Anwendung Islamischen Rechts bei Scheidung in Deutschland
In der Praxis führt dies mitunter zu erheblichen intellektuellen Verrenkungen, die einzig und allein dem Zweck zu dienen, zu einem nach deutschem Rechtsverständnis gerechten Urteil zu gelangen. Dies gilt auch für einen Fall, den kürzlich das OLG Hamm entschieden hat.
Scheidung einer nach iranischem Recht geschlossenen Ehe
Ein Familiengericht hatte die Scheidung einer nach iranischem Recht geschlossenen Ehe ausgesprochen. Die Beteiligten sind iranische Staatsangehörige schiitischen Glaubens. Sie hatten am 3.12.1991 in Teheran die Ehe geschlossen und gleichzeitig vor dem Heiratsnotariat schriftlich Bedingungen vereinbart, unter denen die Ehefrau die Scheidung einreichen kann.
Verzicht auf Morgengabe?
Hierin erteilte der Ehemann seiner Ehefrau die unwiderrufliche Vollmacht, sich unter bestimmten Voraussetzungen die „gerichtliche Erlaubnis zur Scheidung“ geben zu lassen. Dies galt u.a. für Fälle, in denen der Ehemann sich weigert, die Unterhaltskosten der Ehefrau zu zahlen oder wenn „das Benehmen und das Verhalten des Ehemannes unerträglich wird“.
Der geschiedene Ehemann wehrte sich gegen den Scheidungsausspruch. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hatte er erklärt, dass er der Scheidung zustimmen wolle, wenn seine Ehefrau sich für die unberechtigten Vorwürfe wegen Gewaltanwendung gegen ihn entschuldige und auf die noch nicht erhaltene Morgengabe verzichte.
Scheidung durch Familiengericht aus Gründen des „ordre public“
Beide Instanzen leiteten die Zuständigkeit des deutschen Familiengerichts aus EG VO Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.1. 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen ab. Hiernach sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates zur Entscheidung berufen, in dessen Hoheitsgebiet die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort weiterhin seinen gewöhnlichen Aufenthalt besitzt.
Materielle Beurteilung nach iranischem Scheidungsrecht
Die Gerichte waren sich auch darüber einig, dass die Scheidung materiell nach iranischem Scheidungsrecht zu beurteilen ist. Dies folge aus dem deutsch-persischen Niederlassungsabkommen vom 17.02.1929. Das Familiengericht sah jedoch die Voraussetzungen für eine Scheidung nach iranischem Recht als nicht gegeben an.
Iranische Frau kann sich nur schwer scheiden lassen - verfassungswidrig?
Nach Auffassung des Familiengerichts verstoße es aber gegen den „ordre public“ des Art. 6 EG BGB und sei mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG nicht zu vereinbaren, dass es dem Ehemann nach iranischem Recht fast beliebig freistehe, sich von der Ehefrau zu trennen, wohingegen die Ehefrau nur in streng geregelten Einzelfällen die Scheidung beantragen könne. Hieraus folge die ergänzende Anwendung deutschen Rechts, so dass die Scheidung im Ergebnis auf § 1565 Abs. 1 BGB (Zerrüttung der Ehe) gestützt werden könne.
OLG: Scheidung nach iranischem ZGB
Nach Auffassung von OLG hatte das Familiengericht sich ohne Not auf die „Krücke“ des „ordre public“ berufen. Nach Art. 1130 iran. ZGB sei für den Fall, dass die Fortführung der Ehe eine schwere Not für die Frau begründe, ein Antrag auf Scheidung möglich.
Schwere Not als Scheidungsgrund
Eine solche schwere Not leiteten die Richter daraus ab, dass der Antragsgegner ausdrücklich erklärt habe, der Scheidung zustimmen zu wollen, wenn die Antragstellerin sich bei ihm für ungerechtfertigte Gewaltvorwürfe entschuldige und auf die nicht gezahlte Morgengabe verzichte. Damit habe er zum Ausdruck gebracht, dass er selbst die Ehe nicht mehr fortsetzen wolle.
Dass er trotzdem versuche, die Antragsgegnerin mit Bedingungen zu erpressen, führe eine schwere Notlage für die Ehefrau herbei. Damit sei die Scheidung auf Art. 1130 iran. ZGB zu stützen. Ob diese Vorschrift im Iran genau so ausgelegt würde, darf zumindest bezweifelt werden.
Scheidung auf Grundlage notarieller Vereinbarung
Nach Auffassung der Richter rechtfertigt aber auch die von den Eheleuten anlässlich der Eheschließung geschlossene notarielle Vereinbarung das Scheidungsbegehren der Ehefrau.
- Das Benehmen des Ehemannes sei unerträglich geworden dadurch, dass dieser – obwohl er selbst die Ehe nicht mehr aufrechterhalten wolle – die Zustimmung zur Scheidung an Bedingungen knüpfe.
- Hierauf lasse sich der Scheidungsausspruch ebenso stützen wie auf die Tatsache, dass der Ehemann sich über sechs Monate hinweg geweigert habe, Unterhaltskosten der Ehefrau zu tragen.
Für diese Fälle sehe notarielle Vereinbarung ausdrücklich das Recht der Ehefrau auf Scheidung vor.
Kein Fall krasser Ungleichbehandlung
Das OLG hob in seiner Entscheidung ausdrücklich hervor, dass der Rechtsgedanke des „ordre public“ vorliegend nicht einschlägig sei. Die ältere Jurisdiktion habe es als zulässig angesehen, dass nach jüdischem oder islamischem Recht die Frau vom Mann die Scheidung nicht ohne weiteres verlangen könne. Im Fall krasser Ungleichbehandlung könne die Ehefrau in Deutschland heute nach dem „ordre public“ grundsätzlich die Scheidung verlangen.
Eine solche krasse Ungleichbehandlung sei vorliegend aber deshalb nicht gegeben, weil die Ehefrau sich in Form der notariellen Vereinbarung anlässlich der Eheschließung hinreichende Gründe für die Möglichkeit eines eigenen Scheidungsbegehrens habe einräumen lassen, die vorliegend auch zum Erfolg führen würden. Eine krasse Ungleichbehandlung der Ehefrau sei daher nicht gegeben.
(OLG Hamm, Urteil vom 17.1.2013, I I- 4 UF 172/12).
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