BVerfG stärkt Rechte ausländischer Eltern
Der Freistaat Bayern muss auch Bürgern aus Nicht-EU-Staaten Erziehungsgeld zahlen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Die bisherige bayerische Regelung, die Zahlung auf EU-Bürger zu beschränken, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes, heißt es in dem am 8.3.2012 veröffentlichten Beschluss (1 BvL 14/07). "Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie ist nicht auf Deutsche beschränkt." Die bayerische Staatsregierung kündigte als Reaktion eine "zeitgemäße Neuregelung" an.
Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern ohne legitimen Grund
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist Polin und wohnt seit 1984 in Bayern. Ihr Kind wurde im Jahr 2000 geboren, also vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union. Deshalb wurde ihr kein Erziehungsgeld gewährt - zu Unrecht, wie die Richter des Ersten Senats entschieden. Es gebe keinen legitimen Grund für den Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern. Zwar sei es dem Gesetzgeber nicht generell untersagt, nach der Staatsangehörigkeit zu differenzieren - erforderlich sei jedoch ein ausreichender Grund. "Die Entscheidung des Verfassungsgebers, den allgemeinen Gleichheitssatz als Menschenrecht auszugestalten, das nicht auf Deutsche beschränkt ist, liefe ansonsten ins Leere", argumentierte das Gericht.
Bayern muss Erziehungsgeld neu regeln
Das Erziehungsgeld solle Eltern die eigene Betreuung ihres Kindes durch Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit ermöglichen und damit die frühkindliche Entwicklung fördern. Dies müsse aber auch für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten gelten, so die Verfassungsrichter. Die Richter setzten dem Freistaat Bayern eine Frist bis zum 31.8.2012: Bis dahin muss eine verfassungsgemäße Neuregelung stehen - sonst wird die Ausschlussregelung nichtig.
Sozialministerium verspricht: Künftig gerechte Kinderförderung
Das bayerische Sozialministerium erklärte am 8.3.2012, es werde nach Auswertung der Entscheidungsgründe eine zeitgemäße Neuregelung schaffen, die der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerecht werde. Die SPD-Landtagsfraktion begrüßte das Urteil der Verfassungsrichter. "Die Förderung von Kindern ist keine Frage der Nationalität, sondern eine Frage der Gerechtigkeit", sagte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Pfaffmann. Auch die Grundsätze der Integration würden eine Schlechterstellung der Familien aus Nicht-EU-Staaten klar verbieten.
Landeserziehungsgeld komplett abschaffen?
Die Grünen im bayerischen Landtag forderten hingegen, das Landeserziehungsgeld abzuschaffen. «Der Richterspruch aus Karlsruhe ist die Quittung für die Widersprüchlichkeit konservativer Familienpolitik», sagte die sozialpolitische Sprecherin Renate Ackermann. Das Urteil aus Karlsruhe solle zum Anlass genommen werden, dass Landeserziehungsgeld komplett zu streichen und die frei werdenden Mittel statt dessen in den Ausbau der Kinderbetreuung umzuschichten. Das Erziehungsgeld ermuntere zu einem längeren Ausstieg aus der Berufstätigkeit und sei kein Ersatz für Betreuungsangebote.
Hintergrund
Der Freistaat hatte 1989 das Landeserziehungsgeld eingeführt. Es soll Eltern ermöglichen, über einen längeren Zeitraum Elternzeit zu nehmen und ihre Kinder selbst zu betreuen. Das im Anschluss an das Elterngeld gezahlte Erziehungsgeld hängt vom Einkommen ab und beträgt derzeit für das erste Kind maximal 150 EUR im Monat, ab dem zweiten Kind 200 EUR und ab dem dritten Kind bis zu 300 EUR. Ähnliche Regelungen gibt es auch in Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen. In Bayern ist die Leistung allerdings im Gegensatz zu anderen Ländern auf EU-Bürger beschränkt.
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