Die Adoption von Stiefkindern muss auch bei unverheirateten Paaren möglich sein
Nach der geltenden Rechtslage ist für nichteheliche Paare eine zu einer gemeinsamen Elternschaft führende Adoption des Kindes einer der Partner nicht möglich. Gemäß §§ 1754 Abs. 1, Abs. 2, 1755 BGB führt die Stiefkindadoption durch einen unverheirateten Lebenspartner zwangsläufig zum Erlöschen der Elternschaft des anderen Partners.
Adoption führte zum Erlöschen bisheriger Verwandtschaftsverhältnisse
Diese auf den ersten Blick merkwürdige Konsequenz folgt daraus, dass der Gesetzgeber minderjährigen Kindern ein geordnetes, stabiles Zuhause ermöglichen will und die Volladoption eines Kindes grundsätzlich zur völligen Trennung des adoptierten Kindes von seiner bisherigen rechtlichen Familie führen soll, um die Integration in die aufnehmende Familie zu fördern.
In ehelichen Partnerschaften ist die Stiefkindadoption kein Problem
Für eheliche Partnerschaften ist dies kein Problem, da gemäß §§ 1754, 1754 BGB die Adoption eines Stiefkindes durch den ehelichen Partner problemlos zur gemeinsamen Elternschaft der Eheleute führt. Sind die Partner nicht verheiratet, so ist eine gemeinsame Elternschaft durch Adoption nach diesen Vorschriften aber unmöglich
Im konkreten Fall hatten die leibliche Mutter zweier Kinder sowie der seit vielen Jahren mit ihr zusammenlebende nichteheliche Lebenspartner der Mutter
- von einer Eheschließung abgesehen,
- weil die Mutter eine Witwenrente bezieht
- und dies als wesentlichen Teil ihrer Existenzgrundlage betrachtet.
- Bei einer Wiederverheiratung hätte sie die Witwenrente verloren.
Eheschließung als Gewähr für stabile Beziehung
Der Antrag der Lebenspartner, die beiden minderjährigen Kinder als gemeinschaftliche Kinder anzunehmen, wurde abgelehnt. Nach der Entscheidung des zuständigen Amtsgerichts kann eine unverheiratete Person ein Kind nur allein annehmen. Die entsprechende gesetzliche Regelung ist nach Auffassung des AG auch nicht verfassungswidrig, denn sie solle sicherstellen, dass ein Kind durch die Adoption in stabile Verhältnisse mit dauerhaften Bezugspersonen gelange, was nur bei einer geschlossenen Ehe sichergestellt sei.
OLG und BGH bestätigten Gesetzeslage,BVerfG sieht Gleichbehandlungsgrundsatzes verletzt
Gegen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts legten die nicht verheirateten Lebenspartner Beschwerde ein. Diese war beim OLG erfolglos, ebenso die Rechtsbeschwerde beim BGH.
Erst das Bundesverfassungsgericht lenkte ein: Die Verfassungsrichter betonten dabei in ihrer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des unverheirateten Paares, dass die Adoption nach geltendem Recht strengen materiellen und verfahrensrechtlichen Anforderungen unterliegt.
- Wesentliche Voraussetzung der Adoption sei gemäß § 1741 BGB, dass die Annahme dem Wohl des Kindes dient
- und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht.
Über die Adoption selbst entscheidet gemäß § 1752 BGB das Familiengericht.
Rechtslage verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Die derzeitige Rechtslage führt allerdings nach Einschätzung der Richter zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebenden Adoptivkinder im Verhältnis zu den Adoptivkindern, die in einer ehelichen Lebensgemeinschaft leben. Dies verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Rechtslage definitiv ausschließe, dass ein Kind von seinem mit einem Elternteil in nichtehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Stiefelternteil adoptiert werden kann, ohne dass die verwandtschaftliche Beziehung zum biologischen Elternteil erlischt.
Ehe darf nicht das einzige Stabilitätskriterium sein
Dieses Ergebnis ist nach der Wertung der Verfassungsrichter nicht durch Sachgründe rechtfertigen.
- Grundsätzlich mache der Gesetzgeber die berechtigte Zielvorgabe, Kindern im Rahmen einer Adoption eine geordnete gesicherte Lebensgrundlage in einer gefestigten familiären Beziehung zu verschaffen.
- Der Gesetzgeber habe mit der Beschränkung der Adoption auf verheiratete Paare die Erwartung verbunden, ein adoptiertes Kind wachse in einer ehelichen Familie unter günstigeren familiären Bedingungen auf als in einer unehelichen Familie.
- Das Bestehen einer Ehe zwischen den annehmenden Lebenspartnern dürfe auch durchaus ein Kriterium für eine gefestigte, stabile Familie sein.
- Der völlige Ausschluss nichtehelicher Gemeinschaften als stabile Lebensform sei jedoch sachlich nicht zu rechtfertigen.
Reale Situation des Stiefkindes muss berücksichtigt werden
Die Verfassungsrichter wiesen darauf hin, dass einem Stiefkind, das innerhalb eines Familienverbundes lebe, bei dem die Lebenspartner nicht verheiratet sind, eine eheliche Familie schlicht nicht zur Verfügung steht.
- Es sei auch nicht anzunehmen, dass die Lebensbedingungen eines Stiefkindes in der bestehenden nichtehelichen Familie durch eine Adoption verschlechtert werden könnten.
- Allerdings könne die Verweigerung der Adoption für das in der nichtehelichen Familiensituation lebende Kind durchaus von gravierendem Nachteil sein.
- Im Rahmen der Möglichkeit einer gemeinsamen Adoption könne das nichteheliche Kind in der Beziehung zu seinen Eltern effektiver abgesichert werden als ohne Adoption.
Mit einer Adoption sei zwar der Nachteil verbunden, dass das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten erlösche, jedoch sei eine am Kindeswohl orientierte Einzelfallentscheidung gemäß § 1741 BGB geeignet, diesem Umstand bei der Entscheidung über die konkrete Adoption Rechnung zu tragen.
Auch der Stiefkindadoption habe wie jeder anderen Adoption im Einzelfall eine konkrete und intensive Kindeswohlprüfung vorauszugehen.
Dem Ziel des Gesetzes, eine Adoption nur bei möglichst stabilen Familienverhältnissen zuzulassen, könne entsprochen werden, indem die Stabilität der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Einzelfall angemessen beurteilt und geprüft wird.
Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind etabliert
Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften inzwischen allgemein so etabliert seien, dass von einer geringeren Stabilität im Verhältnis zur ehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich nicht mehr ausgegangen werden kann. Ob die Beziehung zwischen Eltern tatsächlich längeren Bestand verbriefe, könne weder im Rahmen einer Ehe noch außerhalb einer Ehe mit Sicherheit beurteilt werden. Auch habe sich die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit minderjährigen Kindern seit dem Jahr 2007 bis zum Jahre 2017 um 38 % auf 934.000 Lebensgemeinschaften erhöht,
Ausmaß der Benachteiligung ist für betroffene Kinder äußerst intensiv
Das Ausmaß der Ungleichbehandlung ist nach Einschätzung der Verfassungsrichter zudem für die betroffenen Kinder intensiv.
- Für die Kinder entscheide sich nach der derzeitigen Rechtslage anhand des Familienstandes ihrer Eltern, ob sie ihren sozialen Elternteil als rechtlichen Elternteil erhalten können oder nicht.
- Dies betreffe grundlegende Voraussetzungen ihrer persönlichen Entwicklung und könne von wesentlicher Bedeutung für ihr künftiges Leben sein.
Die mit der jetzigen Regelung verbundene Härte ließe sich nach Auffassung der Verfassungsrichter auch ohne übermäßige Schwierigkeiten vermeiden, indem nichteheliche Stiefkindfamilien nicht von der Stiefkindadoption ausgeschlossen würden.
Gesetzgeber muss zügig Neuregelung schaffen
Die Verfassungsrichter gaben den Gesetzgeber auf, bis zum 31.3.2020 eine Neuregelung zu treffen. Bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber ist das geltende Recht auf nichteheliche Stiefkindfamilien nicht anwendbar. Verfahren sind bis zu einer Neuregelung auszusetzen.
(BVerfG, Beschluss v. 26.3.2019, 1 BvR 673/17).
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Hintergrund: BGH hatte die Regelung noch durchgewunken:
Die Regelung in §§ 1754 Abs. 1, Abs. 2, 1755 BGB sei nicht verfassungswidrig:
- Zum einen könne sich der Antragsteller nicht auf das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 S.1 GG) berufen, da er nicht rechtlicher bzw. leiblicher Elternteil sei.
- Zum anderen umfasse das Familiengrundrecht nach Art. 6 Abs.1 GG keinen Anspruch der Familienmitglieder auf eine Adoption.
- Darüber hinaus dürfe der Gesetzgeber die Sachverhalte (nicht Verheiratete einerseits und Ehegatten bzw. Lebenspartner andererseits) unterschiedlich behandeln.
Das Ziel des Gesetzgebers, dem Kind eine stabile Elternbeziehung durch eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft zu gewährleisten, sei legitim (BGH, Beschluss v. 08.02.2017, XII ZB 586/15).
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