Erbfälle mit Auslandsberührung
Bisher war die Rechtslage kompliziert. Dies zeigt das Beispiel des Immobilienerwerbs eines Deutschen in Spanien oder in Frankreich. In Spanien wurde auf den Erbfall deutsches Recht angewandt, und zwar auch hinsichtlich der sich in Spanien befindlichen Immobilie. Im französischen Recht galt dagegen das Recht des Belegenheitsortes, also das französische Recht. Dagegen wurden das in Deutschland befindliche Vermögen des Verstorbenen und das bewegliche Vermögen in Frankreich, also die Möbel der Ferienwohnung, nach deutschem Erbrecht vererbt. Diese Nachlassspaltung will die europäische Erbrechtsverordnung künftig vermeiden.
Nachlasseinheit durch Maßgeblichkeit des Aufenthaltsrechts
Die bisherige Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers oder das Belegenheitsrecht wird europaweit beseitigt. Maßgeblich ist allein der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers und das dort geltende Recht. Somit wird das gesamte Vermögen, unabhängig davon, ob es sich um Mobilien, Immobilien oder sonstige Gegenstände handelt, nach dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers vererbt.
Hatte der der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist deutsches Recht für die Abwicklung des Nachlasses maßgeblich. Dies gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des EU-Bürgers. Für andere Ausländer als EU-Bürger gilt die EU-Verordnung selbstverständlich nicht.
Gilt nicht bereits beim Versterben im Urlaub
Hat ein Deutscher seinen gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland, gilt das Recht dieses Staates für die Abwicklung des Nachlassfalles. Allerdings gilt dies nur bei einem gewöhnlichen Aufenthalt, also nicht bereits beim Versterben im Urlaub. Es muss sich um den Daseinsmittelpunkt handeln, also denjenigen Ort, an dem sich der Schwerpunkt der familiären, sozialen und beruflichen Beziehungen befindet. Schwierig ist dies bei Rentnern, die an zwei Orten leben, um jeweils der schlechten Jahreszeit zu entgehen.
Rechtswahlerklärung
Auch die Abwicklung des Erbfalls soll zentral durch eine Behörde erfolgen, nämlich die zuständige Behörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers. Da nach geltendem deutschen Recht das Staatsangehörigkeitsprinzip galt, gehen viele deutsche Erblasser davon aus, dass auf ihren Todesfall deutsches Recht anwendbar sein wird. Dies kann zu bösen Überraschungen führen, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor ihrem Tod ins Ausland verlegen. Bedeutung hat dies insbesondere, weil das materielle ausländische Recht ein abweichendes gesetzliches Erbrecht und andere Pflichtteils- bzw. Noterbrechte vorsehen kann.
Erblasser haben deshalb die Möglichkeit, eine Rechtswahl vorzunehmen. Diese kann zugunsten des Erbrechts des Staates erfolgen, dem die betreffende Person im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Bei Mehrstaatlern kann das Recht eines der Staaten gewählt werden. Die Rechtswahl muss in der Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen. Gleiches gilt für die spätere Änderung oder den Widerruf.
Für deutsche Erblasser, die das deutsche Erbrecht hinsichtlich der Anwendung ihres Erbfalls wünschen, ist es empfehlenswert, eine diesbezügliche Rechtswahl vorzunehmen. Diese betrifft allerdings nur das materielle Erbrecht, nicht jedoch das Erbschaftsteuerrecht und die Freibeträge. Diesbezüglich ist eine Rechtswahl desjenigen Staates, der das günstigste Erbschaftsteuerrecht enthält, nicht möglich.
Probleme mit der Anerkennung von Erbverträgen
Auch bei Erbverträgen, die in vielen europäischen Staaten nicht anerkannt werden, kann sich eine Rechtswahl empfehlen. Mangels einer diesbezüglichen Rechtswahl muss hinsichtlich der Zulässigkeit eines Erbvertrags, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, danach gefragt werden, ob er nach jedem der Rechte des gewöhnlichen Aufenthalts das bei einem Versterben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegolten hätte, zulässig ist. Auch dies kann bei deutschen Staatsangehörigen, die im Alter in das Ausland übersiedeln, zu Überraschungen führen. Mangels einer Rechtswahl kann es sein, dass der bei einem Besuch in Deutschland geschlossene Erbvertrag nicht anerkannt wird. Insofern sollten diesbezügliche Verfügungen nochmals überprüft werden.
Eine Behörde und das europäisches Nachlasszeugnis
Die Regelung hat zur Konsequenz, dass bei der Abwicklung des Nachlasses die zuständige Behörde ausländisches Recht anwenden muss, da das materielle Erbrecht der einzelnen Staaten unberührt bleibt, sofern der Erblasser von der Möglichkeit der Rechtswahl Gebrauch gemacht hat.
Die Erbfolge wird in Deutschland durch einen Erbschein nachgewiesen. In ähnlicher Weise soll nunmehr europaweit ein europäisches Nachlasszeugnis eingeführt werden. Mit seiner Hilfe kann die Stellung als Erbe, Vermächtnisnehmer, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker nachgewiesen werden. Es geht somit über den Inhalt des deutschen Erbscheins sogar noch hinaus. In ihm sollen das anwendbare Recht, die Art und Weise der Berufung, die Person des Erben, Erbquoten und die den Nachlassberechtigten zustehenden Vermögenswerte angegeben werden. Es tritt neben den nationalen Erbschein und soll nur in grenzüberschreitenden Sachverhalten erteilt werden. Der gute Glaube an seine Richtigkeit wird geschützt. Wer also an den durch ein Nachlasszeugnis ausgewiesenen Erben eine Leistung erbringt, muss nicht prüfen, ob die entsprechende Person wirklich Erbe wurde.
Der Rat der Europäischen Union nahm die Verordnung am 8. Juni 2012 an, sie tritt 20 Tage nach ihrer Verkündung im Amtsblatt in Kraft, wird aber erst 3 Jahre nach ihrem Inkrafttreten, also Mitte 2015, angewandt.
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