Scheinvater muss Mindestbedarf für minderjähriges „Kuckuckskind“ nicht nachweisen
Das Thema Kuckuckskinder hat viele rechtliche Facetten und eine hohe soziale und psychologische Dynamik. Nur ein Aspekt ist der Unterhalt, den der vermeintliche Vater zu Unrecht geleistet hat.
Wie muss der Scheinvater geleisteten Unterhalt für eine Regressforderung belegen?
Welche Darlegungslast trifft den Scheinvater, wenn er vom leiblichen Vater den Unterhalt zurückfordert, den er für ein vermeintlich eigenes Kind geleistet hat? Nach einem kürzlich veröffentlichten BGH-Beschluss muss er den geleisteten Naturalunterhalt zumindest in Höhe des gesetzlichen Mindestbedarfs nach der Düsseldorfer Tabelle nicht belegen.
Scheinvater hatte Einkommen für seine Familie bestritten
Der zwischenzeitlich 70-jährige Antragsteller hatte bis zur Trennung von seiner Frau zunächst als Zeitsoldat, sodann als Angestellter beim Versorgungsamt die finanzielle Grundlage für seine Familie gesichert. Die Ehe wurde 1988 geschieden. Der Antragsteller verpflichtete sich in einer notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung zur Zahlung von Kindesunterhalt für den im Mai 1975 geborenen Sohn von monatlich 400 DM, der im Haushalt der Mutter lebte und einer Ausbildung zum Versicherungskaufmann abschloss.
Vaterschaft erfolgreich angefochten – Nachbar als leiblicher Vater gerichtlich festgestellt
Bis einschließlich Juli 1992 zahlte der Antragsteller den titulierten Kindesunterhalt. Der Antragsteller zweifelte jedoch an seiner Vaterschaft, so dass er und „sein Sohn“ Ende 2014 ein privates Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben haben, nach welchem die Vaterschaft „praktisch ausgeschlossen“ war.
Nach erfolgreicher Anfechtung der Vaterschaft wurde zwei Jahre später ein Architekt, der für den Bau des Hauses des Scheinvaters und seiner Familie tätig war und in unmittelbarer Nachbarschaft lebte, als Vater gerichtlich festgestellt. Von diesem verlangte der Scheinvater nun im Wege des Unterhaltsregresses 42.400 EUR.
Grundsätzlich trifft Scheinvater Beweis- und Darlegungslast
Das Amtsgericht Hildesheim und das OLG Celle lehnten einen Anspruch ab. Nach Auffassung des OLG habe der Antragsteller nicht hinreichend dargelegt, wann und in welcher Höhe er finanzielle Leistungen oder Naturalleistungen oder zumindest den Mindestunterhalt für seinen „Sohn“ erbracht habe.
Darüber hinaus habe er neben den eigenen Aufwendungen für den Lebensunterhalt des Sohnes auch nicht die Einkommenssituation des Antragsgegners näher dargestellt und dessen unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht aufgezeigt, obwohl hierzu die Möglichkeit bestanden habe, so das OLG. Der BGH hob nun die Entscheidung des OLG Celle auf.
- Zwar treffe den Scheinvater grundsätzlich die Beweis- und Darlegungslast hinsichtlich des Unterhaltsbedarfs und der Bedürftigkeit des Kindes während des streitbefangenen Zeitraumes.
- Allerdings sei dies für den gesetzlichen Mindestbedarfs nicht notwendig
Keine Obliegenheit zur Bezifferung der jeweiligen Mindestbedarfsbeträge
Entgegen der Auffassung des OLG treffe den Anspruchsteller nicht die Obliegenheit zur Bezifferung der jeweiligen Mindestbedarfsbeträge, welche unter anderem in der Düsseldorfer Tabelle festgelegt sind.
- Es sei Aufgabe des Gerichts, die für die streitbefangenen Zeiträume geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden
- und diesen die jeweils gültigen Mindestbedarfsbeträge zu entnehmen.
Nur über Mindestbedarf hinausgehende Unterhaltsleistungen müssen dargelegt werden
Hinsichtlich eines darüberhinausgehenden Unterhaltsbedarfs verbleibe es jedoch bei der uneingeschränkten Darlegungs- und Beweislast des Scheinvaters. Der Anspruch des Scheinvaters geht höchstens zu dem Umfang auf ihn über, in dem er Unterhalt geleistet hat.
Ein höherer Unterhaltsanspruch aufgrund eines höheren Einkommens des leiblichen Vaters müsse das Kind selbst geltend machen.
Das OLG Celle muss nun die Sache erneut prüfen.
(BGH, Beschluss vom 19.9.2018, XII ZB 385/17)
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Hintergrund:
Zahl der Scheinvaterschaften
Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Kuckuckskinder in Deutschland zwischen 4 und 10 % liegen könnte. Nach einer im April 2016 veröffentlichten belgischen Untersuchung sind diese Zahlen allerdings weit übertrieben und liegen tatsächlich bei unter 2, wenn nicht sogar unter 1 %.
Vätervarianten
- Leibliche oder biologischer Vater: Wer ein Kind zeugt, ist der leibliche Vater. Die biologische Vaterschaft ist aber nicht notwendig, um als rechtlicher Vater zu gelten.
- Rechtlicher Vater: Nach dem BGB ist der Mann Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist.
- Stiefvater oder sozialer Vater: Ein neuer Partner der Mutter übernimmt für deren Kind u.U. eine soziale Vaterrolle, bleibt aber ohne rechtliche Beziehung zum Nachwuchs. Diese erreicht er ggfs. durch eine Stiefkindadoption.
- Adoptivvater: Er ist juristisch dem rechtlichen Vater gleichgestellt, das Kind hat in der Adoptivfamilie die gleichen Rechte wie ein eheliches Kind. Die rechtlichen Verbindungen zwischen Adoptivkind und seinen leiblichen Eltern werden dagegen vollständig gekappt.
- Pflegevater: Sie sind «Väter auf Zeit». Ein Pflegekind bleibt immer ein Mitglied seiner Herkunftsfamilie und behält deren Namen. Der Gesetzgeber versteht die Pflegschaft als vorübergehende Maßnahme, um das Kind zu versorgen und womöglich wieder zu seinen leiblichen Eltern zurückzubringen.
- Scheinvater: Ihm wird in einer Ehe oder Partnerschaft ein Kind untergeschoben, etwa wenn er mangels Verdacht oder wider besseres Wissen die Vaterschaft anerkennt oder nicht anficht, aber nicht der biologische Vater ist.
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