Das Wohl von Kindern ist vielfach Gefährdungen ausgesetzt. Nicht selten gehen sie von den Eltern selbst aus. Der § 1666 BGB eröffnet den Gerichten die Möglichkeit, notwendige Maßnahmen zur Abwendung von Gefahren zu treffen. Einer Zwangsuntersuchung oder -therapie steht aber das Persönlichkeitsrecht der Eltern im Weg.

Wenn das Kindeswohl durch Defizite der Eltern gefährdet ist

Bei den Jugendämtern häufen sich die Fälle, in denen das Kindeswohl durch erhebliche Defizite in der Erziehung der Kinder durch die Eltern gefährdet ist.

Die Entziehung des Sorgerechts oder die Übertragung beispielsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf behördlich bestellte Personen erscheint häufig als das einzige Mittel, Abhilfe zu schaffen.

Für Eltern und Kinder bedeuten solche Anordnungen häufig schmerzhafte Einschnitte in die Lebensführung.

  • Weniger einschneidende Hilfsangebote, wie z.B. eine psychotherapeutische Beratung oder Behandlung der Eltern oder eines Elternteils werden häufig nicht angenommen.
  • Erzwungen werden kann die Annahme eines solchen Therapieangebotes nicht. 

 

Wenn Wahnvorstellungen der Mutter zur Gefahr für das Kind werden

In einem vom BGH entschiedenen Fall litt die Kindesmutter unter akuten Ängsten vor einem Atomangriff, was zu mehreren unvermittelten Umzügen, in einem Fall bis in die USA, führten, so dass u.a. ein ordnungsgemäßer Schulbesuch der 7jährigen Tochter nicht mehr gewährleistet war.

  • Die Mutter lehnte eine vom Jugendamt geforderte psychologische Exploration ihrer Person ab.
  • In einem anderen Fall erteilte das Jugendamt wegen erheblicher Erziehungsdefizite einer Mutter die „Auflage“, eine bereits begonnene Psychotherapie fortzusetzen, ansonsten man Maßnahmen zur Entziehung des Sorgerechts einleiten müsste.

 

Therapieauflage verletzt das Persönlichkeitsrecht

Das Saarländische OLG stellte in Fortführung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts klar, dass eine Kindesmutter nicht zur Durchführung einer Psychotherapie gezwungen werden kann.

  • Insbesondere stelle § 1666 BGB hierzu keine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage dar.
  • Das Recht der Mutter auf freie Selbstbestimmung verbiete eine derartig einschneidende Auflage.

Die Richter gaben der Beschwerde der Kindesmutter in vollem Umfang Recht.

 

Psychologische Begutachtung der Kindesmutter kann nicht erzwungen werden.

Was für die zwangsweise Anordnung einer Therapie Gültigkeit hat, gilt auch für eine gerichtlich angeordnete zwangsweise psychologische Begutachtung der Mutter. Verweigert sich diese, so können nach Auffassung der BGH-Richter hieraus keine negativen Schlüsse hinsichtlich ihrer Erziehungsfähigkeit gezogen werden.

Wer auf der Achtung seines Persönlichkeitsgrundrechts besteht, darf nach Auffassung der Richter hierfür nicht durch eine negative Beweiswürdigung abgestraft werden.

  

Hohe Anforderungen an richterliche Sachaufklärung

Diese Rechtsgrundsätze bedeuten nach Auffassung des BGH aber nicht, dass die nach § 1666 BGB erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung nicht getroffen werden könnten. Vielmehr müsse das zur Entscheidung berufene Gericht sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Sachaufklärung ausschöpfen. So könne das Gericht z.B. eine psychologische Untersuchung des Kindes anordnen und die hierzu erforderliche Zustimmung der Kindesmutter ggf. ersetzen. Außerdem dürfe ein Gericht selbst die Kindesmutter im Beisein eines Psychologen anhören und sich dabei dessen Sachkunde bedienen.

 

Primat des Kindeswohls erfordert Sachentscheidung des Gerichts

Nach Ansicht der BGH-Richter ist das erkennende Gericht gehalten, sich durch Anhörung sämtlicher Beteiligten ein eigenes Bild davon zu machen, ob das Kindeswohl durch eine defizitäre Erziehung der Sorgerechtsberechtigten gefährdet ist und hat anschließend die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Im konkreten Fall hatte die Vorinstanz die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausgeschöpft, weshalb der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück verwiesen hat.

(Saarländisches OLG, Beschluss v. 19.10.2009, 6 UF 48/09; BGH Beschluss v. 17.02.2010, XII ZB 68/09).