Kind untergeschoben – Unterhalt herabgesetzt
Eine solche umfassende Interessenabwägung war Gegenstand eines vom BGH entschiedenen Falls:
Scheidung eines Ehepaares mit 2 – inzwischen volljährigen - Kindern
Bis zu ihrer Scheidung waren die Eheleute ca. 30 Jahre verheiratet. In einer notariellen Urkunde hatten sie die Höhe des vom Ehemann zu leistenden nachehelichen Unterhalts ab dem Jahre 1996 geregelt und diesen zuletzt im Jahre 2005 einvernehmlich auf 1.500 EUR monatlich festgelegt. Während der Ehe waren 2 – inzwischen volljährige - Kinder geboren worden, darunter ein geistig behinderter Sohn. Im Klagewege begehrte der geschiedene Ehemann den Wegfall des Unterhalts ab November 2006. Begründung: Der Sohn sei ihm untergeschoben worden. Seine geschiedene Frau habe ihn jahrelang in dem unrichtigen Glauben gelassen, dass er der biologische Vater sei. Er habe seine ganze Lebensweise auf die Versorgung des geistig behinderten Sohnes eingerichtet. Das Verschweigen der wahren Vaterschaft sei ein grobes Fehlverhalten seiner geschiedenen Frau, das zum Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung führe. Die Vaterschaft als solche wollte er aber nicht anfechten.
Beweis fehlender Vaterschaft erbracht
Das AG hat Beweis erhoben und ein Vaterschaftsgutachten erstellen lassen, das den Kläger als Vater ausschloss. Während das AG daraufhin der Klage komplett statt gab, sah das Berufungsgericht darin lediglich einen Grund zur Herabsetzung des monatlichen Unterhalts auf 400 EUR. Beide Instanzen werteten das Verhalten der Beklagten als schwerwiegendes einseitiges Fehlverhalten gemäß § 1579 Ziff. 7 BGB.
Ehebruch allein führt nicht zur Unterhaltsherabsetzung
Der BGH machte als Revisionsinstanz deutlich, dass ein Ehebruch als solcher noch kein für den Ausschluss oder die Herabsetzung von Unterhaltsansprüchen ausreichendes Fehlverhalten darstelle (BGH, Urteil v. 12.01.1983, IVb ZR 348/81). Erst wenn der Ehebruch eine so schwerwiegende Abkehr von den ehelichen Bindungen darstelle, dass die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten als grob unbillig erscheine, seien die Voraussetzungen für eine Unterhaltsherabsetzung erfüllt. In der zitierten Entscheidung stellte der BGH daher auf die Nachhaltigkeit und Dauer der außerehelichen intimen Beziehung ab. Diesen Ausschlussgrund sah der BGH daher vorliegend nicht als gegeben an.
Das Verschweigen von Vaterschaftszweifeln ist schwerwiegendes Fehlverhalten
Als schwerwiegend bewertete der Senat allerdings den Umstand, dass die Beklagte den Kläger über viele Jahre in dem Glauben gelassen hatte, dass er der biologische Erzeuger des Kindes sei, obwohl sie infolge zumindest eines anderweitigen sexuellen Kontakts hieran Zweifel hätte haben müssen. Die Vaterschaft sei eine elementare persönliche Lebensfrage des Klägers gewesen, von der er sich eine unrichtige Vorstellung gemacht habe. Durch ihr Schweigen habe die Beklagte in die Lebensgestaltung ihres Mannes massiv eingegriffen. Dies stelle nach gefestigter Rechtsprechung ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten gegenüber dem Ehepartner dar ( BGH, Urteil v. 05.12.1984, IVb ZR 55/83).
Festhalten an der Vaterschaft schließt die Härtegrund nicht aus
Die Nichtanfechtung der Vaterschaft durch den Kläger ändert an der Anwendung von § 1579 Ziff. 7 nach Auffassung des BGH nichts. Es sei auch unerheblich, ob die Identität des wahren Vaters bekannt sei. Nach bisheriger Rechtsprechung genüge zur Annahme eines Härtegrundes die Unstreitigkeit einer anderweitigen Vaterschaft (BGH, Urteil v. 26.10.1984, IVb ZR 36/83). Für die den Fall des Ausschlusses der Vaterschaft aufgrund eines Gutachtens muss nach Auffassung des Senats das Gleiche gelten.
Völliger Unterhaltsauschluss abgelehnt
Der BGH teilte die Meinung der Vorinstanz, dass ein völliger Unterhaltsauschluss nicht in Betracht komme. Maßgeblich hierfür waren die lange Ehedauer sowie der Umstand, dass die Beklagte wegen der Erziehung der Kinder auf die Ausübung ihres Berufs als Friseurin verzichtet hatte. Hierdurch habe sie Nachteile in der Rentenversicherung erlitten, die sie nicht mehr ausgleichen könne. Die Herabsetzung des Unterhalts auf 400 EUR monatlich sei unter Abwägung aller Umstände angemessen.
(BGH, Urteil v. 15.02.2012, XII ZR 137/09).
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