Großeltern müssen bei der Wahl eines Vormundes berücksichtigt werden
Das BVerfG hatte über die Beschwerde einer Großmutter zu entscheiden, die sich dagegen wandte, vom Familiengericht nicht als Vormund ihrer im Jahr 2008 geborenen zweiten Enkelin ausgewählt worden zu sein. Eine erste Enkeltochter war bereits im Jahr 2001 zur Welt gekommen und lebte seit ihrer Geburt in der Obhut der Großmutter. Zusammen mit ihrer im Jahre 2008 geborenen zweiten Tochter lebte die Mutter einige Jahre im Haushalt der Beschwerdeführerin. Im Jahr 2011 zog die Mutter zu ihrem Freund und nahm das jüngere Kind mit sich. Nach zwei Wochen trennte sie sich von dem neuen Mann und zog zu einem weiteren neuen Freund. Die Großmutter empfand dieses Verhalten ihrer Tochter als kindeswohlgefährdend und wandte sich an das Jugendamt.
Das jüngere Kind kam in eine Pflegefamilie
In einem einstweiligen Anordnungsverfahren entzog das Familiengericht der Mutter im Herbst 2011 die elterliche Sorge für beide Kinder und setzte zunächst das Jugendamt als Vormund ein. Kurz darauf wechselte die jüngere, damals knapp vier Jahre alte zweite Enkeltochter in eine Pflegefamilie nach Norddeutschland, wo sie bis heute lebt. Der Großmutter wurde kurz darauf die Vormundschaft für das ältere Enkelkind zugesprochen. Die Vormundschaft für das jüngere Enkelkind erhielt das Jugendamt. Die Beschwerdeführerin beantragte vor dem Familiengericht, ihr die Vormundschaft für beide Enkelkinder zu übertragen. Die gegen den familiengerichtlichen Beschluss eingelegte Beschwerde der Großmutter verwarf das OLG als unzulässig. Hiergegen legte die Großmutter Beschwerde beim BVerfG ein und rügte die Verletzung von Art. 6 GG in Verbindung mit Art. 8 EMRK.
Verfassungsrechtlich geschützter Berücksichtigungsanspruch
Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde nicht statt, macht jedoch einige wegweisende Ausführungen zum Schutz der Familie nach Art. 6 GG. Die entscheidende Feststellung des BVerfG lautet: Großeltern haben ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht darauf, bei der Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers für ihr von der Kindesmutter getrenntes Enkelkind berücksichtigt zu werden.
Elternrechte stehen nur den Eltern zu
Die Verfassungsrichter stellten klar, dass das Grundrecht auf elterliche Erziehung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nur von den Eltern in Anspruch genommen werden könne. Aus dieser Vorschrift könnten allerdings die Eltern ihrerseits ein Recht ableiten, dass bei der Bestellung eines Vormundes ihnen vertraute nahe Verwandte bevorzugt berücksichtigt würden (BVerfG, Beschluss vom 24.3. 2014, 1 BVR 160/14). Die Übertragung der Vormundschaft auf nahe Verwandte stelle aus Sicht der Eltern in der Regel einen weniger krassen Einschnitt in ihre Elternrechte dar als die Einsetzung einer familienfremden Person zum Vormund. Dies sei allerdings ein Anspruch der Eltern und nicht ein Recht der Großeltern. Ähnliches gelte für das Grundrecht des Kindes selbst auf Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung. Ein eigenes Recht erwachse Verwandten aus diesem Grundrecht nicht.
Reale familiäre Bindung ist Voraussetzung für eigene Rechtsstellung
Das BVerfG postulierte jedoch einen eigenen Rechtsanspruch der Großeltern nach Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift umfasse familiäre Bindungen auch zwischen Großeltern und ihrem Enkelkind. Daraus folge allerdings, dass das Grundrecht nicht pauschal Schutz gewähre. Ein Rechtsanspruch setze vielmehr eine familientypische enge Bindung zwischen den Beteiligten voraus. Sei eine solche Verbindung zwischen Enkelkind und Großeltern durch Zuneigung, Verantwortungsbewusstsein und Beistandsbereitschaft geprägt, so erwachse hieraus ein eigenes Recht der Großeltern auf Berücksichtigung bei der Bestellung eines Vormundes. Gleichzeitig wiesen die Verfassungsrichter allerdings darauf hin, dass eine Auswahlentscheidung gegen die Großeltern nicht von einer solchen Eingriffsintensität geprägt sei wie die Trennung eines Kindes von den Eltern. Dies färbe auf den Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer solchen Entscheidung ab, die nicht nach den gleichen strengen Maßnahmen zu erfolgen habe wie die Herausnahme eines Kindes aus seinem Elternbezug.
Das Kindeswohl bleibt der entscheidende Maßstab
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam das BVerfG zu dem Ergebnis, dass die bisherigen gerichtlichen Entscheidungen die Beschwerdeführerin nicht in ihren Grundrechten verletzten. Insbesondere seien bei komplizierten Familiengeschichten und komplexen psychologischen Geschehensabläufen Großeltern nicht naturgegeben die zur Erziehung der Kinder besonders geeigneten Personen. Vor diesem Hintergrund seien die Erwägungen der Vorinstanzen zur Belassung des jüngeren Kindes in der Pflegefamilie nachvollziehbar sorgfältig begründet und daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Rechtsschutzgarantie gewährleistet keinen Instanzenzug
Schließlich führte das BVerfG noch aus, dass die Beschwerdeführerin auch nicht dadurch in ihren Grundrechten verletzt sei, dass ihr die Möglichkeit einer eigenen Beschwerde nach § 59 Fam FG versagt blieb. Der Justizgewährungsanspruch verpflichte den Gesetzgeber zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, nicht aber zur Bereitstellung eines mehrgliedrigen Instanzenzuges. Die Nichtzulassung eines Rechtsmittels verstoße nicht gegen das grundrechtlich garantierte Rechtsstaatsprinzip. Im Ergebnis blieb die Verfassungsbeschwerde der Großmutter damit erfolglos.
(BVerfG, Beschluss v. 24.6.2014, 1 BvR 2926/13)
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