrund, wohingegen die Leadership-Qualitäten an Bedeutung gewinnen. Und hier stehen Führungskräften häufig die inneren Antreiber im Weg, die – sofern diese stark ausgeprägt sind – sie nicht nur blockieren, sondern regelrecht sabotieren können.
Da die inneren Blockaden im Unbewussten liegen, ist es so schwierig, sie zu erkennen und auch zu verändern. Erschwerend kommt hinzu, dass sie vom Grundsatz her eine positive Intention besitzen. Sie sollen eigentlich helfen, sich im sozialen Gefüge zurechtzufinden. Entsprechend kann es dazu kommen, dass eine Führungskraft annimmt, im positiven Sinne zu handeln, sich aber unbewusst dadurch in schwierige Dynamiken hineinmanövriert.
Schauen wir uns zwei dieser inneren Blockaden anhand von Beispielen an:
Der Wunsch nach Kontrolle: Führungskräfte wollen Verantwortung tragen. Sie sind bereit, großen Einsatzwillen und hohes Engagement einzubringen, um das Team zum Erfolg zu führen. Hierzu gehört es auch, den Überblick zu behalten. Und genau hier liegt eine Gefahr, die sich verheerend auf das Team auswirken kann. Ich spreche von Mikromanagement. Wir alle wissen, dass Mikromanagement negative Auswirkungen auf das Team hat. Nur unterschätzen wir die Mechanismen dahinter. Denn niemand wendet bewusst Mikromanagement an. Das geschieht unbewusst. Und dahinter steht auch ein oder sogar zwei innere Antreiber: "Sei stark!" oder "Sei perfekt!"
Der Wunsch, den Überblick zu behalten korrespondiert eng mit dem Wunsch nach Kontrolle. Nimmt der Kontrollwunsch überhand, aktiviert er Kontrollverhalten. Dann beginnt die Führungskraft unbewusst engmaschig zu führen, fragt öfter nach, mischt sich vermehrt ein. Die Folge: Im Team stellt sich ein Motivationsverlust ein, nach dem Motto "Was will er denn jetzt, es war doch alles besprochen, wieso funkt er dazwischen, dann kann er es auch gleich selbst machen". Dieser Motivationsverlust schürt bei der Führungskraft Misstrauen, was zu noch mehr Kontrolle führt. Beim Team sinkt als Reaktion darauf weiter das Engagement und die Abwärtsspirale des Mikromanagements ist im vollen Gange.
Die Tendenz, es anderen Recht machen zu wollen: Für viele Führungskräfte ist es wichtig, einen guten Draht zum Team aufzubauen und einen lockeren Umgang zu pflegen. In Bezug auf eine offene Führungskultur ist gegen diesen Anspruch auch überhaupt nichts einzuwenden. Ist er jedoch übermäßig ausgeprägt, hindert er die Führungskraft daran, dem Team gegenüber auch mal Grenzen aufzuzeigen und klar die Richtung vorzugeben. Hierbei handelt es sich um den Antreiber "Mach es allen Recht!". Dieser führt unbewusst zu dem Impuls, Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Hält sich ein Teammitglied nicht an die vereinbarten Regeln oder Absprachen, hat die Führungskraft dann die Tendenz, sich dieses Verhalten schön zu reden: "Das war eine einmalige Sache, sonst ist sie gut darin. Man muss ja nicht gleich aus jeder Mücke einen Elefanten machen. Sie wird schon wieder auf Spur kommen." Hierin liegen zwei Gefahren: Zum einen realisiert das Teammitglied nicht, dass es sich nicht entsprechend der Erwartungen der Führungskraft verhält und legt weiterhin dieses Verhalten an den Tag. Und zum anderen fühlen sich andere Teammitglieder, die sich erwartungskonform verhalten, unfair behandelt. Dann kommen Fragen auf, wie "Wieso kommt er oder sie damit durch?“ oder "Ich nehme die Mehrarbeit auf mich und die Kollegin macht sich einen faulen Lenz?". Auch hier ist die Folge ein Motivationsverlust bis hin zur inneren Kündigung, weil das eigene Engagement nicht gesehen und wertgeschätzt wird.
An diesen Beispielen lässt sich erkennen, wie komplex sich solche Dynamiken entwickeln können und, dass die grundsätzliche Motivation hinter dem Verhalten durchaus einen positiven Kern hat. Dementsprechend geht es auch nicht darum, diese inneren Antreiber zu eliminieren, sondern sie auszubalancieren, um flexibel auf die Anforderungen des Führungsalltags reagieren zu können. Wie das gelingen kann, schauen wir uns im Folgenden an.
Erfolgreich führen und inneren Blockaden überwinden
Erfolgreiche Selbstführung bedeutet, genau das Verhalten ansteuern zu können, das aus Ihrer persönlichen Einschätzung am effektivsten ist, um Ihre Ziele zu erreichen. Sofern Sie feststellen, dass innere Blockaden Ihnen bei der Erreichung Ihrer Ziele im Weg stehen, ist es erforderlich, diese zu überwinden. Dies erreichen Sie durch das Erlernen einer neuen Verhaltensweise. Dafür können Sie sich an den folgenden Schritten orientieren:
Schritt 1: Bewusstwerdung des hinderlichen Verhaltensmusters
Zunächst einmal geht es darum, wahrzunehmen, dass Ihr Verhalten Sie in Ihrer Zielsetzung blockiert. Beobachten Sie sich dafür einen gewissen Zeitraum und betrachten und analysieren Sie Situationen, die sich für Sie nicht gut angefühlt haben. Nehmen Sie sich dafür nach einer solchen Situation ein paar Minuten Zeit und beantworten Sie die folgenden Fragen:
- Was war die Ausgangssituation?
- Was habe ich gedacht?
- Was habe ich gefühlt?
- Wie habe ich mich verhalten?
- Was hat dieses Verhalten bei der anderen Person ausgelöst?
- Was ist die langfristige Konsequenz, wenn ich mich weiter so verhalte?
Schritt 2: Zielsetzung für neues Verhalten formulieren
Haben Sie festgestellt, dass ein bestimmtes Verhalten (zum Beispiel das Streben nach Perfektionismus / die Tendenz, es den anderen immer Recht machen zu wollen / alles lieber selber machen zu wollen / oder immer die Harmonie erhalten zu wollen) stark ausgeprägt ist und Sie droht zu blockieren, formulieren Sie, wie genau Sie sich zukünftig verhalten wollen:
- Ich vertraue auf die Fähigkeiten meines Teams!
- Ich vertrete respektvoll meine Position.
- Die anderen sind gut, ich lasse los!
- Ich setze wertschätzend Grenzen
Schritt 3: Üben, beobachten und Rückfälle analysieren
Wenn Sie Ihr neues Verhalten definiert haben, gehen Sie wieder in den Beobachtungs-Modus und reflektieren Sie täglich Ihre Fortschritte. Dazu können Sie folgende Leitfragen nutzen:
- Wo habe ich mich heute nach meinem Ziel verhalten?
- Wo hätte ich es noch tun können?
- Welche Faktoren haben dazu geführt, dass ich es nicht getan habe?
- Wie kann ich diese zukünftig vermeiden?
Schritt 4: Würdigen der erfolgreichen Verhaltensänderung
Durch die regelmäßige Reflexion trainieren Sie Ihr neues Verhalten sehr systematisch und bauen neue neurale Netzwerke in Ihrem Gehirn auf, die dazu führen, dass Sie nach einiger Zeit Ihr neues Verhalten als neues Muster implementiert haben. Dafür ist es wichtig die Erfolge zu feiern, um den Gehirn zu signalisieren: Das ist wünschenswertes Verhalten, davon möchte ich mehr. Außerdem stärken Sie durch die Würdigung Ihrer kleinen und großen Erfolge Ihr Selbstvertrauen.
Lernen durch Übung und Wiederholung
Der Schlüssel dieses Vorgehens liegt in der Erkenntnis, dass Lernen durch Übung und Wiederholung erfolgt. Diese Weisheit vermitteln wir unseren Kindern, jedoch vergessen wir im Erwachsenenalter oft, dass Gleiches für unsere Entwicklung gilt. Seien Sie also geduldig mit sich und machen Sie sich bewusst, dass Rückfälle zum Prozess dazugehören.
Buchtipp: Dieser Online-Beitrag basiert auf Marloes Gökes Buch "Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe - Wie Unternehmerinnen und Unternehmer effizienter und zufriedener werden", das im Haufe-Verlag erschienen ist. |
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