Das Silicon Valley ist männlich
„Nur Chef zu sein, reicht nicht mehr“, warnte Janina Kugel in ihrem Eröffnungsvortrag. „Sie müssen ihre Mitarbeiter motivieren und coachen“, sagte die 46-Jährige, die seit Februar 2015 HR-Vorstand bei Siemens ist. „Sonst werden ihre guten Mitarbeiter nicht bleiben.“
Die Insignien der Macht genügen nicht mehr
Die Insignien der Macht genügen nicht mehr, betonte auch Gisbert Rühl, CEO des Stahlhändler Klöckner & Co in Duisburg. „Sie müssen ein anerkannter Leader sein und ihre Mitarbeiter mitnehmen können.“ Gleichzeitig sei aber auch der harte Entscheider gefragt - ein schwieriger Spagat, der extrem viel Kommunikation erfordere.
Die digitale Transformation erhöht die Chancen für Frauen
Rund hundert Frauen und zwei Handvoll Männer waren am 10. März zu der 5. Mixed Leadership Konferenz nach München gekommen, um sich zum Thema „Digital Leadership“ auszutauschen. Digitale Transformation erhöhe die Chancen für Frauen, glaubt Sylvia Tarves, Geschäftsführerin der Personalberatung Leading Women und Veranstalterin der Konferenz. Doch noch immer seien 95 Prozent der Entscheiderpositionen mit Männern besetzt und es fehle an gendergerechten Rekrutierungs- und Auswahlverfahren. „Die Auswahlprozesse laufen weiter nach alten und männlichen Karrieremustern“, beklagte Tarves.
Frauen müssen Macht wollen und fordern
Siemens-Vorstand Janina Kugel appellierte dagegen an die Frauen, bei sich selbst anzufangen. „Frauen haben die Tendenz Veränderungen zu fordern, aber jemand muss es für sie verändern“, mahnte die Siemens-Arbeitsdirektorin. „Das wird nicht klappen. Auch nicht bei den Männern.“ Frauen müssten sich die Macht nehmen und nicht darauf hoffen, dass irgendwann schon jemand sehen wird, wie großartig sie sind.
Das Silicon Valley ist männlich
Auch Siemens sei bereits voll im Prozess der Digitalisierung. Sie selbst sei kein Digital Native und musste sich Twitter auch erst erklären lassen. Heute kontaktieren sie die meisten Mitarbeiter über Linkedin. „Sie werden nie jemanden umerziehen können, aber sie können es vorleben“, sagte Kugel.
Allerdings sind auch in der digitalen Welt die Frauen bisher im Hintertreffen. Das Silicon Valley ist männlich und auch in Deutschland sind die meisten Gründer Männer und der Anteil der Informatikstudentinnen geht sogar zurück. „Was müssen wir als Frauen tun, um anderen Frauen den Mut zu geben?“, fragte Kugel.
Zu viele Schlupflöcher bei der Frauenquote
Ob die flexible Frauenquote dabei hilft, durchleuchtete Angelika Huber-Straßer, Country CoChair Deutschland der weltweiten Vereinigung Womens Corporate Directors. Derzeit liege der Frauenanteil im Vorstand bei den Dax-30-Konzernen bei 9,6 Prozent. Das Gesetz gelte für rund 3.500 Unternehmen, die entweder börsennotiert und/oder mitbestimmungspflichtig sind. Doch viele wüssten gar nicht, dass es auch sie betrifft und es gebe keine Sanktionen. Zudem ermögliche die flexible Quote viele Schlupflöcher. „Theoretisch kann sich ein Unternehmen auch die Zielgröße Null Prozent setzen“, sagt Huber-Straßer. Bei den Zielgrößen seien die meisten Unternehmen „sehr zurückhaltend“. So wolle zum Beispiel Infineon den Frauenanteil auf der ersten Führungsebene unter dem Vorstand von null auf sechs Prozent erhöhen, bei Thyssenkrupp soll er von fünf auf acht Prozent steigen.
Transparenz schafft Veränderungen am Markt
Ist die Frauenquote daher nur ein zahmer Bettvorleger? Nicht unbedingt, glaubt Huber-Straßer. Das Gesetz werde zwar zunächst zu keiner signifikanten Änderung führen, aber aufgrund der neuen Transparenz werde es zu Veränderungen vom Markt kommen. Sei es, dass der Frauenanteil bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand eine Rolle spielt oder dass ausländische Investoren und Analysten auf die Zielgrößen achten. Schließlich zeigten einige Studien bereits, dass Unternehmen mit mehr Frauen an der Spitze profitabler sind.
Separate Einheiten statt Digitalisierung von innen
Zum Thema Frauen hatte Klöckner-Stahlmanager Rühl nicht allzu viel zu sagen, interessant waren jedoch die Erzählungen über seinen eigenen Wandel. Geprägt hat ihn dabei auch ein mit Hilfe des Medienkonzerns Springer organisierter Aufenthalt im Silicon Valley. Die offene Kultur, Neugier und gegenseitigen Akzeptanz hätten ihn sehr beeindruckt. Als er zurückkam, habe er in Berlin einen Schreibtisch im betahaus, einem Co-Working-Raum, gemietet und einen Mitarbeiter dort hingeschickt mit dem Auftrag, sich mit der Szene zu vernetzen und herauszufinden, warum Start-ups so viel schneller sind. Inzwischen ist daraus Klöckner.i mit 20 Mitarbeitern entstanden, die die Digitalisierung der Stahlindustrie mit Methoden der besten Startups vorantreiben soll. „Man braucht separate Einheiten“, sagt Rühl, der für die Digitalisierungsstrategie des Konzerns verantwortlich ist. „Von innen wird es nicht funktionieren. Unsere Leute verstehen Stahl und Prozesse, aber nicht Design Thinking.“
Fehlerkultur muss auch für den CEO gelten
Auch er selbst musste umdenken. Er komme aus der Ruhr-Industrie mit ihren stark hierarchischen Strukturen. Da entschied der Vorstandsvorsitzende und musste auch bei seiner Entscheidung bleiben. Alles andere war undenkbar. „Entscheidungen aufgrund von Erfahrungen zu treffen, funktioniert nicht mehr“, erklärte der 57-Jährige Vorstandschef. „Fehlerkultur muss auch für den CEO gelten. Er muss sich auch selbst infrage stellen können.“
Auch er musste den Umgang mit den sozialen Medien erst lernen und erzählte von seinem ersten Podcast mit Teleprompter neben dem Weihnachtsbaum. Heute produziere er seine Podcasts mit dem iPhone selbst. Im Unternehmen sei mittlerweile ein „internes Facebook“ das wichtigste Kommunikationsmittel. „Da kann man über alle Lehmschichten hinweg kommunizieren“, so Rühl und auch er bekomme so viel besser mit, was die Mitarbeiter wirklich interessiert.
Stolz auf das Scheitern sein
Der Aufenthalt im Silicon Valley, wo er bis 2013 ein Jahr verbrachte, war auch für BILD-Herausgeber Kai Diekmann ein einschneidendes Erlebnis. Seine Erkenntnis: „Die Veränderungen sind viel radikaler und kommen schneller als ich jemals gedacht habe.“ Das Geschäftsmodell der Zeitung werde nicht mehr funktionieren. Das große Geheimnis des Silicon Valleys sei es, dass jeder jeden kennt und man dort stolz darauf ist, gescheitert zu sein, so Diekmann. „Scheitern ist Voraussetzung für Erfolg.“ Das habe man inzwischen auch bei Springer verinnerlicht. Wurde früher eine neue Zeitschrift ewig getestet und musste dann von Anfang an dauerhaft erfolgreich sein, so bringe man heute neue Medien schnell auf den Markt und stelle sie auch wieder ein, wenn es nicht funktioniert.
Veränderung vorleben
Als er nach Deutschland zurückkam, habe er ein Change-Team zusammengestellt und den gesamten Workflow bei BILD komplett umgestellt. Heute arbeite man dezentral, habe Verantwortung nach unten übertragen. „Sie müssen die Veränderungen vorleben und Change Agents um sich versammeln“, rät Diekmann. „Digital Natives ticken ganz anders, das kann man nicht mehr lernen.“
Einfach sei es nicht gewesen. „Meine soziale Fettschicht für Trennungsgespräche war total aufgebraucht“, erinnert sich der Medienmanager. „Ich musste mich von Mitarbeitern trennen, die ich bisher sehr geschätzt habe.“ Aber man müsse alte Zöpfe eben radikal abschneiden. Deshalb habe Springer auch die Fernsehzeitschrift Hörzu verkauft, obwohl die noch immer sehr gut läuft. „Langfristig sterben uns einfach die Abonnenten weg“, so Diekmann.
Demokratisierung der Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen
Dass das Alte nicht nur schlecht ist, betonte Isabell Welpe. „Organisationen müssen heute sowohl die alten wie die neuen Kompetenzen beherrschen“, so die Professorin für Strategie und Organisation an der Technischen Universität München. „Sie müssen stark, stabil und groß und gleichzeitig flexibel, schnell und skalierbar sein.“ Die wichtigsten Innovationen kämen nicht von der Technologie, sondern von einer neuen Art der Organisation und des Zusammenarbeitens, so Welpe. Dabei erfolge auch die viel beschworene Demokratisierung nicht aus humanen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen. Welpe: „Das erhöht die Qualität und damit steigt auch der Profit.“
Autorin: Bärbel Schwertfeger
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