Fragwürdige Rechtslage bei Vaterschaftsanfechtung durch leiblichen Vater
Der BGH hatte kürzlich wieder über eine Vaterschaftsanfechtung eines leiblichen Vaters zu entscheiden. Das Ergebnis ist nicht überraschend, berührt aber einen wunden Punkt an der bestehenden Gesetzeslage.
Übernahme der Vaterrolle durch neuen Lebensgefährten der Mutter
Der Fall: Im Oktober 2013 kam das Kind zur Welt, um das sich zwei Väter streiten. Die Mutter lebte zur Zeit der Geburt und auch noch zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung mit einem Mann zusammen, der nicht der biologische Vater des Kindes ist. Er erkannte aber die Vaterschaft offiziell an, als das Kind ein Jahr alt war. Damit wurde er zum rechtlichen Vater des Kleinkindes.
Eingeschränktes Umgangsrecht des biologischen Vaters
Mit dem leiblichen Vater war vereinbart, dass er sein Kind einmal im Monat für eine Stunde unter Anwesenheit einer Begleitperson sehen darf. Er wollte mehr, nämlich der einzige Vater des Kindes sein und focht deshalb die Vaterschaft des Lebensgefährten der Kindesmutter an. Er warf ihnen vor, ihn, den biologischen Vater, bewusst aus seiner Vaterrolle verdrängt zu haben.
Bestehende Familienstruktur hat Vorrang vor den Rechten des leiblichen Vaters
Die Bundesrichter wie auch schon die Brandenburger Vorinstanz konnten diesen Vorwurf nicht bestätigen. Für sie lag hier ein typischer Fall vor, der zu Gunsten des rechtlichen Vaters zu entscheiden war. Die notwendige sozial-familiäre Bindung zwischen rechtlichem Vater und dem Kind wurde bejaht. Dafür sprach, dass die kleine Familie zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zusammenlebte. Ein weiteres Kind war inzwischen geboren und Mutter und rechtlicher Vater kümmerten sich gleichermaßen um beide Kinder. So wurde die Rechtsbeschwerde des biologischen Vaters zurückgewiesen. Dieser bleibt auf sein minimalistisches Umgangsrecht beschränkt.
Gesetzeslage eher gegen leibliche Väter angelegt
Die seit 2004 bestehende Gesetzeslage sorgt dafür, dass Vaterschaftsanfechtungen leiblicher Väter selten Erfolg haben.
Ihnen obliegt es darzulegen und zu beweisen, dass zwischen ihrem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Bindung besteht (§ 1600 BGB).
Mit sozial-familiärer Bindung ist gemeint, dass der soziale Vater für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt und sich wirklich um das Kind kümmert. Eine reine Zahlvaterschaft genügt nicht.
Das Gesetz vermutet diese Verantwortung allerdings schon dann,
- wenn der rechtliche Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder
- mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
- Dies gilt auch nach Trennung der Eltern, wenn der rechtliche Vater zum Kind weiterhin regelmäßigen Kontakt pflegt.
- Nicht zu berücksichtigen ist eine eigene sozial-familiäre Bindung des leiblichen Vaters in der Vergangenheit.
(BGH, Beschluss v. 18.10.2017, XI ZB 525/16).
Anmerkung: Bei sozial-familiäre Bindung zum rechtlichen hat der leibliche Vater verloren
Wird tatsächliche Verantwortungsübernahme des rechtlichen Vaters bejaht, hat der leibliche Vater verloren. Die Entscheidung ist ohne Wenn und Aber gefallen.
- Es erfolgt keine Beurteilung, was für das Wohl des Kindes am besten wäre.
- Es geht nicht um eine Abwägung der Elterninteressen.
- Der Gesetzgeber hat die Abwägung vielmehr „generalisierend vorweggenommen“.
Gesetz verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (?)
- Obgleich stark in der Kritik, wurde die deutsche Regelung vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsgemäß beurteilt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 24.2.2015, 1 BvR 562/13).
- Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hielt sie stand. Ihr wurde eine Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK bescheinigt.
Das heißt, der Gesetzgeber darf die Interessen der rechtlichen Eltern am Erhalt ihres bestehenden Familienverbandes vorrangig gegenüber den Interessen des leiblichen Vaters einstufen.
Zweifelhafte Ergebnisse in bestimmten Fallkonstellationen
Der BGH erinnert am Ende seiner Entscheidung daran, dass es problematische Konstellationen unter der bestehenden Gesetzeslage geben kann. Daran etwas ändern könne allein der Gesetzgeber.
Beispiel:
Denkbar ist folgendes Szenario: Leiblicher Vater und Mutter leben unverheiratet mit dem gemeinsamen Kind als Familie zusammen. Der Vater hat keinen Vaterschaftsanerkennungsantrag gestellt. Zwischen allen besteht eine enge, liebevolle Beziehung. Im vierten Lebensjahr des Kindes trennt sich das Paar. Die Mutter findet einen neuen Lebenspartner. Durch taktische Vaterschaftserkennung könnte die Mutter dem leiblichen Vater dauerhaft seine Vaterrolle entziehen. Das wird als besonders prekär mit Blick auf die sehr viel höheren Anforderungen einer Adoption angesehen. Bevor ein Kind adoptiert wird, muss der leibliche Vater einwilligen. Außerdem wird das Kindeswohl geprüft.
Neuregelung anvisiert
Reformbemühungen sind im Gange. Im Juli 2017 hat der Arbeitskreis Abstammungsrecht (eingesetzt vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) vorgeschlagen, die bestehende Regelung des § 1600 BGB zu ergänzen. Insbesondere möchte man aufnehmen, dass eine sozial-familiäre Beziehung zwischen leiblichem Vater und Kind berücksichtigt und gewertet wird. Ob und wann es eine Gesetzesnovellierung geben wird, ist offen.
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