BGH erleichtert Kürzung beim Ehegattenunterhalt: nachtägliche Befristung, Kürzung zum Rentenalter
Es ging um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein nach altem Recht festgesetzter Unterhalt reduziert werden darf. Die Entscheidung betrifft besonders Ehefrauen, die schon lange geschieden sind und keine ehebedingten Nachteile aufweisen könne.
Fall betraf das schon zum Klischee gewordene Thema Chefarztgattin
Betroffen war die frühere Frau eines Chefarztes, die nach der Scheidung im Jahr 1985 Unterhalt in Höhe von 3500 Mark (rund 1790 Euro) erhalten hatte. Nach der Scheidung arbeitete sie zunächst als technische Assistentin, dann bekam sie von einem anderen Mann ein Kind. Nachdem sie im Rentenalter war, wollte ihr früherer Mann den schon nach altem Recht reduzierten Unterhalt erneut reduzieren und befristen.
Ab Rentenalter greift auch der Versorgungsausgleich
Der BGH gab dem früheren Ehemann Recht: Weil sie über den Versorgungsausgleich von der Altersversorgung ihres Ex-Mannes profitiere, habe sie keine ehebedingten Nachteile. Einbußen aufgrund der Kindererziehung hätten in ihrem Fall mit der Ehe nichts mehr zu tun, da das Kind von jemand anderm stammt.
Der angemessene Lebensbedarf sei somit vollständig durch die Alterseinkünfte gedeckt - deshalb könne «der noch zu zahlende Unterhalt maximal bis auf Null herabgesetzt werden». Für die genaue Berechnung wurde der Fall an das Oberlandesgericht Hamburg zurückverwiesen.
Keine Garantie auf Erhalt des Lebensstandards im Alter
Der BGH schränkt damit den Vertrauensschutz gegen Unterhaltskürzungen ein und erlaubt Unterhaltskürzungen für Geschiedene mit Eintritt in das Rentenalter. Gleichzeitig erleichterte der BGH die nachträgliche Befristung der Unterhaltszahlungen. Der Unterhalt kann so nach Erreichen des Rentenalters unter Umständen auf Null herabgesetzt werden.
Vertrauen ist gut, vertrauensvolle Investitionen sind besser
Der BGH entschied weiter, dass das Vertrauen in den Fortbestand des Unterhalts an sich nicht geschützt ist.
- Schutzwürdig sei das Vertrauen auf Unterhaltsfortbestand nur,
- wenn der Unterhaltsberechtigte im Vertrauen auf die Zahlungen langfristige Entscheidungen getroffen habe,
- z.B. eine Wohnung gekauft hat.
Ansonsten könne der Unterhalt reduziert werden. Eine Anpassung der Unterhaltsregelung an die neue Rechtslage sei nach § 36 Nr. 1 EGZPO zumutbar, wenn kein schützenswertes Vertrauen des Unterhaltsberechtigten entgegenstehe.
Gut für die Unterhaltspflichtige, wenn sie eine Wohnung gekauft hat
Schutzwürdig sei das Vertrauen sowohl eines Unterhaltsberechtigten als auch eines Unterhaltsverpflichteten, der sich auf den Fortbestand der getroffenen Regelung eingestellt hat. Dabei komme es maßgebend darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte im Vertrauen auf den Fortbestand des Unterhaltstitels Entscheidungen getroffen habe wie beispielsweise eine noch abzuzahlende Investition oder einen langfristigen Mietvertrag geschlossen habe.
Geschützt sei also nicht generell das Vertrauen in den Fortbestand des Unterhalts, sondern vor allem das Vertrauen als Grundlage getroffener Entscheidungen, die nicht oder nicht sogleich rückgängig zu machen sind.
(BGH, Urteil v. 29.6.2011, XII ZR 157/09).
Das Urteil wirkt besonders in der Frage des eingeschränkten Vertrauensschutzes wenig überzeugend:
- Warum soll hier die Geschiedene, die eine Immobilie oder eine große Wohnung langfristig erwirbt oder mietet, besser dastehen, als die, die sich - im Vertrauen auf den Unterhalt - kein Haus, sondern ein aufwändige Hobby leistet oder vielleicht letztlich voreilig einen Zusatzverdienst aufgegeben hat?
- Soll vergleichbaren Geschiedenen jetzt zu schleunigstem Immobilienerwerb geraten werden?
- Und wird hier nicht besonders der/die Geschiedene schlechter gestellt, für den/die mangels Unterhaltshöhe ein Immobilienerwerb nicht in Frage kommt, die Unterhaltshöhe also keinen Raum für solche unterhaltsrettende Investitionen lässt?
Vielleicht meldet sich das BVerfG ja bald nochmals mit der Mahnung, mit der Reform nicht über den Rand des Gesetzeswortlauts zu drängen.
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