Arbeitspflicht trotz WM? Direktionsrecht schlägt Fußballfieber

Alles grillt und trinkt und gröllt - nur einer nicht, der muss arbeiten. Kann der Arbeitgeber das wirklich verlangen, wenn er weiß, dass es sich bei seinem Mitarbeiter um einen ausgewiesenen Fußballfan handelt. Wie sieht es arbeitsrechtlich mit der WM aus? 

Der Spagat zwischen den Wünschen von Fußballfans auf Verfolgung zumindest der wichtigen Spiele und den Arbeitserfordernissen im jeweiligen Job dürfte in nicht wenigen Fällen zu Differenzen führen, zumindest dann, wenn der Chef kein ausgewiesener Fußballfan ist.

Interessenkonflikt zwischen Fußball und Arbeitszeit

Nicht jeder Arbeitnehmer kann pünktlich zum Anpfiff zuhause oder beim Public-Viewing sein. Nicht jeder Arbeitgeber fiebert mit der Nationalmannschaft und zeigt Verständnis. Einige Arbeitgeber sind so kulant und bieten ein firmeninternes „Public Viewing“ an. Grundsätzlich ist es aber kein Fehler, sich mit der objektiven Rechtslage im Spannungsverhältnis Fußball und Arbeitspflichten vertraut zu machen.

Direktionsrecht des Arbeitgebers

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts das Ansehen von Fußballspielen im Fernsehen während der Arbeitszeit verbieten. Selbst das kurze Streamen online kann eine Abmahnung rechtfertigen. Längeres Fernsehen ohne ausdrückliche Zustimmung des Chefs ist erst Recht nicht zulässig.

Wer auf Fußball unter keinen Umständen verzichten will, muss entweder mit seinem Arbeitgeber rechtzeitig Vereinbarungen treffen oder aber Urlaub beantragen. Nach § 1  Absatz 1 BUrlG sind die Wünsche des Arbeitnehmers insofern grundsätzlich zu beachten. Bei dringenden Großaufträgen oder wenn zu viele Arbeitnehmer gleichzeitig Urlaub beantragen, ist aber auch der Urlaubsantrag kein sicherer Weg. Gegebenenfalls hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG über die Zurückweisung eines Urlaubsantrags mitzubestimmen.

Fernsehen als Arbeitszeitbetrug?ArbG Frankfurt entschied fußballfreundlich

Anlässlich der Fußball-WM 2010 hatte das ArbG Frankfurt einen Fall zu entscheiden, in dem ein Finanzdienstleistungsunternehmen seinem aus Kamerun stammenden Mitarbeiter unter anderem

  • mit der Begründung kündigte,
  • er habe während seiner Arbeitszeit ohne Erlaubnis
  • am Kundenschalter des Unternehmens
  • einen mitgebrachten tragbaren Fernseher aufgestellt
  • und ein Fußballspiel angeschaut.

Nach Auffassung des Arbeitgebers war das Arbeitszeitbetrug. Das ArbG ließ aber weder die erklärte fristlose noch die fristgerechte Kündigung durchgehen.

Keine Kündigung ohne vorherige Abmahnung


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  • Während einer WM ist nach Auffassung des ArbG das Ansehen eines Spiels sozialadäquat,
  • auch wenn es eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstelle.

Diese wiege aber nicht so schwer, dass dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten sei.

Unter Hinweis auf die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs wies das ArbG auch die ordentliche Kündigung zurück. Der Arbeitnehmer habe sich zwar arbeitsrechtswidrig verhalten, dies rechtfertige eine verhaltensbedingte Kündigung aber nicht ohne vorherige Abmahnung, die im entschiedenen Fall nicht erteilt worden war (ArbG Frankfurt, Urteil v. 9. 2. 2011, 7 Ca 4868/10).

Absprache zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist sinnvoll

Auf die fußballfreundliche Entscheidung des ArbG Frankfurt sollte man sich im Einzelfall aber nicht verlassen. Anders ist der Fall wahrscheinlich schon dann zu beurteilen, wenn der Arbeitgeber vor der WM ausdrücklich auf das Verbot des Ansehens von Fußballspielen während der Arbeitszeit hinweist. Deshalb dürfte es aus Sicht von Arbeitnehmer und Arbeitgeber immer sinnvoll sein, in Erwartung der WM rechtzeitig sinnvolle Absprachen über das Anschauen von Fußballspielen und mögliche Arbeitszeitverschiebungen zu treffen. Dies gilt auch für das Verfolgen einer Fußballspielübertragung im Radio. Diese wird der Arbeitgeber aber zumindest dann nicht verbieten können, wenn die zu erbringende Arbeitsleistung auch mit Radio ohne Qualitätseinbußen möglich ist.

30 Sekunden Fußball können eine Abmahnung rechtfertigen

Das Arbeitsgericht Köln entschied in 2017, dass selbst 30 Sekunden Fußball Live-Stream während der Arbeitszeit zu viel seien. Hier hatte ein Arbeitnehmer hatte zusammen mit Kollegen während der Arbeitszeit per Live-Stream auf dem PC Fußball geschaut. Circa 30 Sekunden, maximal zwei Minuten - dann stand der Chef hinter ihm und kündigte Konsequenzen für das Verhalten an.

Abmahnung rechtmäßig – keine Entfernung aus der Personalakte

Der Arbeitnehmer, ein Ford-Mitarbeiter, wollte die Abmahnung nicht hinnehmen und ging gerichtlich dagegen vor. Mit seiner Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hatte er jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht Köln hielt die Abmahnung nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme für gerechtfertigt.

Das Anschauen eines Fußballspiels an einem dienstlichen Computer über einen Livestream eines Bezahlsenders während der Arbeitszeit ist vergleichbar mit einer Pflichtverletzung durch private Internetnutzung während der Arbeitszeit, so das Gericht mit Verweis auf Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu entsprechenden Fällen (z.B. BAG, Urteil v. 27.4.2006, 2 AZR 368/05).  

Im konkreten Fall verstieß die Erteilung der Abmahnung auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so das Arbeitsgericht Köln. Auch bei einem leichteren Fehlverhalten könne der Arbeitgeber direkt eine Abmahnung erteilen und müsse nicht zunächst eine Ermahnung aussprechen.

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Klinik-Personal beispielsweise muss i.d.R. trotz Fußball-WM weiße Kleidung tragen.

  • Das Schmücken des Schreibtisches mit Deutschland-Fähnchen muss mit dem Chef abgesprochen werden.
  • Als Eigentümer des Arbeitsplatzes hat dieser das Bestimmungsrecht darüber, wie der Arbeitsplatz zu gestalten ist.
  • Anstoßen mit Alkohol auf ein gewonnenes Spiel ist nur bei ausdrücklicher Erlaubnis das Chefs erlaubt, sofern nicht sowieso Arbeitschutzvorschriften oder andere gesetzliche Bestimmungen dagegen sprechen.

Fußballfieber färbt auf das Recht ab

Trotz aller rechtlichen Einschränkungen durch gesetzliche Vorgaben ist nicht zu verkennen, dass die Fußball-WM der Anwendung des Rechts in mancherlei Hinsicht tangiert. Besonders deutlich zeigt dies die Entscheidung des ArbG Frankfurt, das unter Hinweis auf die hohe gesellschaftliche Wertschätzung des Fußballs arbeitsrechtliche Kündigungsvorschriften unter diesem Gesichtspunkt ausgelegt hat.

Aber auch die deutschlandweit angeordnete Erlaubnis zum Public Viewing bis in die späten Abendstunden, die allgemein übliche Abstinenz der Polizei bei nächtlichen Autokorsos nach einem gewonnenen Spiel und nicht zuletzt das vielerorts anzutreffende Einvernehmen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Fußball und Arbeit zeigen, dass während der WM auch rechtlich einiges anders und lockerer gesehen wird als sonst - und das ist gut so.


Schlagworte zum Thema:  Recht, Direktionsrecht, Arbeitszeiterfassung