Bei Unterhaltsfestsetzung Kaufkraftunterschiede beachten

Weniger Unterhalt, wenn der Vater in der Schweiz lebt? Laut neuer BGH-Entscheidung ist bei der Berechnung von Unterhalt der Kaufkraftunterschied zu berücksichtigen, wenn der Unterhaltsberechtigte in Deutschland, der zum Unterhalt Verpflichtete aber im Ausland lebt. Auch eine Rechenmethode wurde abgesegnet.

Die im Januar 1995 und im Dezember 1996 geborenen Antragsteller leben in Deutschland. Sie begehrten von ihrem wiederverheirateten, in der Schweiz lebenden Vater die Abänderung eines bereits bestehenden Unterhaltstitels in Form einer Jugendamtsurkunde.

Unterhaltserhöhung beantragt

Die Forderung ging auf eine Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbetrages von bisher 121 % des Regelsatzes auf 136 % des Regelsatzes. Der Vater hatte gegen die Erhöhung u.a. eingewandt, sein Einkommen in der Schweiz sei zwar höher als zuvor in Deutschland, der Mehrbetrag werde aber durch die höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz aufgefressen.

Kaufkraftunterschied ist zu berücksichtigen

Nachdem das AG den Kindesvater antragsgemäß zur beantragten höheren Zahlung verpflichtet hatte, kam das OLG zu einer mittleren Lösung und hielt eine Erhöhung auf 128% des Regelsatzes für angemessen.

Zur Begründung verwies das OLG auf die bestehenden Kaufkraftunterschiede, die es mit Hilfe der Wertetabellen des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) ermittelt hatte. Der BGH hat diese Vorgehensweise abgenickt.

Überprüfung beschränkt sich auf Rechtsfehler

Der BGH stellte klar, dass in der Revision die Entscheidung von AG und OLG nur punktuell überprüfen dürfe. Die Überprüfbarkeit beziehe sich nach ständiger Rechtsprechung auf die umfassende Würdigung des Verfahrensstoffes durch die Vorinstanzen und die rechtlich bedenkenfreie Subsumtion des Verfahrensstoffes (BGH, Urteil v. 1.4.1987, IV b ZR 41/86).

Euro-Referenzkurs ist nicht der richtige Maßstab

Den Kernpunkt der rechtlichen Überprüfung durch den BGH bildete sodann die rechtsfehlerfreie Einbeziehung des Kaufkraftunterschiedes durch das OLG.

Nach Auffassung des Senats hatte das OLG bei Berücksichtigung des Kaufkraftunterschieds zu Recht eine Umrechnung nach dem Euro-Referenzkurs abgelehnt. Dieser werde stark durch die internationale Nachfrage an den Märkten bestimmt und gebe die Kaufkraft der unterschiedlichen Währungen nur bedingt wieder.

Auch die Ländergruppeneinteilung der Steuerverwaltung, die Deutschland und die Schweiz in eine Gruppe einordnen, ist nach Auffassung von OLG und BGH kein realistischer Maßstab für die Kaufkraft der unterschiedlichen Währungen. Die allgemein bekannten höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz würden hiervon nicht erfasst. 

Zahlen des Statistischen Bundesamtes nicht mehr up to date

Schließlich hat das OLG nach Auffassung der BGH-Richter auch die Ländertabelle des Statistischen Bundesamtes nicht zum Maßstab für die Beurteilung gemacht. Die letzten Vergleichszahlen des Statischen Bundesamtes stammten aus dem Jahr 2008 und seien für den hier maßgeblichen Zeitraum ab 2011 nicht mehr als Bezugsgröße geeignet.

Eurostat ist maßgebend

Übereinstimmend kommen daher OLG und BGH zu dem Ergebnis, dass die vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) ermittelten „vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern“ einen realistischen Anknüpfungspunkt darstellen.

Rechenaufgabe

Durch Eurostat werde zunächst die Kaufkraftparität ermittelt und auf eine Einheitswährung umgerechnet. Diese würde dann in Relation zu den Wechselkursen gesetzt, wodurch eine reale Messgröße ermittelt werde, anhand derer die Kaufkraft der jeweiligen Währung für bestimmte Produktgruppen annähernd realitätsnah ermittelt werden könne.

  • Hiernach habe das Preisniveau in im Jahr 2010 in Deutschland um 104,3 % und in der Schweiz um 147,6% über dem Mittelwert der Europäischen Union gelegen.
  • Auf das Jahr 2011 umgerechnet habe das Kaufkraftverhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz 1:0,639 betragen.

Kaufkraftunterschied ist bereits bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen

Theoretisch wäre hiernach in Betracht gekommen, den nach der Düsseldorfer Tabelle zu ermittelnden Unterhalt entsprechend diesem Ergebnis herabzusetzen.

Diesen Weg hat das OLG vorliegend aber nicht gewählt, vielmehr hat der Senat bereits das Einsatzeinkommen des Kindesvaters mit dem Verhältniswert 0,639 multipliziert und so eine entsprechend geringere Höhe als Einsatzeinkommen eingesetzt.

Den Unterhalt hat der Senat hiernach gemäß den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelt. Auf diese Weise ergab sich der Wert von 128 % des kaufkraftbereinigten Einkommens. Diese Berechnungsmethode hat der BGH voll gebilligt, so dass dies in Zukunft die Methode der Wahl für die Berechnung von Unterhaltsansprüchen mit Auslandsbezug sein dürfte.

(BGH, Beschluss v. 9.7.2014, XII ZB 661/12).


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