Auch betriebsbedingter Arbeitsplatzverlust kann ehebedingten Nachteil begründen
Es gibt viele Gründe seinen Arbeitsplatz zu verlieren: berufliche Neuorientierung oder Auszeit,Personalabbau, Kindererziehung, fachliches bzw. persönliches Fehlverhalten usw.
Hat ein Unterhaltsberechtigter aber seinen Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgegeben oder verloren, die nichts mit seiner Ehe zu tun haben, ist der daraus resultierende Erwerbsnachteil auch nicht ehebedingt.
Wie geht es aber nach dem Arbeitsplatzverlust weiter? Der BGH betrachtet diese Lebens- und vor allem Ehephase genauer und bejahte im vorliegenden Fall einen ehebedingten Nachteil.
Von der Ingenieurin zu kaufmännischen Angestellten
Die Parteien waren seit 1989 verheiratet. Der Ehemann arbeitete damals als Maschinist und die Ehefrau als Ingenieurin in einem Kernkraftwerk in der ehemaligen DDR. Während der Ehemann 1990 gleich nach ihrem gemeinsamen Umzug nach Norddeutschland einen neuen Arbeitsplatz fand, war die Ehefrau noch von Mitte 1990 bis März 1992 mit einer auf „Null“ reduzierten Kurzarbeit in dem Kernkraftwerk beschäftigt. Ihr gelang es weder in den zwei Jahren der Kurzarbeit noch nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes eine vergleichbare Stelle im Westen zu finden. Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes 1994 führten die Beteiligten eine Hausfrauenehe. Seit 2002 arbeitet sie bei ihrem jetzigen Arbeitgeber nach einer zuvor erfolgreich abgeschlossenen Umschulung als kaufmännische Angestellte.
Streit um den nachehelichen Unterhalt
Die Ehe wurde im Februar 2012 geschieden und der Ehemann dazu verpflichtet, an die Ehefrau nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.055 EUR zu zahlen. Das OLG Schleswig reduzierte als Beschwerdegericht die Unterhaltszahlungen anschließend auf 863 EUR. Mit der hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde beim BGH begehrte der Ehemann weiterhin die Begrenzung des Unterhaltsanspruchs. Seiner Meinung nach habe sich die Antragsgegnerin nicht ausreichend um eine ihren beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen entsprechenden Stelle bemüht.
BGH bestätigt OLG Entscheidung
Der BGH wies die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. Der Anspruch auf Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt ist gem. § 1573 Abs. 2 BGB und § 1578 Abs. 3 BGB in der vom OLG zuerkannten Höhe von 863 EUR gegeben. Er ist nicht – wie vom Antragsteller begehrt – nach § 1578b BGB herabzusetzen oder zu befristen, da der Antragsgegnerin dauerhafte ehebedingte Nachteile entstanden sind.
Billigkeitserwägung bei der Unterhaltsbegrenzung
Voraussetzung sowohl für eine Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensstandard (§ 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB) als auch für eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs (§ 1578 Abs. 2 Satz 1 BGB) ist, dass ein an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Unterhaltsanspruch unbillig wäre.
Dabei sind immer auch die Belange eines dem Unterhaltsberechtigten zur Pflege und Erziehung anvertrauten gemeinsamen Kindes zu wahren. Vorliegend war zu berücksichtigen, inwieweit der Antragstellerin durch die Ehe Nachteile entstanden sind, die sie daran hinderten, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Ausdrücklich wird in § 1578b Abs. 1 Satz 3 BGB bestimmt, dass sich der Erwerbsnachteil aus der Kindererziehung sowie aus der gemeinsam gestalteten Haushaltführung ergeben kann.
Ehebedingter Nachteil nach Arbeitsplatzverlust
Der Verlust des Arbeitsplatzes als solches stellt vorliegend keinen ehebedingten Nachteil dar, da dieser ausschließlich betriebsbedingt erfolgte und seine Ursache nicht in der Ehegestaltung hatte. Allerdings ergebe sich auch nach Auffassung der BGH-Richter der ehebedingter Erwerbsnachteil daraus, dass sich die Antragsgegnerin anschließend mit Rücksicht auf die Ehe und die praktizierte Rollenverteilung zunächst nur in einem eingeschränkten Radius und später gar nicht mehr um eine ihren beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen entsprechenden Stelle beworben hat.
Im strittigen Zeitraum haben die Eheleute gemeinsam zunächst den Familiennachwuchs geplant. Daher beschränkte die Ehefrau ihre Stellensuche auf die nähere Umgebung. Nach der Geburt des Sohnes kümmerte sich die Antragstellerin dann um das Kind. Diese gemeinsam gestaltete Lebensführung hat somit eine eigenständige Ursache für den Einkommensnachteil gesetzt.
Tatsächlich gelebte Ehe
Der BGH betonte, dass es bei der Beurteilung des ehebedingten Nachteils nur auf die tatsächliche Gestaltung der Kinderbetreuung und Haushaltsführung ankomme. Der Vorwurf des Antragstellers, seine Frau habe die gebotenen Erwerbsbemühungen unterlassen, sei daher bedeutungslos.
Sekundäre Darlegungslast
Die Antragsgegnerin habe mit ihren Ausführungen auch ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Grundsätzlich muss der Unterhaltsverpflichtete darlegen und beweisen, dass dem Unterhaltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile entstanden sind. Da es sich hierbei um den sog. Beweis negative Tatsachen handelt, muss jedoch der Unterhaltsberechtigte die Behauptungen, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, hinreichend substantiiert bestreiten und seinerseits entstandene Nachteile darlegen. Diese vorgetragenen ehebedingten Nachteile hat der Unterhaltberechtigte zu widerlegen, was ihm vorliegend nicht gelungen ist.
(BGH, Urteil v. 26.3.2014, XII ZB 214/13).
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